287
Wenn die Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1 vorliegen, hat der Vertragserbe gegen den Beschenkten einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Es handelt sich um eine Rechtsfolgenverweisung auf §§ 818 ff.[61] Der Anspruch geht somit grundsätzlich auf Herausgabe in natura (§ 818 Abs. 1); soweit dies nicht möglich ist, auf Wertersatz (§ 818 Abs. 2). Maßgeblich ist insoweit der Wert zur Zeit der Zuwendung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds.[62] Der Beschenkte kann sich gem. § 818 Abs. 3 auf den Wegfall der Bereicherung berufen, sofern er nicht gem. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 verschärft haftet. Kenntnis i.S.d. § 819 liegt nach h.M. bereits dann vor, wenn der Beschenkte Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen nach der Lebenserfahrung auf eine Beeinträchtigungsabsicht zu schließen ist.[63]
288
Wenn der Beschenkte den Gegenstand unentgeltlich einem Dritten zugewendet hat, so kann der Vertragserbe gem. § 822von diesem die Herausgabe verlangen[64]; wenngleich die Vorschrift vielfach als eigenständiger Anspruch eingeordnet wird[65], so hat der BGH doch überzeugend dargelegt, dass sie unter Wertungsgesichtspunkten im Rahmen des § 2287 zumindest entsprechend heranzuziehen ist, weil der unentgeltliche Erwerb des Dritten weniger schutzwürdig ist als das Interesse des Vertragserben, die Erbschaft ungeschmälert von beeinträchtigenden Schenkungen zu erhalten[66].
289
Der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 stellt einen persönlichen Anspruch des Vertragserbendar und fällt nicht in den Nachlass.[67] Er verjährt in drei Jahren (§ 195) ab dem Erbfall (§ 2287 Abs. 2). Sind mehrere Erben vertraglich berufen, so ist bei Teilbarkeit des Geschenks jeder in Höhe seiner Erbquote berechtigt (§§ 741 ff., 420), bei Unteilbarkeit sind sie Gesamtgläubiger (§ 432).[68] Wenn der Vertragserbe die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs aus § 2287 hinreichend dargetan hat („greifbare Anhaltspunkte“), hat er gem. § 242 einen Anspruch auf Auskunftserteilung gegen den Beschenkten.[69]
(3) Beeinträchtigung des Vermächtnisnehmers (§ 2288 BGB)
290
Für den Schutz des vertragsmäßigen Vermächtnisnehmersfindet sich eine korrespondierende Regelung in § 2288. Abs. 1 regelt die Fälle der Zerstörung, Beiseiteschaffung oder Beschädigung des Vermächtnisgegenstands durch den Erblasser; hier hat der Vermächtnisnehmer einen Wertersatzanspruch gegen den Erben. Abs. 2 regelt die Fälle der Veräußerung oder Belastung des Vermächtnisgegenstands durch den Erblasser; hier ist der Erbe verpflichtet, den Gegenstand zu verschaffen oder die Belastung zu beseitigen (S. 1); wenn die Veräußerung/Belastung schenkweise erfolgte, hat der Vermächtnisnehmer einen Anspruch aus § 2287 gegen den Beschenkten, soweit er vom Erben keinen Ersatz erlangen kann. Voraussetzung ist aber auch hier stets eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers. Der Begriff ist grundsätzlich ebenso wie in § 2287 (→ Rn. 285) zu verstehen.[70] Ein lebzeitiges Eigeninteresse kann im Hinblick auf das erbvertragliche Vermächtnis jedoch nur dann bejaht werden, wenn sich das Interesse des Erblassers gerade auf die Veräußerung des Vermächtnisgegenstandes richtete und der erstrebte Zweck nicht durch andere wirtschaftliche Maßnahmen zu erreichen gewesen wäre.[71]
2. Ausnahmen von der Bindungswirkung
291
Als Ausfluss der Vertragsfreiheit kann sich ein Erblasser im Erbvertrag grundsätzlich das Recht vorbehalten, eine vertragsmäßige Verfügung durch spätere Verfügung von Todes wegen abändern zu dürfen (sog. Änderungsvorbehalt).[72] Die genauen Grenzen der Zulässigkeit solcher Änderungsvorbehalte sind im Detail umstritten.[73] Konsens besteht aber jedenfalls, dass ein sog. Totalvorbehalt, der alle an sich vertragsmäßigen Verfügungen erfasst, unzulässig ist, denn dann wäre der Erbvertrag „seines Wesens entkleidet“.[74]
b) Zustimmung des Vertragspartners
292
Eine formlose Zustimmung des Vertragspartners genügt nicht, um den Erblasser von der Bindungswirkung zu befreien[75]; vielmehr bedarf es hierfür eines Aufhebungs- bzw. Änderungsvertrags gem. § 2290[76].
