126
Dies kann nicht nur dem Betriebsfrieden, sondern auch der Öffentlichkeitswahrnehmung des Unternehmens, insbesondere durch dessen Kunden, erheblich schaden. Dies gilt erst recht, wenn die Umstrukturierung (über längere Zeiträume) von einer negativen Presse begleitet wird.[4] Auch der Betriebsrat darf dies – insbesondere in mittel- und langfristiger Sicht – nicht unterschätzen.[5]
127
Praxistipp:
Die Kommunikation mit Lieferanten, Kunden und der Öffentlichkeit (ggf. unter Einbindung einer darauf spezialisierten Kommunikationsagentur) muss im Rahmen entsprechender Umstrukturierungsvorhaben daher ebenso wesentlich mitberücksichtigt werden wie die Kommunikation mit den Arbeitnehmern und ihren Vertretungen.[6]
128
Dieser Gesichtspunkt (Unruhe und negative Wahrnehmung) muss insbesondere auch im Zusammenhang mit der Frage berücksichtigt werden, ob Umstrukturierungen schrittweise in Teilen durchgeführt oder von vornherein als Gesamtmaßnahme konzipiert und entsprechend umgesetzt werden.[7]
129
Gleiches gilt auch außerhalb schrittweise umgesetzter Maßnahmen dann, wenn scheinbare Nebeneffekte einer entsprechenden Maßnahme wie der Wegfall der bisherigen Tarifbindung, der Wechsel in eine mitbestimmungsfreie Rechtsform, das Unterschreiten der für einen mitbestimmten Aufsichtsrat maßgeblichen Schwellenwerte bzw. der Schwellenwerte für die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern als eigentliches Ziel oder offener Affront gegenüber der Betriebsrats- bzw. Gewerkschaftsseite (miss-)verstanden werden können.[8] Diese Gesichtspunkte müssen zur Vermeidung eines betriebswirtschaftlichen Misserfolges entsprechender Umstrukturierungsmaßnahmen unbedingt beachtet werden.
[1]
WHSS/ Willemsen Rn. B 127.
[2]
WHSS/ Willemsen Rn. B 127.
[3]
WHSS/ Willemsen Rn. B 127.
[4]
WHSS/ Willemsen Rn. B 127.
[5]
Vgl. die zutreffenden Hinweise bei Bauer/Haußmann/Krieger Teil 1 B Rn. 98.
[6]
Vgl. zur Kommunikation bei Umstrukturierungen auch die Hinweise bei Bauer/Haußmann/Krieger Teil 1 B Rn. 91 ff.
[7]
WHSS/ Willemsen Rn. B 128.
[8]
WHSS/ Willemsen Rn. B 128.
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen› E. Besonderheiten bei der Umstrukturierung und Privatisierung öffentlich-rechtlicher Rechtsträger
E. Besonderheiten bei der Umstrukturierung und Privatisierung öffentlich-rechtlicher Rechtsträger
130
Alle vorgenannten Gesichtspunkte müssen grundsätzlich auch bei der Umstrukturierung, insbesondere der Privatisierung, öffentlich-rechtlicher Rechtsträger[1] beachtet werden.
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen› E. Besonderheiten bei der Umstrukturierung und Privatisierung öffentlich-rechtlicher Rechtsträger› I. Umstrukturierung innerhalb des öffentlichen Dienstes
I. Umstrukturierung innerhalb des öffentlichen Dienstes
131
In diesem Zusammenhang ist zwischen verwaltungsinternen Umstrukturierungen und Privatisierungen zu differenzieren.
