Auf Leon warten so viele Aufgaben, dass er beschließt, die Schule ganz abzubrechen. Er kann notwendiges Wissen jederzeit auf dem Abendgymnasium nachholen, wenn er will. Es gibt heftige Diskussionen mit den Eltern, die dem Geist des Bildungsbürgertums verhaftet sind, und es gerne sehen würden, wenn ihr Sohn ordentlich studiert, aber Leon setzt sich durch. Vielleicht hilft ihm auch, dass er bereits jetzt einer der Direktoren der Stiftung ist, dass er der Stiftung enorm viel Geld mitgebracht hat, und dass er große Ziele hat, die er verwirklichen will.
Die Eltern beugen sich schließlich seiner Hartnäckigkeit und seinen guten Argumenten.
2.6.3.Leon ist längst vernetzt mit Nakoma in Peru, und sie beschließen bereits im Winter, rund um die Ausgrabung eine Stadt zu bauen, ein indianisches Kulturzentrum und ein Hotel zu errichten. Sie brauchen dazu nicht einmal zu telefonieren. Die Kräfte von Artemis machen es ihnen möglich, diese Energie in Form einer Gedankenübertragung auszutauschen. Sie waren zunächst verblüfft, wie einfach das ist, aber inzwischen haben sie sich daran gewöhnt, und praktizieren diese Fähigkeit, die sie auch geheimhalten, weil das sonst nur unnötige Fragen aufwirft.
Die an der Ausgrabung beteiligen Archäologen sind fast alles Weiße, aber Mila und Nakoma haben sich dafür ausgesprochen, ausschließlich indianische Arbeiter einzustellen. Die Staaten Peru und Bolivien sind ohnehin einverstanden, denn indianische Arbeiter gelten als billige Arbeitskräfte. Nakoma weiß aus eigener Anschauung um die untergeordnete Stellung der Indios in diesem Land. Er nimmt die Gelegenheit wahr, um seinem Volk der Quechua in Peru langfristig zu einer gesellschaftlichen Stellung zu verhelfen, die von Anerkennung geprägt ist. Die Ausgrabung wird ihm dabei helfen. Er weiß, es wird nicht einfach werden. Jede Gruppe, die in Südamerika einen Anspruch auf demokratische Rechte einfordert, ist der Gefahr der Zerschlagung durch das Militär ausgesetzt.
Der Ruhm, der sich dank der Einbindung der UNESCO entfalten wird, die wird sich auf die Stellung der Indios in diesem Land allerdings positiv auswirken, wenn man die Öffentlichkeit geschickt ausnutzt. Dafür wird er sorgen, und er ist sich in diesem Ziel mit Mila und mit Leon einig. Er hat aber auch erkannt, wie gefährlich die Situation ist, wenn sie solche Schätze ausgraben, und die Gier von Tausenden von Glücksrittern entfachen. Er sorgt dafür, dass die Indios unter seiner Leitung eine kleine Schutztruppe zusammenstellen, um drohende Übergriffe bereits im Vorfeld zu erkennen und Diebstähle zu verhindern. Das dient nicht zuletzt ihrem eigenen Schutz, denn Gerüchte und Unterstellungen sind schnell in die Welt gesetzt, wenn man einen unliebigen Beteiligten loswerden will, der von diesem Kuchen ein Drittel kassiert. Allein der Vorwurf der Unterschlagung kann dafür sorgen, dass die Beteiligten für Monate oder Jahre hinter Gittern verschwinden. Mila übernimmt die Aufgabe, dass jedes gefundene Stück detailliert erfasst und katalogisiert, und dass jeder investierte Dollar auch ordentlich verbucht wird.
Die Ereignisse in Peru haben Leons Weg vorgezeichnet. An ein Studium ist in dieser Situation nicht zu denken. Er hat jetzt ganz konkrete Aufgaben, und er ist sich sicher, dass er die Anforderungen dank seines Gespürs und seiner Intelligenz auch meistern wird. Er weiß ja nicht, dass Artemis ihm dabei helfen wird. Als Leon im nächsten Frühjahr wieder nach Peru reist, bereitet er das Feld für einen Hotelkomplex, der in den nächsten Jahren entstehen soll, und eine Verbindungsstraße nach Cusco, um die Arbeiten sehr viel schneller und effektiver durchzuführen als bisher. In der Ausgrabung selbst arbeiten inzwischen hunderte von Menschen, die ein Zuhause brauchen. Leon weiß, dass hier eine neue Stadt entstehen wird. Vorerst brauchen die Arbeiter und die Archäologen aber feste Hütten, weil das Leben in Zelten auf Dauer unbequem ist. So entsteht eine Art Goldgräberstadt.
