Für Klausuren im staatlichen Teil des Examensist öffentliches Wirtschaftsrecht ebenso beliebt. Sofern nicht Teilbereiche wie das Gewerberecht ausdrücklich zum Pflichtstoff gehören, geht es dort selbstverständlich weniger um wirtschaftsrechtliche Details als um verwaltungs- und vor allem verfassungs- und europarechtliche Grundlagen. Dass sich das öffentliche Wirtschaftsrecht insoweit als zentrales Referenzgebiet des Europa-, Verwaltungs- und Verfassungsrechtsetabliert hat, spiegelt sich zunehmend in der Klausurpraxis wider. Im Zentrum steht oft eine Prüfung der Berufsfreiheit (Art. 12 GG); bei Gewerbetreibenden aus dem EU-Ausland selbstverständlich auch die Vereinbarkeit hoheitlicher Markt- und Tätigkeitsbeschränkungen mit den Grundfreiheiten. Diese Grundlagen prägen immer stärker auch die wirtschaftsrechtliche Detaildiskussion. Wohl kein Rechtsgebiet ist so sehr konkretisiertes Verfassungs- und Europarechtwie das öffentliche Wirtschaftsrecht. Viele der Klausurfälle eignen sich daher auch zur Vorbereitung für öffentlichrechtliche Klausuren im Pflichtfachbereich.
II. Zur Arbeit mit diesem Klausurenkurs
2
Die nachfolgenden Fälle spiegeln die Vielfalt der Materie wider. Sie decken das öffentliche Wirtschaftsrechtweitgehend ab. Dazu gehören selbstverständlich die „klassischen“ Materien des Gewerbe- und Handwerksrechtsbei denen neben der Darlegung der Grundbegriffedie aktuellen Problemeim Mittelpunkt stehen, da die Europäisierung auch in diesem Bereich des öffentlichen Wirtschaftsrechts zu einer markanten Problemverlagerung. Außerdem legt der Klausurenkurs einen besonderen Schwerpunkt auf diejenigen Rechtsgebiete, die sich erst durch die Schwerpunktausbildung als Klausurstoff etabliert haben, so dass die Auswahl an Übungsfällen in der Ausbildungsliteratur noch eher beschränkt ist. Dies gilt nicht nur für das Telekommunikations- und Energierecht (Fälle 9–11) , sondern in besonderer Weise für die staatlicheBeteiligung am Wirtschaftsleben, das Vergaberecht sowie das Subventions- und Beihilferecht, bei denen ein besonderes Augenmerk auf ihrer Verzahnung liegt (Fälle 13–20) .
Der Klausurenkurs richtet sich entsprechend dem Konzept der gesamten Reihe vor allem an Examenskandidaten, die sich auf die öffentlichrechtlichen Pflicht- und vor allem Schwerpunktklausurenvorbereiten wollen, sowie an Referendare, die sich einen kompakten Überblick über examensrelevante Materien verschaffen wollen. Er setzt deswegen solide Grundkenntnisse im Europa-, Verfassungs- und Verwaltungsrecht und besonders im Prozessrecht voraus, hilft selbstverständlich aber auch dabei, diese am Beispiel des Wirtschaftsrechts zu vertiefen. Detailkenntnisse des öffentlichen Wirtschaftsrechts sind demgegenüber nicht erforderlich. Durch die bewusst ausführlichen Vorüberlegungenund deren Verzahnung mit dem Lehrbuch ( Ruthig/Storr , Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl 2015) werden die Lösungen auch für solche Leser erschlossen, die sich den Stoff erstmalig erarbeiten.
Sehr häufig adaptieren die Klausursachverhalte die aktuelle Rechtsprechung. Damit wird nicht nur die Aktualität der Fälle gewährleistet, sondern vor allem gezeigt, dass selbst die vermeintlich neuen Rechtsprobleme der Praxis mit Grundlagenkenntnissen und einer soliden juristischen Arbeitstechnik zu lösen sind.
III. Grundstrukturen des öffentlichen Wirtschaftsrechts
3
Der besondere Reiz und gleichzeitig die besondere Schwierigkeit des öffentlichen Wirtschaftsrechts liegt darin, dass in allen behandelten Rechtsgebieten immer wieder die gleichen Grundthemen des öffentlichen Rechts auftauchen. Dies folgt nicht nur aus den vom allgemeinen Verwaltungsrecht vorgegebenen öffentlichrechtlichen Handlungsformen und dem daran anknüpfenden Rechtsschutz. Das gesamte abgestufte Eingriffsinstrumentarium und die gewerberechtlichen Grundbegriffe konkretisieren letztlich das Verhältnismäßigkeitsprinzipund dienen damit der Verwirklichung von Grundfreiheiten und Grundrechten. Wichtiger als wirtschaftsverwaltungsrechtliches Detailwissen ist die Kenntnis dieser Grundstrukturen, liefern diese doch regelmäßig auch den „Einstieg“ in die Fallbearbeitung. Die Lösung von Fällen bereitet nicht aufgrund mangelnder Kenntnis von Detailproblemen Schwierigkeiten, sondern weil die einzelnen Ermächtigungsgrundlagen miteinander vermengt, gewerberechtliche Grundbegriffe (insb der Gewerbebegriff und die Unzuverlässigkeit) verkannt oder die Schnittstellen zum allgemeinen Verwaltungs- und -prozessrecht nicht gesehen werden. Hier leistet dieser Klausurenkurs entscheidende Hilfestellung, indem er die gängigen Fragestellungen exemplarisch behandelt.
