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Die mittelbare Staatsverwaltungist dadurch gekennzeichnet, dass die von den Ländern zu erfüllende Aufgabe hier durch einen von der staatlichen (unmittelbaren) Behörde zu unterscheidenden selbstständigen Rechtsträgererfüllt wird.[7] Neben den Freistaat Bayern tritt damit ein weiteres selbstständiges Rechtssubjekt (Körperschaft bzw. Anstalt). Dies können u.a. Gemeinden, Landkreise und Bezirke (Gebietskörperschaften) sein, die in Bayern die kommunale Verwaltungsebene darstellen.
1. Teil Grundlagen des Kommunalrechts› B. Aufbau der Verwaltung› II. Kommunale Verwaltungsebene
II. Kommunale Verwaltungsebene
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Gemeinden, Landkreise und Bezirke lassen sich als Körperschaftbegreifen (vgl. hierzu z.B. Art. 15 Abs. 1 S. 1 GO, wonach Gemeindeangehörige alle Gemeindeeinwohner sind). Ausgehend von Art. 1 GO bzw. Art. 1 LKrO, Art. 1 BezO handelt es sich bei Gemeinden, Landkreisen und Bezirken um sog. Gebietskörperschaften. Die Körperschaft wird hier gebietsmäßig (territorial)erfasst und mit Hoheitsbefugnissen gegenüber den sich in diesem Gebiet befindlichen Personen ausgestattet.
Hinweis
Beachten Sie an dieser Stelle bereits, dass durch die Tatsache, dass Gemeinden, Landkreise und Bezirke eigene Körperschaften außerhalb der Staatsverwaltung darstellen, ein Rechtsinstitut wie die Aufsicht des Staates über die Gebietskörperschaften (z.B. Art. 108 ff. GO) erst ermöglicht wird.
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Kennzeichen jeder Gebietskörperschaftist, dass ein eigenständiger Rechtsträgerzur Aufgabenerfüllung neben dem Freistaat Bayern geschaffen wird. Dieser selbstständige Rechtsträger (Gemeinde, Landkreis, Bezirk) ist mit Organenausgestattet (vgl. z.B. Art. 29, 37 GO) und wird mit Wirkungskreisen(z.B. Art. 6 Abs. 2, 7, 8 GO) versehen.[8] Infolge der Tatsache, dass ein eigenständiger Rechtsträger zur Aufgabenerfüllung geschaffen wird, ist die Gebietskörperschaft selbst im Verwaltungsprozess zu verklagen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).[9]
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Gebietskörperschaften sind rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Als solche können sie Eigentum erwerben, im Rechtsverkehr rechtserheblich handeln, klagen und verklagt werden. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie geschäftsfähig sind, d.h. sie haben die Möglichkeit, Willenserklärungen abzugeben oder auch Verträge zu schließen.
Schließlich können sie in einem Verwaltungsrechtsstreit Kläger, Beklagter oder Beigeladener sein, § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO (Beteiligtenfähigkeit).
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Bei der Prozessfähigkeitder Gebietskörperschaften ist zu beachten, dass diese zwingend über ihre jeweiligen Organe handeln müssen, § 62 Abs. 3 VwGO.
JURIQ-Klausurtipp
Die Beteiligten- und Prozessfähigkeit sollten Sie in jeder Klausur ansprechen, in der eine Gebietskörperschaft klagt bzw. verklagt wird. Prägen Sie sich die maßgeblichen Normen der §§ 61 Nr. 1 Alt. 2, 62 Abs. 3 VwGO gut ein.
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Auch die kommunale Verwaltungsebene weist einen dreigliedrigen Aufbau auf.[10] Zum weiteren Verständnis der kommunalen Verwaltungsebene ist es sachgerecht, zwischen der örtlichen Ebene der Gemeinden und der überörtlichen Ebene der Landkreise und Bezirke zu differenzieren.
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Unterste Einheit zur Wahrnehmung sämtlicher örtlicherAufgaben ist die Gemeinde. Nach Art. 1 GO ist die Gemeinde eine ursprüngliche Gebietskörperschaftmit dem Recht, alleörtlichen Angelegenheiten zu ordnen und zu verwalten.
Beispiel
Die Gemeinde ist als ursprüngliche Körperschaft damit z.B. zuständig für ihre Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, für ihre Sport- und Freizeitanlagen, für ihre kulturellen Einrichtungen, etc.
