Kinderzonen und Erwachsenenbereich waren in den Restaurants stets deutlich voneinander getrennt. Optisch und akustisch, denn bei solchen Kinderspielen entwickelt sich manchmal deutlicher Lärm.
Natürlich konnte man diese Tuben kaufen. Natürlich enthielten sie Haltbarkeitsmittel. Mac Best musste schließlich gewährleisten, dass die Produkte nicht gefährliche Substanzen entwickeln, wenn sie eine Weile in der prallen Sonne, oder im Auto liegen, wo sich im Wageninnern die Temperatur an heißen Tagen locker auf 70 Grad erhitzen kann.
Heute ist dieses Produkt einer der Topseller im Angebot von Mc Best. Nicht nur in den USA, sondern überall. Es ist schon gut, wenn der Chef aufgeschlossen ist und über Weitblick, Witz und Humor verfügt. Aber natürlich. Leon ist kein Possenreißer. Er ist durchaus ernsthaft und bemüht, aber er steht neuen Ideen gegenüber stets aufgeschlossen gegenüber, und überzeugt oft mit einem Zwinkern in den Augen und mit einem Scherz auf der Zunge.
2.
Heute geht es zwischen Leon und Dr. Daniel Koslowski allerdings um neue Serien und ein neues Projekt der Belieferung von Werkskantinen, Schul- und Universitätsküchen in Nordamerika. Man verspricht sich davon eine Verdopplung des US-Umsatzes.
Bei der Burgerkette in den USA werden bisher überwiegend die traditionellen Hamburger, Hähnchen, Steaks, Hackbällchen, dicke Bohnen, gemischte Salate, Fritten und Süßspeisen verkauft, wie z.B. Donuts, aber auch Quark mit Mixed Picles, Eiscreme, Vanillejoghurt. Alles wird ergänzt von den fabelhaften Soßen und den Shakes von Mac Best, hergestellt in den Werken in Mexiko und Georgia, und dann gibt es noch diverse Kleinigkeiten, wie Laugenbrezeln, Blechkuchen, Torten und diverse Fitnessriegel. Natürlich bekommt man hier auch einen Pott Kaffee, Cola oder Bier. Leon findet, das reicht nicht, um in den USA dauerhaft die Nummer eins zu bleiben.
In Südamerika, Asien und Europa werden schon lange eigenständige Menüs angeboten, die dort großen Anklang finden. Bei dieser neuen Versuchsreihe geht es jetzt erstmals um völlig neue Gerichte für die Nordamerika-Linie. US-Amerikaner und Kanadier haben schließlich einen andern Geschmack als Europäer oder Asiaten. Das Angebot in den Restaurants will man zunächst beibehalten, aber Leon will expandieren und das Geschäft deutlich verbreitern. Wenn das klappt, soll auch die Angebotspalette in den Restaurants ausgeweitet werden, bis hin zu einem Partyservice.
Discounter, Hotels und Großküchen sollen in diesem ersten Expansionsschritt dazu gebracht werden, die neuen Mac Best Gerichte in großem Stil zu ordern. Allerdings ist die Produktlinie im Detail noch nicht ganz ausgefeilt. Der festgelegte Preis für angeforderte Tonnagen steht bereits fest, aber die Geschmacksrichtungen bei den ersten Testläufen waren noch nicht optimal gewesen. Dieser Unsicherheitsfaktor muss weg. Das ist gefährlich fürs Geschäft und das Ansehen in den USA.
Man braucht für dieses neue Projekt keine eigene Ladenkette. keine Bedienung und keinen Restaurantleiter. Es gibt keine Ladenmieten und keine Kosten für Strom, keine Tiefkühltruhen, Möbel oder Versicherungspolicen, und auch keinen Reinigungsdienst. Die bereits vorhandenen Vertreter werden in den USA und Kanada herumreisen, und für den steten Nachschub an Bestellungen sorgen. Es gibt bereits eine eigene Werbeabteilung, ansonsten wird man die fertigen Menüs tiefgefroren in 350 Gramm- bzw. in 5 und 25 Kilo Beuteln anliefern. Die Kleinpackungen für die Verbraucher, die Großpackungen für die Küchen. Die Tiefkühl-LKW werden rund um die Uhr im Einsatz sein. Sie werden nicht einmal einen eigenen Fuhrpark brauchen. Es gibt in den USA genug Speditionen, die sich gegenseitig unterbieten, um an solche Großaufträge heranzukommen. Wenn das alles klappt, dann ist das ein sicheres Geschäft.
