„Klapperschlangen-Ragout“, antwortete sie schnippisch.
Er sah sie entgeistert an, das konnte sie unmöglich wissen. Oder hatte er sich mal verplappert? Er schluckte und machte sich auf gewaltige Brandblasen gefasst.
Das weitere Abendessen verlief wortlos. Danach kochte Sannah sich einen Tee und ging damit nach draußen. Josh blieb noch in der Küche sitzen und versuchte, den nötigen Mut zusammenzukratzen. Er stand auf und ging ihr hinterher. Sie hatte sich nicht wie üblich auf die Bank gesetzt, sondern vorn auf die oberste Stufe der Verandatreppe, und sah hinüber zu den Pferden. Er fasste sich ein Herz und setzte sich direkt hinter sie, so dass sie sich zwischen seinen Knien wiederfand. Sannah schwieg weiter, machte aber auch keine Anstalten aufzustehen. Josh sah das als Zeichen, dass sie bereit war ihm zuzuhören. Er legte seine Arme um sie und zog sie an sich heran.
„Lakota entschuldigen sich nicht. Unbedachte Worte oder Taten lassen sich dadurch nicht ungeschehen machen. Ich hätte heute Morgen besser schweigen sollen.“
Sannah erwiderte nichts, sondern dachte über seine Worte nach. Er hatte völlig recht. Es war sogar viel sinnvoller als die verlogenen Umgangsformen der heutigen Gesellschaft. Alle logen, betrogen und verletzten sich gegenseitig und glaubten, mit einem geheuchelten Sorry oder einer Beichte wäre das Sündenkonto dann wieder auf Null. Doch dem war nicht so. Die anderen blieben mit Wunden zurück, und manche davon heilten nie. Stattdessen sollte man vorher darüber nachdenken, was man sagt. Für Sannah war das besser als jede Entschuldigung. Sie stellte ihre Tasse beiseite, drehte sich ein wenig zu ihm um und legte ihre Hände auf seine.
„Jonas ist ein Kollege von mir, der so nett ist, auf mein Haus aufzupassen. Er mäht den Rasen, gießt die Blumen und macht den Briefkasten leer. Dafür hat er hin und wieder eine Mail verdient, finde ich. Das nächste Mal schweigst du nicht, sondern fragst mich einfach.“
Josh zog sie noch dichter an sich und küsste sie auf den Hals.
„Danke.“
„Wofür?“, fragte sie.
„Für deine Großzügigkeit. Ich hatte mich im Geiste schon auf Brandblasen und blaue Flecke eingestellt“, gestand er.
Sannah lachte. „Du kannst von Glück reden, dass die Baseball-Schläger in Pine Ridge ausverkauft waren“, frotzelte sie.
„Mach das bitte nicht noch mal. Ich hab mir Sorgen gemacht.“
Sie nickte und gab den kläglichen Rest ihres Widerstandes auf. Josh fing an, sie ganz sacht hin und her zu wiegen. Sannah schloss die Augen und schlief fast ein vor Wonne. Sie saßen eine ganze Weile so auf der Veranda und genossen die Nähe des anderen.
Irgendwann murmelte Josh in ihr Ohr: „Ich hätte noch eine Frage.“
„Hm“, brummelte Sannah schläfrig.
„Schläfst du eigentlich immer nackt?“, flüsterte er anzüglich. Sannah war schlagartig wieder hellwach. Offenbar hatte sie das Laken am Morgen nicht schnell genug hochgezogen.
„Das wüsstest du wohl gern“, antwortete sie verschmitzt.
Josh strich sanft eine Strähne aus ihrem Gesicht. „Ja, das wüsste ich gern“, sagte er leise.
Sie schälte sich langsam aus seiner Umarmung. „Ich werde es dir aber nicht verraten. Gute Nacht und träume was Schönes, was auch immer.“ Sie lächelte zweideutig, gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, stand auf und ging ins Haus. Auf dem Weg in ihr Zimmer startete ihr limbisches System eine wütende Demonstration und protestierte lautstark gegen ihren Rückzug.
„Klappe!“, flüsterte Sannah energisch. Sie wollte sich nicht zu noch größeren Dummheiten hinreißen lassen. Die Versuchung war zugegebenermaßen groß, allerdings waren die daraus resultierenden Konsequenzen noch größer. Sie war schon viel zu weit gegangen. Limbisia zuckte zusammen, ließ ihr Protestschild sinken und schmollte, während die Rottenmeier mit einem selbstgefälligen Lächeln am Schreibtisch saß und Papiere abheftete.
