• Umsetzung von Maßnahmen der Schulentwicklung und Qualitätssicherung
Schulentwicklung wird in der Schulpsychologie unter organisationspsychologischen Aspekten als Veränderung von Einstellungen und Haltungen, Einführung einer Führungs- und Kommunikationskultur sowie Maßnahmen zur Teamentwicklung verstanden. Weitere Ziele sind die Förderung eines entwicklungsfördernden Schulklimas sowie der Aufbau der Arbeitszufriedenheit aller an einer Schule tätigen Personen.
4.3.3 Mitarbeit in Gremien und Projektgruppen, Forschung und Evaluation
Durch die Kenntnisse des Schulsystems, des Veränderungsmanagements und der Evaluation von Präventions- und Interventionsmaßnahmen sind Schulpsychologinnen und Schulpsychologen unverzichtbar bei der Entwicklung und Umsetzung von neuen Projekten, Interventionsprogrammen und schulorganisatorischen Maßnahmen. Dadurch ist die Schulpsychologie in Gremien auf allen Ebenen des Schul- und Bildungssystems vertreten, wie beispielsweise bei der Implementation und Evaluation von Maßnahmen zur Lehrergesundheit oder zur Schulentwicklung. So hat sich z. B. in Niedersachsen aus der Schulpsychologie heraus ein eigener Zweig der Arbeitspsychologie für Schulen zur Implementierung von Maßnahmen zur Gesunderhaltung von Lehrkräften entwickelt.
Neben solchen Programmen hat sich die Umsetzung der Inklusion in Schulen in den letzten Jahren zu einem bedeutsamen Thema auch für die Schulpsychologie entwickelt. Die Schulpsychologie ist dazu auf allen Ebenen bei der Einzelfallberatung, der Unterstützung der Lehrkräfte, der Schulentwicklung sowie an Qualitätszirkeln oder Steuerungsgruppen beteiligt (BDP Sektion Schulpsychologie, 2014b;
Kap. III-1).
Die Durchführung von Forschungsprojekten und die Evaluation von Präventions- und Interventionsmaßnahmen stellt eine Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis dar und ermöglicht die Sicherung der wissenschaftlichen Basis der schulpsychologischen Tätigkeit. Die wissenschaftliche Ausrichtung der Schulpsychologie begründet neben anderen Qualifikationen die besondere Kompetenz der Schulpsychologie gegenüber anderen Berufsgruppen in den Schulen.
4.4 Arbeitsprinzipien und Rollenverständnis
Die grundlegenden Arbeitsprinzipien der Schulpsychologie in Deutschland beinhalten die Freiwilligkeit, den freien Zugang, die Kostenfreiheit, die Schweigepflicht sowie die Unabhängigkeit und Neutralität. Der Begriff der Neutralität wird dabei zunehmend durch den Begriff einer Allparteilichkeit ersetzt, um deutlich zu machen, dass die Schulpsychologie im Beratungsprozess eine aktive Rolle übernimmt und sich nicht auf eine Neutralität zurückzieht (vgl. BDP Sektion Schulpsychologie, 2014a).
Die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme schulpsychologischer Angebote beinhaltet auch, dass die Schulpsychologie zumeist nicht in die Hierarchie der Schul- und Bildungsverwaltung eingebunden ist. Der freie Zugang bedeutet, dass die Zielgruppen Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte oder pädagogische Fachkräfte in Schulen einen direkten Zugang zur schulpsychologischen Beratung nutzen können und keine Zustimmung schulischer Gremien oder Personen benötigen. Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sind in der Regel auch nicht an Berichten oder Gutachten über Lehrkräfte beteiligt. Die Einbindung in gutachterliche Aufgaben oder Stellungnahmen im Rahmen von schulorganisatorischen Maßnahmen wird von vielen schulpsychologischen Einrichtungen abgelehnt, da dadurch Ratsuchende davon abgehalten werden könnten, vertrauensvoll eine schulpsychologische Beratung in Anspruch zu nehmen.
In einigen Bundesländern sind schulpsychologische Gutachten zur Veranlassung von inner- oder außerschulischen Fördermaßnahmen wie Lerntherapien nach SGB VIII möglich.
