Das Berufsprofil Schulpsychologie (BDP Sektion Schulpsychologie, 2014a) betont neben diesen Qualifikationen das Wissen über das Schul- und Bildungssystem des jeweiligen Bundeslandes sowie die regionalen psychosozialen Infrastrukturen und die Kenntnisse der Unterrichtsdidaktik, Klassenführung und Schulentwicklung.
Für die Tätigkeit als Schulpsychologin oder Schulpsychologe sind eine Approbation als Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut sowie eine Genehmigung zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten nicht erforderlich. Die Sektion Schulpsychologie im BDP begründet dies wie folgt:
»(…) im Mittelpunkt steht somit die Feststellung und Förderung gesundheits- und entwicklungsfördernder Aspekte sowie die Lösung sozialer Konflikte bei den am Schulleben beteiligten Personen und der Institution Schule. Schulpsychologische Beratung kann auch die Früherkennung von Fehlentwicklungen und Störungen sowie die Vermittlung in entsprechende Behandlungen beinhalten, hat dies aber grundsätzlich nicht zum Ziel. Insbesondere ist es auch nicht das Ziel schulpsychologischer Beratung, psychische Erkrankungen zu behandeln und somit heilkundlich tätig zu sein.« (Drewes, 2008)
4.7 Berufsethische Grundsätze und Selbstverständnis
Schulpsychologinnen und Schulpsychologen fördern Ratsuchende bei der Entwicklung ihrer Kompetenzen und eigenen Ressourcen (BDP Sektion Schulpsychologie, 2014a). Sie verstehen sich als allparteilich und beachten die Perspektive aller Beteiligten. Im Berufsalltag kann dies zu Rollenkonflikten führen, wenn im Rahmen einer individuellen Beratung die Interessen des Kindes mit denen der Lehrkraft und Klasse oder umgekehrt in Übereinstimmung gebracht werden müssen.
Schulpsychologisches Handeln ist die Anwendung wissenschaftlicher Psychologie in der Schule. Schulpsychologinnen und Schulpsychologen richten ihr professionelles Handeln am Stand der Wissenschaft aus und verpflichten sich damit zu regelmäßiger Fort- und Weiterbildung. Die Schulpsychologie erhebt den Anspruch, die Schul- und Bildungspolitik kritisch zu begleiten und durch psychologische Expertise weiterzuentwickeln.
4.8 Ausstattung und Rahmenbedingungen
Die Sicherstellung der Arbeitsgrundlagen und Prinzipien schulpsychologischer Tätigkeiten setzt bestimmte Rahmenbedingungen und Ausstattungen voraus. Für Dienste und Beratungseinrichtungen außerhalb der Schulen hat der Arbeitskreis der Leiterinnen und Leiter Schulpsychologischer Dienste beim Städtetag Nordrhein-Westfalen 2012 Empfehlungen veröffentlicht (AK Kommunale Schulpsychologie, 2012). Neben einem Büro- und Beratungsraum für vertrauliche Gespräche sind Gruppenräume für Fortbildungen, Supervisions- oder Schülergruppen je nach Ausrichtung und Angeboten der Einrichtung erforderlich. Daneben sind eine Testothek auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand, ein Sekretariat zur Erreichbarkeit und zur Aufnahme der Ratsuchenden sowie technische Voraussetzungen für Online-Beratungen erforderlich.
Die leichte und niedrigschwellige Erreichbarkeit insbesondere in Krisenfällen ist eine weitere Voraussetzung für die Akzeptanz und den Erfolg schulpsychologischer Beratung.
Die Tätigkeit in einer Schule erfordert ebenfalls entsprechende Rahmenbedingungen: die Bereitstellung eines Beratungsraumes und die Unterstützung durch das Schulsekretariat. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass Schulpsychologinnen und Schulpsychologen in Schulen auf eine Mindestausstattung drängen sollten. Das Fehlen dieser Ausstattung zeigt oft auch die fehlende Bereitschaft und Offenheit der Schule zur Zusammenarbeit mit der Schulpsychologie und ist in der Auftragsklärung zu thematisieren.