Josh aber blieb noch einen Moment draußen, beobachtete die Pferde und versuchte vergeblich, sein Kopfkino abzustellen.
Sannah kletterte mit geradezu ekelhaft guter Laune aus dem Bett. Der kindische Streit war aus der Welt geschafft, sie freute sich auf den Ausritt mit den Kindern, und vom Brotteig war mehr als genug da, um noch frische Brötchen zu backen und endlich mal wieder „richtig“ zu frühstücken.
Obwohl es noch früh am Morgen war, war es schon recht warm, und so entschied sie sich für ein Frühstück auf der Veranda. Es war schließlich Wochenende, auch wenn das am Arbeitspensum auf der Ranch nichts änderte. Sie zog ihre Stiefel an, um als Erstes die Pferde zu tränken und auf die Weide zu lassen, danach machte sie sich an die Brötchen.
Bei Josh war auch Wochenende. Mit offenen Haaren und barfuß kam er die Treppe runter, verschlafen wie immer.
„Gott sei Dank, der Morgenmuffel ist wieder da“, bemerkte Sannah grinsend. „Als gut gelaunte Hausfrau warst du mir unheimlich.“
Er gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Danke für die Blumen!“, knurrte er scherzhaft. „Was riecht hier so gut?“
„Brötchen“, sagte sie auf Deutsch.
„Was für‘n Ding?“
„Wirst du schon sehen, Frühstück gibt‘s draußen“, meinte sie, schnappte sich die Kaffeekanne und schob ihn vor die Tür.
Josh sah auf den gedeckten Tisch und dann hinüber zur Weide. „Betrachte dich hiermit offiziell als geraubt“, verkündete er breit grinsend und setzte sich an den Tisch.
„Hört, hört, White Cloud hat gesprochen!“, rief sie im Originalton der Fünfziger-Jahre-Western.
„Ho, hécetu welo!“ – Nun, so sei es, sagte er und griff nach einem Brötchen. „Aber das mit dem Jeansflicken, das üben wir noch mal!“ Er lachte.
„Das mit dem Smartphone-Einrichten auch“, frotzelte sie zurück.
„Hast du denn gestern ein Pferd verkauft?“, erkundigte sie sich. Josh nickte zufrieden.„Sogar zwei. Prinzessin konnte sich nicht entscheiden, und da hat Daddy tiefer in die Tasche gegriffen.“
Sannah prustete los. „Dich hätte sie am liebsten gleich mit eingepackt“, stellte sie lachend fest. „Frei nach dem Motto: Safe your horse, ride a cowboy.“
Er verzog angewidert das Gesicht. „Danke, verzichte! Vor dieser Kriegsbemalung hatte ich Angst!“
Sie kringelte sich vor Lachen. „Wo war denn da der furchtlose Lakota?“
„Der hatte gestern frei“, erklärte er beleidigt. „Deswegen musste ich ja auch die Schmach ertragen, mich von einer halben Portion wie dir retten zu lassen. Aber dein fieser Blick hat gesessen. Danach packte sie ihr Silikon ein und gab Ruhe.“
„Gern geschehen, aber die halbe Portion merke ich mir!“ Sie hob drohend ihren Zeigefinger.
„Dann solltest du vielleicht mal anfangen zu essen“, mahnte Josh und schwang dabei das Buttermesser.
Sie schmierte sich ein Brötchen und schlug ein Ei auf. Schmunzelnd fing sie an zu essen.
„Das letzte Mal gab es am Tag meiner Abreise Brötchen zum Frühstück. Vor lauter Aufregung hab ich kaum was runtergekriegt“, erzählte Sannah.
Josh lächelte und fragte: „Warum warst du aufgeregt?“
„Ich wusste ja nicht, was mich hier erwarten würde. Ich hatte mir irgendwie alles ganz anders vorgestellt. Ein älteres Ehepaar mit mindestens sieben Kindern, jede Menge Trubel und ich mittendrin.“
Josh fing an zu lachen.„Da wärst du bei meinem Freund Randall an der richtigen Adresse gewesen. Er leitet das Horsemanship-Projekt in Pine Ridge. Jede Menge Kinder und Enkel, aber er hätte Schwierigkeiten gehabt, dich unterzubringen, deswegen bist du jetzt bei mir. An den sieben Kindern muss ich aber noch arbeiten“, räumte er ein. „Bist du jetzt enttäuscht, dass du stattdessen bei einem einsamen knurrigen Wolf gelandet bist?“
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