»Oh, wie lecker es bei euch duftet«, riefen die Nachbarn von der einen Seite herüber.
»Oh, wie wunderbar es bei euch im Schneegestöber glänzt«, riefen die Nachbarn von der anderen Seite herüber.
»Oh, wie gemütlich es bei euch aussieht«, staunten die an unserem Garten vorbeikommenden Spaziergänger.
Und alle luden wir ein, mit uns eine Tasse der wunderbaren Feuerzangenbowle zu trinken und sich am Glanz des Lagerfeuers zu freuen. Für die Kinder brachte meine Frau süßen Kinderpunsch und für die kleinen und großen Schleckermäuler Lebkuchen und Spekulatius. Zwanzig, vielleicht sogar dreißig Leute, alte und junge, standen fröhlich in unserem Garten, redeten und lachten und genossen diesen märchenhaften Vorweihnachtstag.
Als ich in die Runde blickte und diese unbeschwerte gemeinsame Freude sah, wurde es mir auf einmal völlig klar: Genau das hatte mein Opa gemeint. Genau deshalb war der Topf für ihn ein so wertvoller Besitz gewesen: Gemeinsames Reden. Gemeinsames Lachen. Gemeinsame Weihnachtsfreude. Ganz leise flüsterte ich in die Nacht:
»Magisch, Opa! Dein Feuerzangenbowle-Topf ist wirklich magisch.«
Der Wunsch
Bleib, oh Funkeln, bleib, oh Schein
Bleib hier für mich
Für immer mein
Ich fühl dich, ich spür dich
Ich atme dich ein
Ach, bitte erhör' mich
Es zwingt dich mein Herz
Du bist es, du heilst
Überdeckst mir den Schmerz
Doch du rast, du eilst
Es leidet das Herz
Bis du einst verweilst
2.
Wer sich zur Weihnachtszeit nur hetzen lässt, ist SELBST schuld.
Zu früh gekauft – zu früh gefreut?
Was für ein wunderbarer Anblick, den Sepp mit seligem Lachen durch die heimische Tür kommen zu sehen. Er strahlt bis über beide Ohren, und das, obwohl er anscheinend nur beim Einkaufen war. Doch er hat an diesem heutigen 24. September einen wahren Schatz für sich entdeckt und präsentiert ihn nun zu Hause im Wohnzimmer glücklich seiner Frau.
Sepp: Ich habe mir heute eine Packung Spekulatius und eine Packung Elisen-Lebkuchen gekauft, Spatzl.
Seine Frau: Was?!? Heute?!? Es ist doch erst der 24. September!
Sepp: Das ist meinem Bauch wurscht, welcher Tag heute ist.
Seine Frau: Aber so was macht man doch nicht.
Sepp: Was macht man nicht?
Seine Frau: Ja, im September schon Weihnachtssachen kaufen.
Sepp: Wann kauft man die denn dann?
Seine Frau: Wenn’s Zeit dafür ist, kauft man die!
Sepp: Aber woher weiß ich denn, wann wirklich Zeit dafür ist, wenn mein Bauch mir jetzt schon sagt, dass es Zeit dafür ist?
Seine Frau: Ach geh! Es ist doch unmöglich, dass die Supermärkte Lebkuchen und Spekulatius jetzt schon haben.
Sepp: Ich find’s nicht unmöglich. Mir schmeckt’s ja schließlich.
Seine Frau: Mir schmeckt das auch. Aber halt im September noch nicht.
Sepp: Ach so, du hast also einen Magen, der seinen Geschmack monatlich umstellt.
Seine Frau: Depp! Aber die brauchen das doch im September noch nicht im Supermarkt verkaufen.
Sepp: Wo sollen sie’s denn dann verkaufen?
Seine Frau: Ja, irgendwo, wo ich’s nicht seh!
Sepp: Ach so! Aber es ist doch auch doof, im September in der Allianz Arena Spekulatius zu verkaufen.
Seine Frau: Du verstehst mich einfach nicht!
Sepp: Oh doch, ich versteh dich schon! Nur deinen Bauch, den versteh ich nicht!
Seine Frau: Sepp, ich erklär’s dir jetzt noch mal: Spekulatius kauft man noch nicht im September, sondern erst, wenn’s Weihnachten wird.
Sepp: Aber genau genommen geht es doch ab dem 27. Dezember schon wieder in Richtung nächstes Weihnachten.
Seine Frau: Ich meine, man kauft so was im Dezember und nicht vorher.
Sepp: Wenn ich mir im Dezember Spekulatius und Lebkuchen im Supermarkt kaufe, dann hast du aber schon Plätzchen gebacken.
Seine Frau: Na und? Ist doch egal!
Sepp: Nix egal! Wenn ich im Dezember mit Spekulatius und Lebkuchen heimkomme, muss ich mir anhören: »Mei Sepp, das macht mich jetzt aber schon traurig. Schmecken dir meine selbst gemachten Plätzchen etwa nicht?!? Kaufst du dir lieber so ein maschinell gefertigtes Supermarktgebäck?!? Und ich hab mich tagelang zum Backen in die Küche gestellt?!?« Schluchz! Heul! Schnief!