Mac Best will diverse Gerichte anbieten. Chili con Carne, indisches Huhn, chinesisches Schweinefleisch mit Sprossen und Gemüse, deutschen Erbseneintopf, russischen Borscht und andere nationale Spezialitäten. In Zukunft würde man das auch über den Online-Handel anbieten können, mit Lieferung direkt nach Hause.
Bei Testessen war bisher einiges durchgefallen, anderes war angenommen worden.
Daniel war drei Monate mit einem Team seiner Mitarbeiter durch die USA gereist, und sie hatten umfangreiche Tests gemacht.
„Also“, fragt Leon, „was ist nun mit den Ergebnissen der Testserie und den Gewürzmischungen?“
Daniel kratzt sich verlegen am Kinn. „Ich hab mir das einfacher vorgestellt. Ich hab’ gedacht, die Amerikaner würden sich über so was wie die deutsche Esskultur freuen. War aber nicht so. Sie stehen immer noch auf ihre traditionellen Gerichte und das heißt: Steak, Steak, Steak oder Hack von morgens bis abends, mit Fritten, dicken Bohnen, Speck, Mais und Schwabbelbrot, und ich rede hier ausschließlich vom Massenmarkt, also vom Durchschnittsamerikaner. Also haben wir das eingebaut. Mexikanisch, Chinesisch und indisch war gar kein Problem. Irish Stew mit Schaffleisch auch nicht. Linsensuppe, Erbsensuppe und Borscht war bei ihnen ziemlich verpönt. Das braucht Zeit. Unsere italienische Pasta musste abgeschmeckt werden, erst dann ist sie super angekommen. Was uns aus den Händen gerissen wurde, das waren Frankfurter Würstchen, Hacksteak mit Mais und Paprika, sowie Steak mit Bohnen. Das eine gilt als deutsch, das andere ist typisch amerikanisch. Die Erfahrung war, dass die Testesser alles mit unseren Soßen zugeschüttet haben. Die kennen sie. Die haben uns in den USA schließlich groß gemacht. Also Chef, wenn sie mich fragen. Das war ein ziemlich ekliges Gematsche. Wir hätten denen genauso aufgeweichte Pappedeckel mit Soße hinstellen können. In den Schulen der Schwarzen und der weißen Unterschicht war das am schlimmsten. Ohne Pommes, Chips, viel Salz, Paprikapulver und Curry geht da gar nichts. Erstaunlicherweise haben sie trotz dem Gematsche einzelne Gerichte mit gut oder schlecht bewertet. Wir haben also vor Ort die Gewürzmischungen direkt angepasst und wir haben jetzt ein repräsentatives Ergebnis. Die neuen Mischungen kommen überzeugend an. Viel einfacher ist das in den Vierteln der Chinesen und der Mexikaner. Die haben ihre traditionellen Gerichte und Gewohnheiten. Ich hab Ihnen schon alles auf den Computer geladen.“
Leon nickt. „Danke. Ist der Einkauf informiert? Können wir mit der Produktion beginnen?“
Auch Daniel nickt. „Jain. Mit dem Schaffleisch haben wir in Nordamerika ein paar Lieferprobleme. Wir haben deshalb auf Veggifleisch umgestellt und das abgeschmeckt. Ist vom Geschmack und der Konsistenz nicht voneinander zu unterscheiden.“ Er grinst. „Da haben wir gedacht, probieren wir das auch mal mit Huhn, Schwein und mit Steak. Kommen sie doch mal mit.“
Er führt ihn ins Nebenzimmer. Seine Assistentin holt gerade zwei Teller aus der Mikrowelle und schiebt zwei neue rein.
„Hier, kosten sie mal. Sagen Sie mir, was das für Fleisch ist.“
Leon wirft einen skeptischen Blick zu Dan. Irgendwas kommt ihm da komisch vor. Er kommt nur nicht gleich drauf. Er schaut die beiden Teller prüfend an. Er nimmt Gabel und Messer, schneidet das Fleisch an, besieht sich die Schnittstellen, er riecht und probiert. Sein feiner Gaumen merkt, dass Fleisch eben nicht gleich Fleisch ist, je nachdem, wo es herkommt, und wie es gegart und abgeschmeckt ist, aber letztlich erschmeckt er keinen gravierenden Unterschied, und er entscheidet sich, „ganz klar. Das ist Schaf.“
„Beides?“ Leon nickt. „Ja, sicher.“
Daniel grinst unmerklich. Die beiden anderen Teller sind gerade fertig. „Bitte probieren Sie das auch mal.“
„Naja, seh' ich doch, das ist gutes amerikanisches Steak. Wahrscheinlich von argentinischen Rindern. Daher beziehen wir doch unser Fleisch.“ Er schneidet die zwei Steaks an, probiert und legte das Besteck wieder hin. „Eindeutig Rind.“
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