Tab. 3.3: Beispiele für Gefährdungen der Konstruktvalidität (nach Shadish et al., 2002, S. 73)
GefährdungenErläuterung
Üblicherweise werden Forschungsbefunde durch inferenzstatistische Methoden abgesichert. Die vierte Validitätsart bezeichnet somit die statistische Validität, also die Frage: Erlauben die eingesetzten inferenzstatistischen Verfahren die vorgenommenen Schlussfolgerungen? Problematisch dabei ist, dass die statistische Signifikanz eines inferenzstatistischen Tests stark von der Stichprobengröße abhängt. Einerseits kann es aufgrund einer zu kleinen Stichprobengröße dazu kommen, dass vorhandene Effekte keine statistische Signifikanz erreichen und damit dann unentdeckt bleiben. In diesem Zusammenhang ist eine vorhergehende Berechnung der Teststärke (power) der eingesetzten statistischen Verfahren unabdingbar (Cohen, 1992). Andererseits werden bei ausreichend großen Stichproben auch sehr kleine Effekte signifikant. Aus diesem Grund sollte neben der statistischen stets auch die praktische Signifikanz eines inferenzstatistisch abgesicherten Effektes beurteilt werden (Merrel, Ervin & Gimpel-Peacock, 2012). Was ist damit gemeint? Die praktische Signifikanz ist definiert als die praktische Bedeutsamkeit des Effekts einer Intervention. Es kann beispielsweise sein, dass ein neues ADHS-Interventionsprogramm zwar einen statistisch signifikanten Effekt auf die ADHS-Symptomatik hat, die betroffenen Kinder jedoch nach wie vor deutliche Symptome der Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität zeigen, die ihre schulische Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen. Bei der Beurteilung der praktischen Signifikanz können Effektstärken hilfreich sein, die das Ausmaß des Effekts zu quantifizieren suchen.
Evidenzbasierung ist zu einem Schlagwort in nahezu jeder bildungspolitischen Debatte avanciert. Dies betrifft auch den Entscheidungs- und Wirkraum schulpsychologischen Forschens und Handelns. Das Wissen über grundlegende Konzepte empirischer Forschung und die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen ist Voraussetzung für einen gelingenden Wissenschafts-Praxis-Transfer. Ein Psychologie-Vollstudium führt zur hinreichenden Expertise in Forschungsmethoden. Dazu gehört auch die Einschätzung praktischer Implikationen wissenschaftlicher Befunde. Schulpsychologisches Handeln sollte dem Modell datenorientierter Problemlösung folgen, das die Ableitung von Forschungshypothesen aus der Theorie ebenso umfasst, wie den Entwurf entsprechender Studiendesigns, deren Umsetzung, Auswertung und schließlich deren Interpretation und das Ableiten von Konsequenzen.
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4 Aufgaben und Organisationsformen der Schulpsychologie in Deutschland
Stefan Drewes und Klaus Seifried
4.1 Einleitung
4.2 Begriffsbestimmung Schulpsychologie
4.3 Aufgaben und Arbeitsweisen
4.4 Arbeitsprinzipien und Rollenverständnis
4.5 Organisationsformen schulpsychologischer Einrichtungen
4.6 Qualifikationen von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen
4.7 Berufsethische Grundsätze und Selbstverständnis
4.8 Ausstattung und Rahmenbedingungen
4.9 Schulpsychologie in Schulgesetzen und Erlassen
4.10 Versorgung mit Schulpsychologie in den Bundesländern
4.11 Fazit
Literatur
Die Schulpsychologie in Deutschland zeigt in ihren Aufgaben, Arbeitsweisen und Organisationsformen ein sehr heterogenes Bild. Die Einrichtung Schulpsychologischer Dienste oder Beratungsstellen erfolgt in der Regel durch die Bundesländer oder Kommunen. Seltener werden Schulpsychologinnen und Schulpsychologen durch den jeweiligen Schulträger für den Einsatz direkt an einer Schule angestellt. Schulpsychologie ist somit in Deutschland größtenteils eine Aufgabe in öffentlicher Trägerschaft, jedoch nicht immer gesetzlich geregelt. Häufiger sind Regelungen durch Erlasse oder Aufgabenbeschreibungen, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Nur in 13 Bundesländern findet die Schulpsychologie Erwähnung in den Schulgesetzen.
Dies ist umso erstaunlicher, da in Deutschland mehr als 2 000 Schulpsychologinnen und Schulpsychologen auf mehr als1 700 Stellen im kommunalen oder Landesdienst tätig sind (BDP Sektion Schulpsychologie, 2020).
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