Seine Frau: Das ist ja wohl völlig an den Haaren herbeigezogen. Als ob ich bei meinem Backtalent die Konkurrenz von irgendwelchen Billiglebkuchen vom Discounter fürchten würde. Phhh! Dann iss doch Spekulatius und Lebkuchen aus dem Supermarkt, wenn’s dir besser schmecken!
Sepp: Mir schmecken’s doch gar nicht besser. Deswegen esse ich die jetzt und deine Plätzchen im Dezember.
Seine Frau: Man kauft trotzdem im September noch keine Spekulatius! Das macht man einfach nicht.
Sepp: Aber im Dezember ist doch das meistens schon alles ausverkauft! Da krieg ich nur noch die Reste, die keiner mag, solche Herzlebkuchen mit Zartbitterschokoladen-Überzug und ekliger Aprikosenfüllung.
Seine Frau: Also die sind ja wohl absolut lecker!
Sepp: Na, dann ist mir’s klar.
Seine Frau: Was ist dir klar?
Sepp: Mir ist klar, dass du, wenn du solche Herzlebkuchen mit Zartbitterschokoladen-Überzug und ekliger Aprikosenfüllung magst, weder einen Zeitdruck beim Einkauf noch ein großes Drängen deines Bauchs verspürst.
Seine Frau: Das Einzige, was ich verspür, ist eine Abneigung gegen Weihnachtsgebäck-Einkäufe am 24. September.
Sepp: Und gegen Weihnachtseinkäufe nicht?!? Du hast dich doch letzte Woche gefreut, dass du schon ein Geschenk für deine Eltern und den Maxl hast.
Seine Frau: Das ist was anderes.
Sepp: Klar, bei dir ist es natürlich was anderes.
Seine Frau: Ganz recht! Denn der frühzeitige Kauf erspart mir den Stress im Dezember, wo alle zum Einkaufen rennen. Und für den Maxl habe ich die Playmobil-Burg zehn Prozent billiger bekommen, die musste ich also kaufen.
Sepp: Und ich musste die Spekulatius kaufen, damit ich keinen Stress mit meinen Entzugserscheinungen bekomme.
Seine Frau: Schmarrn! Spekulatius und Lebkuchen sind Weihnachtsgebäck, die heißen Weihnachtsgebäck, weil man sie zu Weihnachten kauft.
Sepp: Stimmt! Und Weihnachtsgeschenke heißen Weihnachtsgeschenke, weil man sie vor der Weihnachtszeit kauft, damit man nicht in den Weihnachtsstress gerät.
Seine Frau: Na Gott sei Dank! Jetzt hat er’s also doch noch verstanden!
Mit gedrückter Stimmung verlässt Sepp nach diesem Gespräch das Wohnzimmer in Richtung Küche. Dort schenkt er sich eine Tasse Milch ein, setzt sich auf seine Eckbank und nimmt verstohlen die Spekulatius-Packung zur Hand. Zufrieden holt er den ersten Spekulatius des Jahres in Nikolausform heraus, lächelt ihn an und beißt genüsslich hinein. Sepp ist glücklich. Jetzt kann Weihnachten endlich kommen.
3.
Lass dich von den Sternen leiten!
(Das hat auch schon den Heiligen Drei Königen Glück gebracht.)
Ein etwas anderes Festmahl
Max verstand die Welt nicht mehr. Normalerweise hatte um diese Zeit das ganze Haus schon nach Sauerkraut, Bratwürsten und Bratkartoffeln geduftet. Schließlich war es bereits spätnachmittags am Heiligen Abend und die Vorbereitungen für das wunderbarste Fest des Jahres begannen. Doch als Max in diesem Jahr aus seinem Zimmer trat, roch er: gedünstetes Gemüse!!! Ernsthaft?!? Gedünstetes Gemüse?!? Am Heiligen Abend?!?
»Mmmh, duftet das nicht lecker«, rief sein Papa, als er Max mit weiß-rot gestreifter Kochschürze und grinsend wie ein Honigkuchenpferd in der Küche begrüßte. Der Hund Sammy sprang sofort hoch und lief auf Max zu.
»Papa, was machst du da und was wird das?«, wollte der Junge wissen.
Sein Papa hatte offenbar die angstgeweiteten Augen seines Sohnes gesehen, deswegen setzte er sein väterlich-beruhigendes Gesicht auf:
»Das, Max, wird die kulinarische Revolution des Heiligen Abends! Gedünstete Gemüsepfanne aus Brokkoli, Karotten, Paprika, Kaiserschoten, Sojasprossen und Porree auf Tomaten-Bulgur-Salat, dazu ein köstliches Quinoa-Risotto mit Süßkartoffeln und Burgern aus fair und liebevoll gezüchteten Chiasamen, Goji-Beeren und Spirulina. Mmmh, einfach nur lecker.«
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