Die Kinder von Leon und Nakoma werden jetzt in der Tradition der Cantara erzogen. Diese Tradition ist dem Erbe der Indianer der Anden in vielen Teilen sehr ähnlich. Die Indianer Südamerikas verehren die Mutter Erde. Auch heute noch. Sie verehren Pflanzen und Tiere. Der Mais gilt ihnen sogar als Gottheit. Sonne und Regen gelten als willkommene Lebensspender. Das ist ganz im Sinn von Artemis und seiner eigenen Nachkommen.
Später verhilft Artemis dem Vater von Mercedes zum Posten des Ministerpräsidenten, und der wird dieses Amt über viele Jahre ausüben, weil er ein geschickter Taktierer ist. Es ist Artemis einfach wichtig, dass Leon, Nakoma und Mila in der Regierung einen mächtigen Befürworter bekommen. Er lässt einen seiner Nachkommen im Kopf des Ministerpräsidenten einziehen, aber er wird ihm die Macht seines Clans nur soweit zur Verfügung stellen, dass er einer der Freunde des Clans wird, und sogar polizeilichen und militärischen Schutz gewährt. Artemis wird dafür sorgen, dass sich seine Sippe auf diesem Planeten vermehrt und beginnt, die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Prozesse zu steuern und zu überwachen, um diesen Lebensraum zu schützen und zu erhalten.
In der Wirtschaft würde man von einer freundlichen Übernahme sprechen, aber in diesen Kategorien ist Artemis noch nicht wirklich bewandert. Er tut das, weil es einfach richtig ist.
Er hat noch viel zu lernen. Auch Leon und Nakoma haben noch viel zu lernen, und auch die Kinder Chénoa Maria de Sol, Pedro Gonzales und Ana Théla. Artemis akzeptiert das vorbehaltlos. Er hat hier eine Bleibe gefunden, die vorerst sicher scheint, aber er sieht auch, dass auf dieser Erde Prozesse im Gang sind, die er als unbefriedigend und zerstörend versteht. Noch ist er Gast, und noch ist er weit weg davon, alle Vorgänge auf dieser Erde zu begreifen, aber er kann sich Zeit lassen. Selbst wenn er jetzt sterben würde, gibt es bereits Nachkommen, die seine Aufgabe fortsetzen werden.
Seine beiden Nachkommen in den USA springen immer noch von Wirt zu Wirt. Manchmal in Abständen von wenigen Tagen oder Wochen. Manchmal ziehen sie auch für Monate ein. Sie haben sich inzwischen geteilt und die kleine Gruppe der Cantara beginnt sich über das Land zu verteilen und in den Zentren der Macht festzusetzen. Manchmal sind das Wirtschaftskapitäne, manchmal Politiker und manchmal Musiker oder Schauspieler, die einen enormen Einfluss auf die öffentliche Meinung haben.
Artemis hat sich einfach an die Bedingungen angepasst, die er auf der Erde vorgefunden hat, und er beschließt, von Zeit zu Zeit weitere Zellabspaltungen vorzunehmen, um sie in die Gehirne von Menschen zu pflanzen. Unsichtbar, aber hoch effizient. In Europa, in Südamerika, und irgendwann auch in Asien oder Afrika
Leon und Nakoma vermehren sich vorläufig auf natürliche Weise, in der Art, wie Menschen das tun, also durch einen Akt der Zeugung.
Diese behutsame Vermehrung ist aus der Sicht von Artemis ein Grundstock. Er hat es nicht eilig, und er ist kein Aggressor, der danach strebt, sich die Menschheit untertan zu machen. Immerhin hat er inzwischen zu diversen Populationen auf dieser Erde engen Kontakt. Zu Insekten, zu Nagern, zu Einzellern, zu Viren. Es ist ein Leichtes, einen Virenstamm so zu modifizieren, dass er die Menschheit als Gesamtes bedroht, wenn diese Menschheit dem Volk der Cantara gefährlich werden würde. Die Cantara würden bei einem solchen Angriff weiterhin unsichtbar bleiben, und nur die verschiedenen Spezies dieser Erde für ihren Vernichtungsfeldzug nutzen.
