299
Für Ehegattenstatuiert § 2292 eine Formerleichterung (die gem. § 10 Abs. 4 S. 1 LPartG auch für Lebenspartner gilt): Danach genügt zur Aufhebung eines zwischen ihnen geschlossenen Erbvertrags ein gemeinschaftliches Testament. Den Wortlaut des § 2292 könnte man zwar so verstehen, dass die Vertragsparteien schon bei Abschluss des Erbvertrags miteinander verheiratet gewesen sein mussten; nach Sinn und Zweck der Vorschrift genügt es jedoch, wenn sie erst nach Abschluss des Erbvertrags eine Ehe bzw. eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind und diese im Zeitpunkt des gemeinschaftlichen Aufhebungstestaments wirksam besteht.[87]
300
Um das gemeinschaftliche Aufhebungstestament zu beseitigenund den ursprünglichen Erbvertrag wiederaufleben zu lassen, genügt ein einseitiger Widerruf nicht[88]; vielmehr bedarf es hierfür einer gleichwertigen Rechtshandlung in Form eines Erbvertrags, Aufhebungsvertrags gem. § 2290, Aufhebungstestaments mit Zustimmung des anderen gem. § 2291 oder eines neuen gemeinschaftlichen Aufhebungstestaments gem. § 2292.[89]
cc) Aufhebungstestament mit Zustimmung des anderen, § 2291
301
Gem. § 2291 Abs. 1 kann eine vertragsmäßige Verfügung, durch die ein Vermächtnis oder eine Auflage angeordnet ist, von dem Erblasser durch Testamentaufgehoben werden, wenn der andere Vertragschließendedem zustimmt. Die Zustimmungserklärung bedarf der notariellen Beurkundung und ist unwiderruflich (§ 2291 Abs. 2). Ein Wiederaufleben des Erbvertrags ist nach Erteilung der Zustimmung nur mit (erneuter) Zustimmung des Vertragsgegners gem. § 2291 Abs. 2 zu einem Widerrufstestament möglich.[90]
dd) Aufhebung durch Rücknahme aus amtlicher oder notarieller Verwahrung, § 2300 Abs. 2
302
Nach § 2300 Abs. 2 S. 1 und 2 kann ein Erbvertrag aus der amtlichen oder notariellen Verfügung zurückgenommen und an alle Vertragsschließenden gemeinschaftlich zurückgegeben werden; damit gilt er gem. §§ 2300 Abs. 2 S. 3, 2256 Abs. 1 als widerrufen. Dies gilt allerdings nur für Erbverträge, die ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthalten (sog. isolierte Erbverträge).
b) Aufhebung durch Rücktritt eines Vertragserblassers
303
Die §§ 2293 ff.enthalten Sondervorschriften für den Rücktritt eines Vertragserblassers vom Erbvertrag; §§ 346 ff. sind insoweit nicht anwendbar[91]. Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt ist eine Rücktrittserklärung (→ Rn. 304 f.) und das Bestehen eines Rücktrittsrechts (→ Rn. 306 ff.).
Sofern im Zusammenhang mit der Erbvertrag ein schuldrechtlicher Vertrag geschlossen wurde, in dem sich der Vertragspartner z.B. zu einer Gegenleistung für die vertragsmäßige Zuwendung verpflichtet, so gelten insoweit die allgemeinen schuldrechtlichen Rücktrittsvorschriften; insb. kann darin ggf. auch ein vertragliches Rücktrittsrecht des Vertragspartners für den Fall des Rücktritts des Erblassers vom Erbvertrag vorgesehen werden.[92]
304
Der Rücktritt muss gem. § 2296persönlich durch Erklärung gegenüber dem/den anderen Vertragsschließenden erfolgen und bedarf der notariellen Beurkundung. Dem/den Vertragspartner(n) muss die Urschrift oder eine Ausfertigung der notariellen Urkunde zugehen; eine beglaubigte Abschrift genügt nicht.[93] Aufgrund des Erfordernisses der höchstpersönlichen Erklärung (§ 2296 Abs. 1) kann ein geschäftsunfähig gewordener Erblasser nicht vom Erbvertrag zurücktreten.[94]
305
Wenn der andere Vertragsschließende vorverstorben ist, kann der Erblasser eine vertragsmäßige Verfügung – sofern er zum Rücktritt (noch) berechtigt ist (vgl. § 2298 Abs. 2 S. 2, → Rn. 308) – gem. § 2297 S. 1durch Testament aufheben. Im Falle eines Rücktritts gem. § 2294 wegen Verfehlung des Bedachten (→ Rn. 309) gelten gem. § 2297 S. 2 die § 2336 Abs. 2 und 3, d.h. der Grund für die Entziehung muss zur Zeit der Testamentserrichtung bestehen und im Testament angegeben werden.
