„Das war himmlisch!“, rief sie übermütig.
Ihr Anblick raubte ihm den Verstand. Er stieg vom Pferd, zog sie aus dem Sattel und drückte sie an sich, unendlich erleichtert, dass ihr nichts passiert war. Allein die Vorstellung, er hätte Sannah am Boden liegend gefunden, jagte ihm Schauer des Entsetzens über den Rücken. Josh sah sie an und strich ihr sanft das zerzauste Haar aus dem Gesicht. „Ich hatte Angst um dich“, sagte er einfach, obwohl das längst nicht alles war, was in seinem Inneren an Gefühlen tobte.
Sannah war immer noch atemlos, und der Umstand, dass er sie im Arm hielt und sie mit seinen schwarzen Augen förmlich auffraß, trug auch nicht gerade dazu bei, dass sie sich beruhigte. Sie schluckte trocken.
„Wir sollten zurückreiten, die Kinder sind allein“, appellierte sie an sein Verantwortungsgefühl.
Josh löste nur zögernd seine Umarmung. „Du hast recht“, meinte er und steuerte auf Sannahs Pferd zu.
„Nichts da! Das ist meiner!“, protestierte sie energisch und schob ihn mit sanfter Gewalt von ihrem Pferd weg.
„Du willst da wieder drauf?“, fragte er freudig überrascht.
„Na klar!“, erwiderte sie, immer noch ganz euphorisch von dem wilden Ritt. „Wie hast du so schön gesagt? Der hat sein Pulver für heute verschossen. Außerdem war das besser als Sex!“ ‚Ups, an diesem Freudschen Versprecher hätte Sigmund seine wahre Freude gehabt‘, dachte sie und biss sich auf die Lippe.
Josh war für den Bruchteil einer Sekunde das Lächeln aus dem Gesicht gekippt und hatte dem Erstaunen Platz gemacht, bevor er anfing schallend zu lachen. Seine ganze Anspannung löste sich und schüttelte ihn derart durch, dass er kaum noch dazu fähig war, in den Sattel zu steigen.
Sannah saß mittlerweile wieder auf ihrem Pferd und strafte ihn mit einem missbilligenden Blick. „Nun krieg dich mal wieder ein. So lustig war das jetzt auch nicht.“ Mit einem Kopfschütteln setzte sie ihr Pferd in Bewegung.
Josh japste nach Luft und rang vergeblich um Fassung. „Doch!“ Er lachte und hangelte sich am Sattel hoch. „Erst recht nach deiner Moralpredigt über knappe Bikinis! Wenn ich auch nur geahnt hätte, was in deinem Kopf vorgeht, hätte ich dich eben geküsst und dir die Klamotten vom Leib gerissen!“
Sannah lief rot an, was ihn nur zu einer neuerlichen Lachsalve anfeuerte. Sie ritten den Hügel empor und waren fast schon oben angekommen, als sich sein Lachen in ein hämisches Grinsen verwandelte und das Raubtier mit einem riesigen Satz aus ihm herausbrach. „Aber das kann ich ja nachholen“, drohte er amüsiert. Sannah kreischte und floh im Galopp vor ihm davon.
Die Kinder hatten inzwischen auf der Hügelkuppe Position bezogen, um einen besseren Überblick zu haben, als sie sahen, wie Sannah kreischend auf die andere Kuppe galoppierte. Einen Moment später jagte Josh mit einem wilden Kriegsschrei hinter ihr her.
Sie raste den Hügel hinab, direkt auf die Kinder zu, und rief: „Ómakiya pe! Tóka! Ómakiya pe!“ – Helft mir! Ein Feind! Helft mir! Dabei deutete sie auf Josh.
Die Kinder johlten vor Vergnügen und galoppierten auf Josh zu, um ihn von Sannah abzudrängen. Sannahs Wallach war schneller, weil er weniger Gewicht zu tragen hatte, und so erreichte sie die wilde Horde der Kinder, die nun anfingen Josh zu verfolgen. Der hatte, angesichts der Übermacht, die Sannah mobilisiert hatte, abgedreht und schlug nun mit seinem Pferd Haken, die nur ein gut ausgebildetes Cutting-Pferd fertigbrachte, um Rinder einzufangen.
Die Kinder hefteten sich entschlossen an seine Fersen und begannen eine wilde Hetzjagd auf Josh. Sannah ließ sich ein wenig zurückfallen, um den Kids nicht in die Quere zu kommen. Außerdem konnte sie sich vor Lachen kaum noch im Sattel halten. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte. Die Kinder saßen ihm immer noch im Genick und trieben ihn, mit wildem Geschrei, über den Hügel. Sie beeilte sich hinterherzukommen. An der Furt hatten sie Josh umzingelt und zum Stehen gebracht. Sie stürzten sich begeistert auf ihn und zerrten ihn lachend vom Pferd. Er spielte amüsiert mit und ergab sich.