1. Erscheinungsformen der Umstrukturierung innerhalb des öffentlichen Dienstes
132
Eine rein verwaltungsinterne Umstrukturierung kann zunächst – vergleichbar der Umstrukturierung von Betrieben – dadurch erfolgen, dass Dienststellen verlegt, zusammengelegt oder aufgelöst werden.[2]
133
Darüber hinaus ist ein Wechsel der öffentlich-rechtlichen Rechtsform denkbar.[3]
134
Beispiel:
Als Vorstufe zu einer Privatisierung wird eine bislang als Regiebetrieb geführte Dienststelle in einen Eigenbetrieb umgewandelt.[4] Dabei bleiben die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten durch das öffentlich-rechtliche Dienstrecht[5] bestimmt.[6] Gleiches gilt nach § 130 BetrVG für das System der betrieblichen Mitbestimmung mit der Folge, dass die Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder weiterhin Anwendung finden. Diese sehen bei grundlegenden Umstrukturierungen eine Beteiligung der Personalvertretungen vor,[7] die vor allem auf Länderebene durchaus unterschiedlich intensiv ausgestaltet ist: Sie reichen von der Mitbestimmung bis zur bloßen Anhörung des zuständigen Personalrats.[8]
2. Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB
135
Auch eine verwaltungsinterne Umstrukturierung kann mit einem Betriebs(teil)übergang i.S.d. § 613a BGB verbunden sein. Denn die insoweit erforderliche wirtschaftliche Einheit[9] kann auch vorliegen, wenn eine öffentliche Verwaltung identitätswahrend übergeht.[10] Nicht anwendbar ist § 613a BGB allerdings, soweit eine Behörde oder sonstige Dienststelle, die hoheitliche Tätigkeiten ausübt, in Rede steht.[11] Soweit § 613a BGB eingreift, gelten Abs. 1 Satz 2 bis 4 für Tarifverträge unmittelbar und für Dienstvereinbarungen – das öffentlich-rechtliche Pendant zur Betriebsvereinbarung – nach h.M. entsprechend,[12] soweit die Einheit nicht identitätswahrend übertragen wird, sodass § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB als „Auffangregelung“[13] nicht eingreift und die Dienstvereinbarung kollektivrechtlich fortgilt.[14]
136
Das Schicksal von (Gesamt-)Personalräten hängt bei derartigen Umstrukturierungen von der jeweiligen bundes- bzw. landesgesetzlichen Regelung ab: Ein allgemeines Übergangsmandat analog § 21a BetrVG existiert nicht.[15] Bis zur vollständigen Abwicklung einer Dienststelle verbleibt dem Personalrat lediglich ein Restmandat.[16]
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen› E. Besonderheiten bei der Umstrukturierung und Privatisierung öffentlich-rechtlicher Rechtsträger› II. Privatisierungen
137
Für die Privatisierung bislang in öffentlich-rechtlicher Form (Körperschaft, Anstalt des öffentlichen Rechts) geführter Unternehmen, die von der „bloßen“ verwaltungsinternen Umstrukturierung zu unterscheiden ist,[17] stehen grundsätzlich alle zuvor erörterten Gestaltungsformen ( Rn. 7 ff.) zur Verfügung.[18]
1. Maßgeblichkeit des gewählten Gestaltungsinstruments
138
Ein „Arbeitsrecht der Privatisierung“ existiert in Deutschland nicht.[19] Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Privatisierung hängen daher von dem gewählten Gestaltungsinstrument ab.[20] Denkbar sind:[21]
– |
gesetzliche Regelung der Privatisierung (zumeist Landesgesetz); |
– |
Umwandlung nach dem UmwG; |
– |
Share Deal bzw. |
– |
Asset Deal (einzelvertragliche Übertragung durch Verpachtung, Betriebsführungsverträge usw.). |
139
Praxistipp:
Von einer „formalen“ Privatisierung[22] oder „Organisationsprivatisierung“[23] spricht man, wenn die öffentliche Hand lediglich eine privatrechtliche Rechtsform wählt, aber Anteilseigner bleibt. Sie bildet häufig die Vorstufe zur „materiellen“ Privatisierung, d.h. zur Veräußerung an private Investoren, die auch als „Aufgabenprivatisierung“[24] bezeichnet wird und dann häufig in Form eines Share Deal erfolgt.[25]
2. Gestaltungsinstrumente im Überblick
a) Privatisierung durch Gesetz
140
Den weitesten Gestaltungsspielraum bieten Privatisierungen durch Gesetz. Sie ermöglicht einerseits Erleichterungen für den übertragenden Rechtsträger.
141
Beispiel:
Auf die formalen Vorgaben des UmwG (insbesondere die Pflichtangaben nach § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG und die Zuleitung gemäß § 126 Abs. 3 UmwG) kann z.B. verzichtet werden.[26]
142
Keine Erleichterung dürfte – jedenfalls angesichts der Rechtsprechung des BVerfG [27] – im Kern aber mit Blick auf das Erfordernis eines Widerspruchsrechts analog § 613a Abs. 6 BGB bestehen[28] (auf einen Übergang kraft Landesgesetzes ist § 613a BGB nicht anwendbar, soweit das Gesetz selbst kein Rechtsgeschäft vorsieht)[29], wobei den Landesgesetzgebern aber „Regelungsalternativen“ zugestanden werden. Im Kern dürften aber auch hier den Beschäftigten die oben für Arbeitnehmer skizzierten Einflussnahmemöglichkeiten zustehen (vgl. Rn. 99).
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