306
Ein Rücktrittsrecht des Erblassers kann sich aus dem Erbvertrag ergeben (→ Rn. 307 f.) oder kraft Gesetzes bestehen (→ Rn. 309 ff.).
(1) Vertragliches Rücktrittsrecht, § 2293
307
§ 2293stellt klar, dass sich jeder Vertragserblasser im Erbvertrag ein (vertragliches) Rücktrittsrecht vorbehalten kann. Der Rücktrittsvorbehaltist streng zu trennen vom sog. Änderungsvorbehalt, der es erlaubt, vom Erbvertrag abweichende letztwillige Verfügungen zu errichten und damit im Umfang des Vorbehalts von vornherein keine Bindung erzeugt (→ Rn. 291). Ein Rücktrittsvorbehalt kann sich auf alle oder auch nur auf einzelne vertragsmäßige Verfügungen beziehen; er kann zudem auch bedingt oder befristet ausgestaltet sein.[95] Im Einzelfall kann die Abgrenzung zum auflösend bedingt geschlossenen Erbvertrag (§ 158 Abs. 2) schwierig sein, so z.B. bei Wiederverheiratungsklauseln.[96]
308
Bei zwei- und mehrseitigen[97] Erbverträgen erlischtder Rücktrittsvorbehalt gem. § 2298 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 im Zweifel mit dem Tode des anderen Vertragsschließenden. Sofern sich kein gegenteiliger Wille der Vertragsparteien anzunehmen ist[98], können die vertragsmäßigen Verfügungen dann aber gem. § 2298 Abs. 2 S. 3 trotzdem noch durch Testament aufgehoben werden, wenn der Überlebende das ihm durch Vertrag Zugewendete ausschlägt(denn dann setzt er sich nicht mehr dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aus). Erforderlich ist nach dem Telos der Norm die Ausschlagung aller ihm zugedachten vertragsmäßigen Verfügung (Zuwendungen aus einseitigen Verfügungen brauchen hingegen nicht ausgeschlagen zu werden).[99]
(2) Gesetzliches Rücktrittsrecht bei Verfehlungen des Bedachten gem. § 2294
309
Gem. § 2294 kann der Erblasser von einer vertragsmäßigen Verfügung zurücktreten, wenn sich der Bedachteeiner Verfehlungschuldig macht, die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt oder zu der Entziehung berechtigen würde, wenn der Bedachte ein Abkömmling des Erblassers wäre. Der zur Pflichtteilsentziehung berechtigende Tatbestand (→ Rn. 715 ff.) muss nach Vertragsschluss erfüllt worden sein.[100] Frühere tatbestandsmäßige Verfehlungen, die dem Erblasser unbekannt waren, können aber ggf. ein Anfechtungsrecht gem. § 2281 i.V.m. § 2078 begründen.[101]
(3) Gesetzliches Rücktrittsrecht bei Aufhebung einer Gegenverpflichtung gem. § 2295
310
Aus § 2295 ergibt sich ein Rücktrittsrecht, wenn die vertragsmäßige Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insb. Unterhalt zu gewähren (sog. Verpfründungsvertrag) getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tode des Erblassers aufgehoben wird.
311
Zwischen der erbvertraglichen Zuwendung des Erblassers und der schuldrechtlichen Verpflichtung des Bedachten muss ein innerer Zusammenhangbestehen; die Verpflichtung des Bedachten muss den oder zumindest einen Beweggrund für die vertragsmäßige Verfügung des Erblassers darstellen und die Vertragsteile müssen sich über die Zweckgebundenheit einig sein.[102]
312
„ Aufhebung“ der Verpflichtungi.S.d. § 2295 ist jede (auch einseitige) Beendigung gleich aus welchem Rechtsgrund.[103] Erfasst sind z.B.: Ausübung eines Rücktrittsrechts, Kündigung[104], Eintritt einer auflösenden Bedingungen, Aufhebungsvertrag oder nachträgliche Unmöglichkeit[105].[106] Nicht anwendbar ist § 2295 hingegen, wenn das Rechtsgeschäft, durch das die Verpflichtung begründet werden sollte, von vornherein nichtig gewesen ist oder durch Anfechtung rückwirkend ( ex tunc ) nichtig wird (§ 142 Abs. 1).[107]
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