Während Kathy, Roy und Spek ihrem Berlin und ihrer Gruppe aus Kindern und Jugendlichen regional verbunden sind, macht Beatrice schnell Karriere. Bea gibt Konzerte in Berlin, Dresden, München und Wiesbaden. Sie gewinnt Nachwuchswettbewerbe und wird von den Berliner Philharmonikern gefördert. Für Bea ist das ein Sprungbrett für eine internationale Karriere. Das erste Konzert hat sie zusammen mit den Berliner Philharmonikern in der Karnegie Hall in London. Später folgen Paris, Mailand, Barcelona, New York, Mexiko City und Tokio. Sie fliegt nach Peking, und Sydney. Sie hat Bewunderer ihrer Kunst in Moskau, Kapstadt und San Franzisko.
Leons Eltern genehmigen, dass Leon seine Freundin Bea in den Ferien zu ihren Auslandsreisen begleitet. Bea zahlt. Leon, der seinen Freunden mittlerweile als genialer Scout zählt, reist mit Bea zu vielen ihrer Auftritte.
Ein Schlüsselerlebnis für Bea und Leon ist, als sie in den Sommerferien zusammen nach China und in die Mongolei fahren. Sie sind gerademal sechzehn. Für Leon öffnet sich eine Art kulturelles Zeitfenster, und er wieder Zuhause ist, beginnt er im Internet zu recherchieren.
Zwei Jahre später hat Bea ihr Abitur in der Tasche. Bea hat eine Reihe von Auftritten in Süd- und Mittelamerika, und Leon begleitet sie in den Sommerferien auf ihrer Konzertreise. In Chile, Bolivien und Peru spüren die Beiden in einer Musikpause das auf, was Leon als die "Seele der Musik" bezeichnet. Manchmal sagt er auch "das Geheimnis der Musik" dazu. Es ist eine Mischung aus nativen traditionellen südamerikanischen Klängen, der europäischen höfischen Musik der Gotik, der Renaissance, des Barock und der Romantik, und ihrer einmaligen Technik und dem Klang ihrer Geige.
Leon und Bea entdecken diese Klänge im Bergland von Bolivien und Peru. Bea spielt vor Flamingos, Andenkamelen, Käfern, Gräsern oder Schneefeldern. Sie lernt, die Oberfläche von Seen in Kräuselbewegungen zu versetzen, oder Gräser in Wellenbewegungen, wie sie sonst nur der Wind erzeugt. Bea lernt sogar, mit ihrer Musik Lawinen auszulösen oder wilde Tiere zu zähmen.
Sie spielt vor Hochzeitern und auf Karnevalsfeiern. Sie entdeckt einen Panflötenspieler, den sie sofort verpflichtet, um mit ihm zusammen die Musik der Anden einzufangen. Sie nimmt ihn einfach mit zu ihren nächsten Konzerten in Santiago de Chile, Buenos Aires und Montevideo, und überredet ihre Konzertagentur, dort Zusatzkonzert-Termine zu buchen für diese neue Synthese zwischen den nativen indianischen Volksweisen und Beas europäischem Musikverständnis. Bea und Armando rufen in Süd- und Mittelamerika wahre Begeisterungsstürme hervor. Die Welle schwappt schon sehr bald auf die USA, Europa und Asien über.
Bea besitzt inzwischen mehrere Meistergeigen. Eine davon bezeichnet sie als ihre "Zaubergeige", weil sie in ihren Händen Klänge erzeugen kann, die weit über das sonstige Repertoire einer Geige hinausgehen. Bea kann damit Stimmungen erzeugen, die Menschen in einen Taumel versetzen. Glücksgefühle, tiefe Trauer, Andacht oder explosive Wut. Bea ist mit dieser Geige wie eine Zauberin, welche die Gefühle der Menschen lenkt und sie tausendfach verstärkt. Es ist ihre bevorzugte Geige für diese neue Art der Musik.
Leon begleitet Bea allerdings nicht über die ganze Tour. Nach den Auftritten in Buenos Aires und Rio verlässt er Bea und kehrt nach Peru zurück. Eine innere Stimme sagt ihm, dass er sich der Geschichte von Peru widmen müsse, die als Wiege der Hochkulturen der südamerikanischen Indianer gilt.
Er besucht diverse Museen. Er besucht Maccu Piccu, die Felsenburg der Inkas in 2.350 Metern Höhe, und die alte Inkahochburg Cusco, die unter den Inka-Herrschern zuletzt eine Ausdehnung von 50 Hektar hatte.
Artemis begreift, dass hier eine der Wiegen der Menschheit steht, und dass in Peru noch viel mehr zu finden sein muss, verborgen unter Bergen von Erde und dichtem Urwald.
Und jetzt spürt Leon mit der Hilfe von Artemis Dinge auf, die sein ganzes Leben und seine Zukunft prägen werden. Leon entdeckt die Überbleibsel einer antiken Königsstadt von der Kultur der Peruche, von der bisher noch nie jemand gehört hat, und er entdeckt mehrere Goldminen.
