Joachim Ringelnatz
Die Flasche und mit ihr auf Reisen
Saga
Die Flasche und mit ihr auf Reisen
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1932, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788728015810
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
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Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
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Magda Frohn, Magdalena Stahn, Hans Bensch-Rutzer
Hans W. König, Otto Rouvel, Erich Kronen
Reinold Hendrich
(Eine Seemannsballade)
Boris Georgewitsch, ein russischer Fürst
Grischa, ein russischer Musikant
Hans Peppe, ein Matrose
Witwe Mewes, die Wirtin der Kneipe »Zur Kiautschoubucht«
Petra, ein dänisches Mädchen, ihre Stieftochter
Ein Heizer
Ein Kellner
Sitty Smile, ein farbiger Seemann
Ein Kapitän, ein Steuermann, zwei Hafen mädchen, und anderes, internationalesSeevolk.
Der erste und der dritte Akt spielen in Hamburg in der Seemannskneipe »Zur Kiautschoubucht«. Der zweite Akt spielt in Konstantinopel in einem Salon eines Hotels.
Zeit 1927 bis 1929
Zur Aufführung: Die Rolle der Petraist mit einer auch deutsch sprechenden Dänin, die Rolle des Grischamöglichst mit einem auch deutsch sprechenden Russen zu besetzen.
März 1927
In der Kneipe »Zur Kiautschoubucht«. Im Lokal sitzt ein Heizer. – Hinten die Theke. Ein Grammophon spielt eine Platte aus der Zeit, also z. B. »Mein Liebling heißt Mädi« oder »Hallo, du süße Klingelfee«. – Ein Sofa, ein Schiff in einer Flasche, an der Wand eine Gitarre und ein Krokodil, Flaggen, ein Schiffsbild, Panamahut, Speere usw. eventuell ein Klavier
Mewes (stellt Grammophon ab und geht hinter die spanische Wand am Ausgang links, wo sie zu einem nicht sichtbaren Gast spricht) : Trinkst du noch einen? He! Du! – Schläft wie ein Sack. – He, du! – Mußt du nicht an Bord? – Er wacht nicht auf. – Na, meinetwegen schlaf dich aus! Aber trocken! Das rate ich dir. Ich will meine Getränke aus dem Hause haben. (Kehrt zur Theke zurück.) (Kapitän, Steuermann, erstes und zweites Hafenmädchen kommen teils singend, teils pfeifend herein an die Theke.)
Alle vier: Wir Fahrensleute
Lieben die See.
Die Seemannsbräute (usw.)
Kapitän: Schnell, Mutter Mewes! Zwei Bier und zwei Köm! (Zu den Mädchen.) Was trinkt ihr?
Erstes Hafenmädchen: Dasselbe.
Zweites Hafenmädchen: Zwei Köm und Bier.
Mewes (einschenkend) : Also viermal »Alt-Hamburg«.
Heizer (zu ihnen gehend) : Kaptain, geben Sie einen aus für mich?
Kapitän: Meinetwegen. (Zu Mewes.) Also noch mal dasselbe. Aber rasch. Wir müssen an Bord. Wir laufen aus.
Heizer: Wenn ich Kaptain wäre, würde ich mir immer Zeit lassen.
Steuermann: So siehst du Bursche aus. (Zu den andern.) Na denn Prost.
Kapitän: Prost! (Trinkt und singt dann.)
Steuermann (fällt ein) :
Wir Fahrensleute
Lieben die See.
Die Seemannsbräute
Gelten für heute,
Sind nur für to-day.
Die Mädchen, die weinen
Sind schwach auf den Beinen.
Was schert uns ihr Weh!
Das Weh, ach das legt sich.
Unsre Heimat bewegt sich
Und trägt uns in See,
Far away.
Kapitän: Wenn ich das höre, schmilzt mir das Herz.
Erstes Hafenmädchen: Ich hab' das mal im Theater gesehen.
Steuermann: Das ist doch kein Theaterstück. Das ist doch ein Lied.
Zweites Hafenmädchen: Es ist eine Operette. Das singen die Seeleute beim Abschied. –
Erstes Hafenmädchen: Ja. Und dann singen die Mädchen ihnen nach (singt) .
Zweites Hafenmädchen (fällt ein) :
Wir, die Bräute
Der Fahrensleute,
Lieben und küssen
Doch wissen, sie müssen
Zur Seefahrt zurück.
Und wenn sie ertrinken,
Dann – wissen wir – winken
Uns andre zum Glück.
Kapitän: Trinkt aus! So, Mutter Mewes, da ist Geld! (Gibt den Hafenmädchen Geld.) Da habt ihr auch was! – Adjüs! (Singend ab.)
Steuermann: Adjüs! (Singend ab.)
Erstes Hafenmädchen (halblaut zum zweiten Mädchen) : Was hat er dir gegeben?
Heizer: Viel! Wollt ihr einen für mich ausgeben?
Zweites Hafenmädchen: Dir ist wohl die Kohle zu Kopf gestiegen! (Zur andern.) Komm, Kläre! (Beide singend ab: »Wir, die Bräute« . . .)
Heizer (auf seinen Platz zurückkehrend) : Hurenpack!
Grischa (eintretend) : Guten Abend, Mutter Mewes. So leer? So düster?!
Mewes: Guten Abend, Herr Musikus. Ja, es wird heute nicht viel werden. »Cap Finisterre« ist ausgelaufen, auch das englische Wochenboot. Und Kapitän und Steuermann von der »Florida« sind gerade zur Tür hinaus.
Grischa: Schade! Gestern war es so lustig.
Mewes: Wie sich das so gibt; heute werden Sie nicht wieder einsammeln können.
Grischa: Elf Mark hab ich gestern zusammengebettelt.
Mewes: Hm – Ja. Und hundertzwölf Mark und noch was darüber verzecht.
Heizer (räuspert sich höhnisch. Halblaut.) Ein fetter Junge.
Grischa: Nicht allein. Mit meinem Freund zusammen. – – Kommt das dänische Fräulein heute nicht?
Mewes: Die Petra? Hat sie dir gefallen?
Grischa: Mir auch. Aber mein Freund ist ganz verrückt auf sie.
Mewes: Der feine Matrose, der bei dir saß? Ist er scharf auf sie? – – Hütet euch vor der. Die ist klug. Und ich vertrete Mutterstelle an ihr.
Heizer: Du? Mutterstelle an der? Wieso?
Mewes: Sie hat kein Blut von mir, aber ich bin schon lange ihre Mutter. Mein ertrunkener Mann hat sie von seiner ersten Frau übernommen. Er war auch nicht ihr leiblicher Vater.
Petra (eintretend) : Guten Abend. (Nimmt Platz.)
Grischa: Guten Abend, Fräulein Petra.
Mewes: Guten Abend, Petra. Ist dein gestriger Rausch verpufft?
Petra: Ja. Es war lustig gestern. Ich muß Hundehaare auflegen. Gib mir eine Flasche Whisky.
Heizer (setzt sich zu Petra) .
Petra (erhebt sich und nimmt anderswo Platz) .
Mewes: Eine ganze Flasche? Nein, Petra. Ein Glas. Du wolltest dir doch Schuhe kaufen. (Holt Flasche und Glas.)
Petra: Ja ja, ich weiß.
Grischa (nimmt Gitarre) .
Petra: Das ist recht. spielen Sie uns wieder eins. Gestern kamen wir dabei so schön in Fahrt.
Grischa: Gestern ja, herrlich! Wunderschön!
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