Nakoma ist zwar kein ausgebildeter Archäologe, aber er findet schnell Zugang zu den Techniken und er berät sich regelmäßig mit Mila, die sich schon bald auf das ungewöhnliche Gespür von Nakoma verlassen kann, wie bei einem hochtalentierten Scout, einem Hellseher, oder einem Wünschelrutengänger. Sie selbst erhält von den Wächtern des Lebens eine organisatorische Fähigkeit, die ihr hilft, alle anstehenden Aufgaben zu bewältigen und aufkommende Konflikte im Keim zu ersticken. Das schürt zwar manchen Neid, aber Mila wird auf ihre Weise unantastbar, allein durch ihren genialen Führungsstil und das sichere Gespür, wo man graben muss, um etwas wertvolles zu finden. So findet sie auch in den beteiligten Ministerien immer ein offenes Ohr, denn dank Mila beginnen sich die Kassen der Finanzminister von Peru und Bolivien zu füllen, nun ja, auch die Kassen der Stiftung in Berlin, wenn auch zunächst nur auf dem Papier, solange wie nicht erste Verkäufe Bares in die Kassen spülen.
Nakoma hat keine Ambitionen auf Ruhm, und er überlässt Mila freiwillig den Verdienst, als geniale Wissenschaftlerin zu gelten. Er selbst bezieht inzwischen als beratender und operativer Direktor der Stiftung ein Gehalt, das weit über dem liegt, was die Indios der Anden sonst verdienen. Dabei hat er nicht einmal eine schulische Ausbildung, aber er initiiert jetzt für die Indios der Ausgrabung eine Freiwilligenschule, in der Rechnen, Schreiben und Lesen gelehrt, und in der die überlieferten Geschichten der Indianer gesammelt und weitergegeben werden. Auch die Musik der Anden und die indianischen Traditionen sind Teil dieser Gemeinschaft. Zusammen mit den Funden aus der Ausgrabung ist diese Freiwilligenschule der Grundstein für die Entwicklung eines indianischen Zentrums im Nordosten von Peru. Nakoma selbst ist auch einer der Lernenden.
Am Ende dieses Sommers sichert sich Leon weitere Grundstücke rund um die Ausgrabung, sowie ein langgestrecktes Tal aus dem Besitz des Staates Peru, das mehrere Tagesreisen entfernt liegt. Er lässt die Grundstücke und seine nähere Umgebung auf den Namen der Stiftung eintragen und die Stiftung ist auf diese Weise plötzlich zum Eigentümer mehrerer Goldadern geworden, von denen sonst noch niemand etwas weiß.
Diesmal bringt er über 200 Kilo Gold in die Hauptstadt Lima, eröffnet dort auf den Namen der Stiftung ein Konto und überweist einen Teil des Sechsmillionen Euro starken Erlöses direkt nach Berlin.
Leon hat inzwischen eine Ménage à Trois. Kathy in Berlin, Mila in Peru. Aus den Beziehungen entstehen später mehrere Kinder, und damit hat sich der Plan von Artemis zunächst erfüllt, den menschlichen Körper zu benutzen, um das Volk der Cantara wieder wachsen zu lassen und um die menschliche Gattung noch besser für seine Zwecke zu nutzen, ohne dass er sich ständig teilen muss. Auch wenn die Fähigkeiten des Einzelnen Nachkommen gering sind, gemessen an den Fähigkeiten von Artemis, so gibt es hier doch ein ausbaufähiges kollektives Wissen.
Mila eröffnet Leon bereits im nächsten Sommer, dass sie von ihm schwanger geworden ist.
Leon ist noch sehr jung, aber er erkennt diese einzigartige Chance. Er beantragt kurzerhand die peruanische Staatsbürgerschaft und läßt seinen Namen von einem Amtsgericht in Lima in den Künstlernamen Leon del Sol abändern. Dann adoptiert er Nakoma mit dessen Einverständnis als seinen Sohn. Nakoma wird ab sofort Nakoma de Sol heißen. Ein Tribut an die heilige Stadt, die sie gefunden haben.
Es ist mehr als das. Leon ist jetzt ein Staasbürger Perus, und als solcher genießt er einen größeren Schutz als vorher. Es war im Prinzip ein genialer Schachzug, um seine Ziele noch besser durchsetzen zu können.
Mila schenkt an Weihnachten einem gesunden Mädchen das Leben, und sie nennt sie nach dem alten indianischen Namen Chénoa und dem spanischen Zusatz Maria, und auch sie beantragt jetzt den Künstlernamen del Sol, so dass ihre Tochter zukünftig Chénoa Maria del Sol heißen wird. Leon hatte beim Amtsgericht hinterlassen, dass er einverstanden sei, dass auch Mila und seine leiblichen Nachkommen diesen Künstlernamen tragen dürfen, der sonst nur einmal beantragt werden darf. Eine Heirat kommt für Leon jedoch nicht in Betracht. Er fühlt sich auch viel zu jung, um solche Entscheidungen zu treffen.
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