c) Zustimmung des Bedachten
293
Ebenso wenig genügt die formlose Zustimmung des Bedachten.[77] Er muss vielmehr ggf. einen Erbverzichtsvertrag gem. § 2352 S. 2 und 3 i.V.m. § 2348(→ Rn. 523 ff.) schließen.[78] Nach dem Erbfall kann er ggf. ausschlagen (§§ 1944 ff., 2180).[79] In Ausnahmefällen kann eine formlose Zustimmung jedoch den Arglisteinwand (§ 242) begründen.[80]
d) Beschränkung in guter Absicht
294
Wenn der Bedachte ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Erblasser ist, so kann der Erblasser gem. § 2289 Abs. 2durch eine spätere letztwillige Verfügung unter den Voraussetzungen des § 2338 die dort genannten Anordnungen treffen (sog. Beschränkung in guter Absicht, → Rn. 719).
3. Aufhebung der Bindungswirkung
295
Die Bindungswirkung eines Erbvertrags kann durch Aufhebung (→ Rn. 296 ff.), Rücktritt (→ Rn. 303 ff.) oder Anfechtung (→ Rn. 314, 428 ff.) beseitigt werden.
a) Aufhebung durch die Vertragsparteien
aa) Aufhebungsvertrag, § 2290
296
Gem. § 2290 Abs. 1 S. 1 kann ein Erbvertrag (oder auch nur eine einzelne vertragsmäßige Verfügung) von den Vertragsschließenden[81] durch einen Aufhebungsvertrag aufgehoben werden. Als actus contrarius bedarf der Aufhebungsvertrag gem. § 2290 Abs. 4 der in § 2276für den Erbvertrag vorgeschriebenen Form(→ Rn. 269). Wenn die Vertragsparteien einen neuen, widersprechenden Erbvertrag schließen, so liegt darin eine konkludente Aufhebung (§ 2258 Abs. 1 analog).[82] Ein Aufhebungsvertrag kann nur geschlossen werden, solange alle Erblasser des Erbvertrags noch leben (§ 2290 Abs. 1 S. 2). Wenn nicht alle vertragsmäßigen Verfügungen aufgehoben werden, sind die Konsequenzen für einseitige Verfügungen nach § 2085 (→ Rn. 477) zu beurteilen[83] (bei Aufhebung des gesamten Erbvertrags gilt aber § 2299 Abs. 3, → Rn. 317).
297
Wer im Erbvertrag als Erblasserfungierte, kann den Aufhebungsvertrag nur persönlichschließen (§ 2290 Abs. 2). Ein Vertragsschließender, der nicht als Erblasser fungierte, kann sich hingegen beim Abschluss des Aufhebungsvertrags vertreten lassen ( argumentum e contrario e § 2290 Abs. 2). Wenn für ihn ein Betreuer bestellt und die Aufhebung vom Aufgabenkreis des Betreuers umfasst ist, ist gem. § 2290 Abs. 3 die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich.
298
Ein Aufhebungsvertrag kann wiederum selbst durch einen Aufhebungsvertrag aufgehobenwerden; dann gelten wieder die ursprünglichen erbvertraglichen Verfügungen.[84] Ferner kommt eine Anfechtungin Betracht, wobei allerdings streitig ist, ob insoweit die §§ 2078 ff., 2281 ff. oder die §§ 119 ff. gelten. Da es sich beim Aufhebungsvertrag um den actus contrarius zum Erbvertrag handelt, erscheint es konsequent, auch die erbrechtlichen Vorschriften der §§ 2281, 2078 ff. anzuwenden; ein Rekurs auf §§ 119 ff. kommt nur für den Fall in Betracht, dass ein nicht vertragsmäßig Verfügender nicht zum Kreis der nach § 2080 Anfechtungsberechtigten gehört.[85]
Die Aufhebung unterfällt hingegen aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur nicht der Insolvenzanfechtung.[86]
bb) Gemeinschaftliches Aufhebungstestament, § 2292
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