Sannah stieg aus dem Sattel und warf dem am Boden liegenden Josh einen verschmitzten Blick zu. Er konnte sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen und spielte weiter den Gefangenen. Die Mädchen hatten mittlerweile einen Strick aus den langen Grashalmen geflochten und fesselten Josh kichernd die Handgelenke. „Was machen wir jetzt mit ihm?“, fragte Tyler barsch. Seine Augen leuchteten vor Vergnügen.
„Wir machen hier Rast, bis sich die Pferde erholt haben, dann brechen wir auf und nehmen ihn mit in unser Lager. Dort werden wir am Feuer beraten, was mit dem feindlichen Krieger geschehen soll“, verkündete Sannah bierernst.
„Hécetu!“, stimmte Tyler zu.
„Kühlt euch ab und tränkt die Pferde“, sagte sie zu den Kindern. „Ich bewache ihn!“
Josh hatte sich hochgerappelt, und Sannah schob ihn vor sich her in den Schatten eines Baumes, während die Kinder vergnügt im Wasser planschten. Sie holte ihre Kamera und machte ein paar Fotos, unter anderem auch von Josh, der sich Mitleid heischend, mit gefesselten Händen hingesetzt und an den Stamm gelehnt hatte. Die Kinder schöpften Wasser in ihre Hände, kamen nun auf Josh zu und spritzten ihn damit voll.
„Hécunpi schni yo! – Tut das nicht, brüllte er grimmig und schlug die kichernden Kinder in die Flucht.
Sannah drückte lachend weiter auf den Auslöser und befestigte die Kamera dann wieder am Sattel. Ihr Wallach stand mittlerweile am Bach und löschte seinen Durst, und so kühlte sie sich auch ein bisschen ab und kehrte dann zu dem Gefangenen zurück. Sie setzte sich neben Josh unter den Baum, grinste frech und amüsierte sich köstlich bei diesem Spiel.
„Das wirst du mir heute Abend büßen!“, raunte er ihr schmunzelnd zu.
„Drohe mir lieber nicht, Machpíya-Ska!“, sagte sie und nannte seinen Namen, White Cloud, auf Lakota. „Du weißt nicht, wozu ich noch fähig bin“, drohte sie unheilvoll.
„Na, so langsam geht mir ein Licht auf, dass man kleine Mädchen nicht unterschätzen sollte. Jedenfalls ist dein Sprachführer bemerkenswert. Ich wusste gar nicht, dass „Helft mir, ein Feind!“ zu den Höflichkeitsfloskeln gehört.“
„Man muss für alles gewappnet sein, schließlich kann man ja nie wissen, ob das mal nützlich ist. Ich kann sogar nach dem Klo fragen“, versicherte sie stolz.
„Nur blöd, dass hier keins ist“, frotzelte er zurück.
Die Pferde zupften genüsslich das frische Grün am Bachufer, die Kinder hatten sich abgekühlt und lagen im Gras.
Josh sah auf seine Uhr. „Wir sollten allmählich zurück, sonst wird es für das Feuer ein bisschen spät.“
Sannah rief die Kinder zusammen und blies zum Aufbruch. Ein paar Minuten später setzte sich der Trupp in Bewegung. Tyler ritt voraus, Sannah und Josh bildeten das Schlusslicht. Er fummelte an seinen Fesseln aus Gras herum.
„Willst du dich befreien und flüchten?“, unterstellte Sannah.
Josh sah sie vorwurfsvoll an. „Hältst du mich für einen Feigling? Das hat sich vorhin schon in Wohlgefallen aufgelöst. Ich halte es nur fest, damit die Kids nachher nicht enttäuscht sind!“
Sie lächelte versonnen. „Der Ausritt erinnert mich an meine Kindheit. Ich habe mit den Kindern aus der Nachbarschaft immer Cowboy und Indianer gespielt, aber es hat mir noch nie so viel Spaß gemacht wie heute.“
„Liegt vielleicht daran, dass du heute mit echten Indianern gespielt hast und nicht ein Cowboy dabei war“, höhnte Josh lachend.
„Vielleicht“ sagte sie. „Echte Pferde hatten wir damals auch noch nicht.“
„Wer hat gewonnen?“, wollte Josh wissen.
„Die Indianer natürlich! Die Cowboys wurden am Marterpfahl festgebunden, und wir tanzten laut schreiend drumherum und haben unseren Sieg gefeiert. Hinterher hat mein Vater dann ein Feuer gemacht und es gab Stockbrot und Würstchen.“
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