4.5 Organisationsformen schulpsychologischer Einrichtungen
Schulpsychologische Beratungsstellen in Deutschland sind in den Bundesländern unterschiedlich organisiert. Folgende Organisationsformen sind in Deutschland zu finden:
• Beratungsstellen oder Beratungszentren außerhalb einer Schule in eigenen Räumen in Trägerschaft einer Kommune, eines Kreises oder Bezirkes eines Bundeslandes mit Zuständigkeit für die jeweiligen Schulen und zwei bis 20 Schulpsychologinnen oder Schulpsychologen in Teil- oder Vollzeittätigkeit, teilweise mit speziellen Aufgaben
• Beratungseinrichtungen außerhalb einer Schule in gemeinsamer Organisation mit Erziehungs- oder Familienberatung bzw. anderen Beratungsdiensten
• Multidisziplinäre Beratungszentren, häufig mit dem Schwerpunkt Inklusion, teilweise auch mit schulersetzenden Förderangeboten, gemeinsam mit Fachkräften der Sonderpädagogik, Sozialarbeit oder Sozialpädagogik, Lerntherapie, Lehrkräften der allgemeinen Schulen, u. a.
• Einzelpersonen in einer Schule mit mindestens einer Schulpsychologin oder einem Schulpsychologen in Teilzeit oder Vollzeit an der Schule
• Beratungs- und Fortbildungsreferate in einem Schulamt oder einer Bezirksregierung
• Lehrkräfte an Schulen, mit einer Stundenermäßigung für ihre Tätigkeit als Beratungslehrkraft oder Fachkraft der Schulpsychologie
• Einzelpersonen mit Koordinations- und Leitungsaufgaben in einer Bezirksregierung oder dem Schul- bzw. Kultusministerium
Aus den jeweiligen Organisationsformen ergeben sich Folgerungen für die Aufgaben, das Selbstverständnis und die Wahrnehmung des Angebotes in Schulen und der Öffentlichkeit. Je größer die Nähe der Einrichtung zur Schule, desto mehr können die Schulpsychologin oder der Schulpsychologe direkt in der Schule intervenieren, sind aber bereits selbst ein Teil des Systems Schule und werden als solches wahrgenommen. Je weiter entfernt das Angebot von der Schule in einer externen Beratungseinrichtung organisiert ist, desto unabhängiger und vertraulicher können Angebote für alle Zielgruppen umgesetzt werden. Möglicherweise ist die Akzeptanz in der Schule dafür geringer. Sinnvoll erscheint es, Kombinationen von Angeboten in der Schule mit solchen außerhalb der Schule zu organisieren.
4.6 Qualifikationen von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen
Die Voraussetzung für die Tätigkeit als Schulpsychologin oder Schulpsychologe ist in allen Bundesländern außer in Bayern ein Diplom- oder Masterabschluss in Psychologie. In Bayern ist ein Studiengang Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt an den Universitäten Bamberg, Eichstätt und München (LMU) eingerichtet und wird mit dem Staatsexamen in Schulpsychologie sowie einem Unterrichtsfach abgeschlossen. Das Staatsexamen mit dem Schwerpunkt Schulpsychologie in Bayern entspricht nicht einem Diplom- oder Masterabschluss in Psychologie und ermöglicht somit nur die Tätigkeit im bayerischen Schuldienst als Lehrkraft. Bayern geht damit als einziges Bundesland einen eigenen Weg in der Schulpsychologie.
An den Universitäten Tübingen und Frankfurt wurden Kompetenzzentren Schulpsychologie aufgebaut, die eine Verzahnung von psychologischer Forschung und schulpsychologischer Praxis ermöglichen. Die Universität Tübingen bietet einen Masterstudiengang Schulpsychologie an. Weitere Berufsabschlüsse im pädagogischen oder psychotherapeutischen Bereich sind hilfreich, jedoch seit einigen Jahren nicht mehr Bedingung für die Einstellung. Auch die zusätzliche Ausbildung als Lehrkraft ist in keinem Bundesland mehr Bedingung für die Einstellung, abgesehen von dem bayerischen Modell. Fachkräfte der Schulpsychologie verfügen generell über Erfahrungen und Kompetenzen in den Bereichen Pädagogische Psychologie, Entwicklungspsychologie, Klinische Psychologie, Psychopathologie, Psychotherapie, Supervision und Coaching sowie Systemberatung und Organisationspsychologie.
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