Artemis hat aus dem Angriff der Xorx auf seinen Heimatplaneten gelernt. Er hat begriffen, dass eine Unterwanderung die sicherste Methode ist, um seinem Volk langfristig eine neue Heimat zu bieten. Er wird das weiter heimlich und unerkannt tun, und das wird auch so bleiben, und er wird auch seinen Wirten zeigen, wie sie die Gesellschaft unterwandern, um ihre Ziele zu erreichen. Ihre jetzt schon bekannten, und die Ziele, die noch gesteckt werden müssen, sobald die Kompetenz aufgebaut worden ist, um sich neue Ziele zu stecken. Artemis ist sehr pragmatisch. Er muss auf dieser Erde Schritt für Schritt voran gehen. Jedes Erzwingen einer völlig neuen Situation bringt nur Unruhe und Gefahren, die er vielleicht nicht einschätzen kann. Dafür ist seine Position auf diesem Planeten noch viel zu schwach.
Noch eins hat Artemis auf dieser Erde begriffen. Das Zeit-Raum-Kontinuum war auf seinem Heimatplaneten für das Volk der Cantara (rückwärts gewandt) ein Faktor, den man durch das historische Gedächtnis der Spezies leicht überwinden konnte. Hier auf der Erde funktioniert das nicht, da er auf das sehr unvollkommene, sehr selektive und kurzzeitige menschliche Gedächtnis zurückgreifen muss. Vielleicht wird er eines Tages lernen, auch auf diesem Planeten das Zeit-Raum-Kontinuum zu überwinden, etwa indem er das Gedächtnis von Bäumen oder Steinen benutzt. Noch scheint das nicht notwendig zu sein.
Inzwischen hat Artemis auch mit dem Bekanntschaft gemacht, was die Menschen mit Philosophie bezeichnen. Es gibt da unterschiedliche Schulen, die sich gegeneinander abgrenzen. Manchmal in regelrechter Feindschaft. In seinem Land gab es nur eine hochintelligente Spezies, und nur eine Philosophie. Zumindest bis sich der Überfall der Xorx ereignete.
In der zurückliegenden Zeit hatte das Volk der Cantara viele Wechsel miterlebt. Dürren, Kälteperioden, Vulkanausbrüche, Eiszeiten. Die Sonne ist ja kein statischer Klumpen, sondern ein hochexplosives Gemisch aus flüssigem Metall, Kristallen und Gasen, und sie beeinflusst ständig die umliegenden Planeten. Jede Sonneneruption kann das Leben auf den umherkreisenden Planeten beeinflussen, jede Sonnenimplosion kann eine Eiszeit hervorrufen, aber auch gewaltige Stürme, die einen Planeten sogar aus der Umlaufbahn werfen können. Auf diese Weise ist der Planet Cantara einmal aus seiner früheren Umlaufbahn geworfen worden, die damals viel näher an der Sonne lag.
Damals war der Planet Cantara ein glühend heißer und unbewohnter Ball. Erst in seiner neuen Umlaufbahn entwickelte sich dort Leben. Andere Planeten wurden damals sogar in viel weitere Entfernungen von der Sonne gekickt, und sind heute Eisklumpen, auf denen nichts mehr wächst. Das ist jetzt viele hundertmillionen Jahre her, längst bevor das Volk der Cantara entstanden war.
Würde das Leben auf Cantara durch natürliche Einflüsse wieder erlöschen, hätten die Cantara sogar die Möglichkeit, sich an Steine, Sand, Metalle oder Gase anzudocken, und könnten auf diese Weise noch sehr lange überleben.
Es ist also nicht so, dass Veränderungen von den Cantara grundsätzlich als negativ empfunden werden. Veränderungen sind Erscheinungsformen, die überall im Weltall zu finden sind, und die sehr pragmatisch einem bestimmten Lebenszyklus und einem Zeitfenster unterliegen, der zwischen der Geburt und dem Erlöschen eines Sonnensystems angesiedelt ist. Forscht man weiter, so ist zu fragen, ob es nicht letztlich egal ist, dass die Veränderungen auf der Erde durch den Menschen geschehen, oder durch natürliche Einflüsse. Alle beide sind Per se Veränderungen. Im Universum hat diese Zeitspanne, die dem Menschen, oder auch dem Volk der Cantara gegönnt ist, ohnehin keine größere Bedeutung als eine Millionstel Millimeter auf einer Skala von hundert Kilometern, und wenn der Planet Erde durch das Eingreifen des Menschen versteppt, erlischt ja nicht automatisch das Leben. Es sterben nur viele tausend Arten, die einige Millionen Jahre später wieder in einer völlig neuen Form entstehen können. Für das Überleben der Cantara ist das bedeutungslos.
Teil 3
Die Food Company, die Stiftung,
die Philosophie des Clans,
und die Konferenz der fünf Freunde
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