Er weiß nicht, dass Artemis ihm diese Funde erst ermöglicht hat, Artemis, der glaubt, die Zeit sei reif, diesem Jungen und seinen Freunden jetzt einen Grundstock an Vermögen zur Verfügung zu stellen, um ihren Anspruch auf Durchsetzung der Maxime der Cantara zum Erfolg zu verhelfen.
Die Ausbeute aus der Ersten seiner Goldminen bringt Leon in das Vermögen seiner Freunde in Berlin ein, und mit diesem Geld gründet er zusammen mit seinen Freunden fernmündlich eine "interkulturelle Stiftung für Kultur und Kommunikation". Diese Stiftung wird in Peru schon bald eine besondere Rolle spielen.
Leon lernt aber auch, ganz in der Natur aufzugehen. Er lernt Tiere kennen, mit denen er sich nie zuvor beschäftigt hat, wie Milben, Tausendfüssler oder Fadenwürmer. Er lernt Heilkräuter kennen, und zwischen den verschiedenen Kartoffelsorten der Anden zu unterscheiden. Seltsamerweise wird Leon nie krank, obwohl es hier tausenderlei Gefahren gibt. Er sammelt Beeren und Blüten. Artemis zeigt ihm, welche Blätter, Rinden oder Früchte er essen muss, um Abwehrstoffe zu entwickeln und sein Immunsystem zu stärken. Er lernt die indianische Sprache, und er perfektioniert das Spanisch, das er von seinem Vater gelernt hat.
Artemis tut in Südamerika noch viel mehr, aber davon weiß Leon nichts. Er löst sich manchmal von Leon los, um später wieder in ihn hineinzuschlüpfen. Er nimmt Kontakt zu all den Arten auf, die er hier vorfindet. Adler, Kormorane, Fische, Gürteltiere, Insekten. Er lernt ihre Eigenschaften kennen, ihre Art, sich zu vermehren, ihre Schutzmechanismen, aber auch ihre Fressgewohnheiten, ihre Gifte, ihren Geruchssinn, ihre Art der Verständigung durch Farben, Gerüche, Elektroimpulse, Schallwellen. Viele dieser Arten sind dem Menschen weit überlegen, findet Artemis, weil sie einzigartige Fähigkeiten besitzen, oder weil sie besonders anpassungsfähig sind. Andere Arten können nur unter bestimmten Bedingungen leben, die ihnen von Licht, Nahrung, oder der Zusammensetzung von Wasser, Erde und Luft geboten werden. Sie sind hochspezialisiert und gehen ein, wenn sich der Lebensraum nur geringfügig verändert. Innerhalb des Lebensraums hat jede Spezies ihre wichtige Stellung im Ordnungsgefüge. Es ist ein Kreislauf. Eine gegenseitige Abhängigkeit. Das Aussehen, die Größe und die Form der einzelnen Gattungen unterscheiden sich von dem Leben auf dem Planeten Cantara, aber im Grunde ist der Kreislauf der Natur nicht anders als das, was Artemis in seinem historischen Gedächtnis gespeichert hat.
Es ist hier anders, als in den Städten, und an den Tankstellen, die er in den USA kennengelernt hat, oder auch in Berlin, in den U-Bahnschächten und den Wohnsiedlungen, voll von Dingen, die vom Menschen gemacht sind, und voll von Menschen, die dicht gedrängt auf engem Raum zusammenleben. Hier gibt es fast keine Menschen. Der Mensch ist nur ein verschwindend kleiner Baustein im Naturkreislauf. Es ist eine andere Welt. Anders auch als die Naturparks, die Artemis in den Rocky Mountains kennengelernt hat, und die weitgehend durch den Menschen geprägt sind. Das wird Artemis auf dieser Reise bewusst. Es gibt hier einen erhaltenswerten Zustand. Ein Gleichgewicht der Arten. Artemis fühlt sich sehr an seinen Heimatplaneten erinnert, bevor dieser Vernichtungsschlag der Xorx-Krieger alles zerstört hat.
Seine ersten Funde aus der historischen Königsstadt bringt Leon zu den archäologischen Museen in Lima und in La Paz. La Paz deshalb, weil sich die Indios in Bolivien einmal in einem Befreiungskrieg gegen die weißen Herrscher erhoben haben, und in Bolivien am ehesten für eine Unterstützung des indianischen Erbes zu denken ist. Lima deswegen, weil alle Grabungen in Peru von den zuständigen Archäologischen Stellen genehmigt werden müssen. Er entfacht dort einen wahren Begeisterungssturm. Noch nie hat jemand Artefakte aus dieser Zeit gesehen, und vor allem nicht in diesem Erhaltungszustand. Knochen, Zähne, Ziegel mit unbekannten Schriftsymbolen und ein massives Goldgefäß mit Sonnensymbolen, das Zeugnis für eine hochentwickelte Kultur ist.
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