Häufige Konfliktfelder sind die vertrauliche Aktenführung und Dokumentation sowie die Vertraulichkeit und Schweigepflicht (
Kap. I-7), wenn beispielsweise die Schulleitung als vorgesetzte Stelle einen direkten Bericht oder eine Aufnahme der gewonnenen Informationen in die Schülerakte erwartet. Bei der Tätigkeit in einer Schule ist es von besonderer Bedeutung, sicherzustellen, dass schulpsychologische Akten und Unterlagen verschlossen aufbewahrt werden können.
4.9 Schulpsychologie in Schulgesetzen und Erlassen
Im Rahmen des föderalen Bildungssystems sind für die Schulpsychologie die Schul- und Kultusministerien der Bundesländer zuständig. Die Rahmenbedingungen und gesetzlichen Grundlagen für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen in den Bundesländern sind höchst unterschiedlich. Aufgaben und Arbeitsweisen sind zumeist in Erlassen geregelt, in einigen Bundesländern ist die Schulpsychologie in den Schulgesetzen erwähnt. Zumeist ist diesen Erlassen oder Schulgesetzen jedoch deutlich anzumerken, dass aus den gesetzlichen Regelungen keine Ableitungen über die Ausstattung und Anzahl der Stellen möglich sein sollen, um Folgekosten zu vermeiden. In manchen Bundesländern wird die Schulpsychologie im Schulgesetz nicht erwähnt.
Beispielhaft werden im Folgenden einige gesetzliche Rahmenbedingungen dargestellt. Dies macht deutlich, wie unterschiedlich diese in den verschiedenen Bundesländern jeweils ausgestaltet sind.
In Baden-Württemberg ist die Schulpsychologie im Schulgesetz (SchG) vom 01.08.1983, § 19 Bildungsberatung, erwähnt. Weitere Ausführungen sind in den Richtlinien für die Bildungsberatung vom 01.01.2001 zu finden. Schulpsychologinnen und Schulpsychologen verfügen über einen Diplom- oder Masterabschluss in Psychologie. Ihre Aufgaben sind die Unterstützung der Schülerinnen und Schüler, die Unterstützung der Lehrkräfte bei pädagogisch-psychologischen Fragestellungen, die Entwicklung von geeigneten Beratungs- und Untersuchungsmethoden, die Krisennachsorge sowie die Beratung zu Fragen des zweiten Bildungsweges. Auf Weisung des Ministeriums ist auch die Beteiligung an Schulversuchen möglich. Im März 2019 wurde eine neue Organisationsstruktur implementiert. Die Schulpsychologischen Beratungsstellen wurden in sechs Regionalstellen integriert. Die Steuerung und Aufsicht liegt jetzt bei der Zentrale des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL). Ebenfalls zentral erfolgt die evidenzbasierte Konzeption neuer Beratungs- und Unterstützungsangebote.
In Bayern sind die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen zumeist sowohl als Lehrkraft als auch als Schulpsychologe an der gleichen Schule tätig. Daneben existieren auch einige wenige externe Schulpsychologische Beratungsstellen in den Bezirken, in denen Schulpsychologinnen und Schulpsychologen schulformbezogen tätig sind. Das bayerische System ist geregelt im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG), Art. 78 Abs. 3 (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, 2007). Das System der Schulpsychologen bildet gemeinsam mit einem System von Beratungslehrkräften ein Beratungsnetzwerk. Einige Schulpsychologinnen und Schulpsychologen verfügen über einen Diplom- oder Masterabschluss in Psychologie, der größere Teil über ein Staatsexamen in Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt und einem Unterrichtsfach.
In Berlin dienen die »Schulpsychologischen und inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) der Unterstützung und Beratung von Schülerinnen und Schülern, Eltern und dem gesamten Schulpersonal in allen Fragen rund um die Umsetzung des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags unter besonderer Berücksichtigung der inklusiven Schulentwicklung.« (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, 2019). Die gesetzlichen Grundlagen sind in § 107 des Schulgesetzes Berlin vom 26.01.2004 definiert. Danach ist die Schulpsychologie eine »der Schulaufsichtsbehörde eingegliederte fachpsychologische Einrichtung für die Unterstützung der Schulen bei der Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages«. In jedem der zwölf Bezirke ist ein Beratungszentrum (SIBUZ) eingerichtet. Ein SIBUZ umfasst zwei Abteilungen, die Abteilung Schulpsychologie und die Abteilung Inklusionspädagogik, in der Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen arbeiten.
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