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Die Gemeinden lassen sich weiter unterscheiden in kreisangehörige Gemeinden und kreisfreie Städte. Die Große Kreisstadt stellt einen Sonderfall einer kreisangehörigen Gemeinde dar. Das keiner bayerischen Gemeinde zugewiesene Gebiet ist gemeindefrei (Art. 10a Abs. 1 GO).
a) Kreisangehörige Gemeinden
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Art. 5 Abs. 1 GO bestimmt zunächst, dass die Gemeinden kreisangehörig oder kreisfreisind.
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Die größte Zahl der bayerischen Gemeinden ist kreisangehörig. Dies entspricht der Grundform der ursprünglichen Gebietskörperschaft. Die historische Bezeichnung Markt, Stadt, Art. 3 Abs. 1 GO, ist für die Differenzierung irrelevant. Kreisangehörige Gemeinden haben wie kreisfreie Gemeinden dieselbe Aufteilung in Wirkungskreise (eigener und übertragener, vgl. Art. 6 Abs. 2 GO), dieselbe Verfassung sowie dieselben Organe (allerdings mit zum Teil unterschiedlicher Bezeichnung). Unterschiede liegen im Umfang und der Art der wahrzunehmenden Aufgaben (Zusammensetzung der jeweiligen Wirkungskreise, Art. 6 Abs. 2 GO) und in der Staatsaufsicht (Art. 108 ff. GO).[11]
Hinweis
Prägen Sie sich an dieser Stelle bereits ein, dass das Aufgabenspektrum zwischen kreisangehörigen und kreisfreien Gemeinden variiert, und dass diese Frage bedeutsam ist für den klausurrelevanten Bereich der „Kommunalaufsicht“.
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Maßgebliche Bestimmung ist hier Art. 9 Abs. 1 GO. Dieser stellt die kreisfreie Gemeinde auf eine Stufe mit den Landkreisen.
Es existiert insoweit für das Stadtgebiet der kreisfreienStadt kein Landratsamt als Staats- oder Kreisbehörde.[12]
Dies hat Auswirkungen auf den Aufgabenumfang der kreisfreien Stadt. Nach Art. 9 Abs. 1 GO muss die kreisfreie Stadt Aufgaben von (fehlendem) Landkreis (als Gebietskörperschaft) und Landratsamt (als unterer Staatsbehörde) erfüllen.[13]
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Die Kreisfreiheit äußert sich auf folgenden Gebieten:[14]
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Bezeichnung der Organe, Art. 34 Abs. 1 S. 2 GO |
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Aufgabenumfang, Art. 9 Abs. 1 GO |
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Personelle Ausstattung, Art. 42 Abs. 2 GO |
• |
Regelungen der Kommunalaufsicht, Art. 110 S. 2, 115 GO |
Beispiel
Während bei einer kreisangehörigen Gemeinde für Bauangelegenheiten nach Art. 53 Abs. 1 BayBO regelmäßig (Ausnahme nur die Große Kreisstadt und gewisse besonders leistungsfähige kreisangehörige Gemeinden, § 5 Abs. 1 ZustVBau) das Landratsamt als Staatsbehörde zuständig ist, Art. 53 Abs. 1 BayBO, ist die kreisfreie Stadt selbst zur Entscheidung in Bausachen berufen, Art. 9 Abs. 1 GO, Art. 54 Abs. 1 BayBO. Da es sich eigentlich um eine staatliche Angelegenheit handelt, wird die kreisfreie Stadt insoweit im übertragenen Wirkungskreis tätig.
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die kreisfreie Gemeinde Verwaltungsaufgaben zweier Ebenenzu erfüllen hat. Sie berührt sowohl die örtliche als auch die überörtliche Verwaltungsebene. Da insofern kein Landratsamt existiert, muss die Aufsicht über die kreisfreie Stadt bei der Regierung als Staatsbehörde angesiedelt sein, Art. 110 S. 2 GO.
c) Sonderfall der Großen Kreisstadt
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Einen Sonderstatus nimmt im System der Gemeinden die Große Kreisstadt ein.
Für ihr Gebiet existiert daher anders als bei der kreisfreien Stadt ein Landratsamt, das als Behörde Staats- und Kreisaufgaben wahrnehmen kann.
Da das Gesetz in Art. 5 Abs. 1 GO nur zwei grundsätzliche Gemeindetypen schafft (kreisangehörig, kreisfrei), ist die Große Kreisstadt ein Sonderfall einer kreisangehörigen Gemeinde.[15]
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