1. Gewerberechtliche Grundbegriffe
Unverzichtbar ist mithin die Kenntnis der „Schlüsselbegriffe“ des öffentlichen Wirtschaftsrechts, die gerade nicht gesetzlich definiert, sondern von der Rechtsprechung entwickelt wurden. Über die Anwendbarkeit der öffentlichrechtlichen Vorschriften entscheidet regelmäßig der Begriff der „Gewerbsmäßigkeit“. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf aber auch die Person des Gewerbetreibenden (Fall 4) , vor allem auch bei juristischen Personen in ausländischer Rechtsform (Fälle 3, 5, 8). Ein Einschreiten der Behörde setzt typischerweise den Verstoß gegen konkrete Pflichten des jeweiligen Fachgesetzes voraus, knüpft aber häufig auch an den Begriff der „Unzuverlässigkeit“an (Fälle 4, 5, 6, 7, 11) . Gerade beim genehmigungsbedürftigen Gewerbe stellt sich zudem die Frage nach dem Verhältnis der speziellen Vorschriften– insbesondere über Rücknahme und Widerruf von Genehmigungen – zum allgemeinen Verwaltungsrecht (Fall 9, 10) . Das Marktgewerberecht stellt einen Klassiker für staatliche Allokationsentscheidungen dar (Fall 6) .
2. Anzeigepflichtiges und genehmigungspflichtiges Gewerbe
Die entscheidende Weichenstellung für die Klausur erfolgt bei der Differenzierung nach anzeige- und genehmigungspflichtigen Tätigkeiten. Die Abgrenzung ergibt sich aus dem jeweiligen Gesetz, wobei für die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung Ausnahmen von der an sich bestehenden Genehmigungspflicht vorgesehen sind (Fall 8) .
Nach dem Vorbild von § 14 GewO kennen auch das Telekommunikations- und Energierecht Anzeigepflichten (vgl Fälle 10, 11) . Typische Klausurkonstellationen betreffen nicht nur den jeweiligen Anwendungsbereich der Vorschriften, sondern auch die Frage der Durchsetzung von Anzeigepflichten. Da der Verstoß gegen Anzeigepflichten nicht automatisch zur Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden führt, ist in dieser Konstellation ein Einschreiten gegen die Tätigkeit als solche regelmäßig ausgeschlossen (Fäll 4 und 11) .
Das genehmigungsbedürftige Gewerbe befindet sich insgesamt vor allem wegen der unionsrechtlichen Liberalisierungsbemühungen eher auf dem Rückzug. Gleichwohl liefert es mit dem Gewerbe- und Handwerksrechtexamensrelevante Klausurkonstellationen (Fälle 4, 5, 7, 8) . Aber auch die Frequenznutzung durch Einzelzuteilung nach § 55 Abs. 3 TKG (Fall 10) und das Betreiben von Energieversorgungsnetzen (Fall 11) folgen dem Grundmodell des genehmigungsbedürftigen Gewerbes. Die Klausuren betreffen entweder Rücknahme oder Widerrufeiner Genehmigung (Fall 10) oder das Einschreitengegen eine ohne die erforderliche Genehmigung aufgenommene Tätigkeit (Fälle 5, 7, 8) . Standardkonstellationen sind Anfechtungsklagen gegen die Untersagung einer nicht erlaubten Tätigkeit, Verpflichtungsklagen auf Erteilung der erforderlichen Genehmigung bzw der Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen. Drittanfechtungsklagen von Konkurrenten scheitern grundsätzlich an Art. 12 GG, der keinen Schutz vor Konkurrenz bietet. Denkbar ist auch, dass die Behörde die Genehmigungsbedürftigkeit einer Tätigkeit feststellt oder gesetzliche Pflichten in einem VA konkretisiert, wogegen mit der Anfechtungsklage vorgegangen werden kann. Nicht selten stellt sich die Frage, ob die Genehmigungsbedürftigkeit mit unionsrechtlichen Anforderungenvereinbar ist (Fälle 5, 8) , sofern nicht bereits das nationale (und richtliniengeprägte) Recht ausdrücklich Ausnahmen vorsieht (zur Dienstleistungsrichtlinie und § 4 GewO sowie zur Berufsanerkennungsrichtlinie und Handwerksrecht Fall 8 ).
Читать дальше