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Die Verteilung der Kompetenzen für die gesetzesakzessorische Verwaltungist in den Art. 83 ff GG geregelt. Im Regelfallführen die Ländernicht nur ihre eigenen (Landes-)Gesetze, sondern auch die Bundesgesetze aus – und tragen damit die Hauptlast der Verwaltung, während die Bundesverwaltung auf wenige, einzeln benannte Bereiche beschränkt ist (Art. 86 ff GG).
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Bei der Ausführung von Bundesgesetzen sind drei Variantenzu unterscheiden: Die Gesetzesausführung durch die Länder als eigene Angelegenheit(Art. 84 GG), die Ausführung durch die Länder im Auftrage des Bundes(Art. 85) und die Ausführung der Gesetze durch den Bund selbst ( bundeseigene Verwaltung, Art. 86 GG). Während bei letzterer die Ausführung durch den Bund mittels bundeseigener Behörden oder bundesunmittelbarer Körperschaften bzw Anstalten des öffentlichen Rechts erfolgt, unterscheiden sich der landeseigene Vollzug von Bundesrecht ( Art. 84 GG )und die Bundesauftragsverwaltung ( Art. 85 GG )hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten des Bundes.
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Erfolgt die Ausführung durch die Länder als eigene Angelegenheitkommt dem Bund grds nur die Rechtsaufsichtzu. Er ist gem. Art. 84 Abs. 3 GG darauf beschränkt, die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu überprüfen. Findet die Ausführung dagegen als Auftragsangelegenheitstatt, bestimmt der Bund zudem auch über die Zweckmäßigkeit. Er kann auf Grund von Art. 85 Abs. 2 GG allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen oder auf Grund von Art. 85 Abs. 3 GG Weisungen auch im Einzelfall erteilen. Neben der Rechts- besteht also auch eine Fachaufsichtdes Bundes (Art. 85 Abs. 4 GG).
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Regelfall der Gesetzesausführung ist gem. Art. 83 GGdie Ausführung durch die Länder als eigene Angelegenheit. Auftragsverwaltung und bundeseigene Verwaltung kommen nur in den ausdrücklich im Grundgesetz bestimmten oder zugelassenen Fällen in Betracht.
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So werden in bundeseigener VerwaltungzB der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Luft- und Eisenbahnverkehrsverwaltung und die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schifffahrt[9] geführt (Art. 87 Abs. 1, 87d Abs. 1, 87e Abs. 1 GG). Als bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes werden gem. Art. 87 Abs. 2 und 3 GG bestimmte Träger der Sozialversicherung geführt (zB die Bundesagentur für Arbeit). Die Bundesautobahnen werden vom Bund (Art. 90 Abs. 2 GG), die sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs von den Ländern in Bundesauftragsverwaltungverwaltet (Art. 90 Abs. 3 GG[10]). Auch das Atomgesetz wird zT im Auftrage des Bundes von den Ländern ausgeführt (Art. 87c GG iVm § 24 Abs. 1 Satz 1 AtomG). Im Bereich der Finanzverwaltungsind alle drei Varianten denkbar (Art. 108 Abs. 1–3 GG).
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Ein besonderer Fall der Bundesauftragsverwaltungergibt sich über Art. 104a Abs. 3 GGbei Geldleistungsgesetzen. Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, dass die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden (Art. 104a Abs. 3 Satz 1 GG). Wenn in einem solchen Fall der Bund mindestens die Hälfte der Ausgabenträgt, wird das Gesetz – unabhängig vom Sachgebiet – im Auftrage des Bundes durchgeführt (Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG). Hier wirkt also die Finanzverfassung auf den staatsorganisationsrechtlichen Bereich zurück[11]. Im Bereich der übrigen Bundesauftragsverwaltung trägt der Bund gem. Art. 104a Abs. 2 GG die sich daraus ergebenden Ausgaben(s. näher Rn 128 ff).
2. Durchführungs- und Veranlassungskonnexität
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Art. 104a Abs. 1 GG verlangt neben der bloßen Zuständigkeit auch eine Kausalitätzwischen der Aufgabenwahrnehmung und den konkreten Ausgaben. Wenn – wie bei der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder – Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz auseinanderfallen, sind zwei Anknüpfungspunktedenkbar. Einerseits liegt es nahe, auf diejenige Aufgabe abzustellen, die mit der Ausgabe unmittelbar verknüpft ist, nämlich die Ausführung des Gesetzes (sog. Vollzugskausalitätoder Durchführungskonnexität). Andererseits werden bestimmte zu leistende Ausgaben schon auf Ebene der gesetzlichen Regelung vorgegeben, weil zB bei den Sozialgesetzen ein Zahlungsanspruch begründet wird (sog. Zweckausgaben, s. Rn 120). Hier besteht wiederum eine enge Kausalbeziehung zur Gesetzgebung (sog. Gesetzeskausalitätoder Veranlassungskonnexität).
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Wenn dieselbe staatliche Ebenesowohl für den Erlass als auch für die Ausführung eines Gesetzes verantwortlich ist, ergeben sich hier keine Probleme. Die Bundesländer tragen gem. Art. 104a Abs. 1 GG jedenfalls alle Ausgaben, die sich aus dem Erlass bzw Vollzug von Landesgesetzen ergeben. Das Gleiche gilt für die Finanzierungsverantwortung des Bundes bei der bundeseigenen Verwaltung. Problematisch ist die Anknüpfung, wenn Bundesgesetze durch die Länder vollzogen werden. Infolge der umfangreichen Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes und der grds Verwaltungszuständigkeit der Länder ist diese Konstellation aber der Regelfall.
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Allgemein geht man davon aus, dass Art. 104a Abs. 1 GG in seiner derzeitigen Ausgestaltung dem Prinzip der Durchführungskonnexitätfolgt[12]. Derjenige, der mit der Verwaltung einer Aufgabe betraut ist, hat die Ausgaben des Gesetzesvollzugs zu tragen (Vollzugskausalität). Dies ergibt sich zwar nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des Art. 104a Abs. 1 GG, lässt sich aber v.a. aus der Systematikschließen: Art. 104a Abs. 2 GGnormiert für die Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) eine Ausnahme vom Konnexitätsgrundsatz; hier „trägt der Bund die sich daraus [dh aus der Ausführung der Gesetze] ergebenden Ausgaben“. Diese Regelung wäre unnötig, folgte man generell dem Konzept der Veranlassungskonnexität.
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Auch die historische Auslegung bestätigt dies: Vor Einführung des Art. 104a GG bestand insb in der Literatur Uneinigkeit über den Bezugspunkt der Finanzierungslast[13]. Die Finanzreform von 1969[14] sollte ua diese Unsicherheit beseitigen. Die Gesetzesmaterialien bestätigen, dass mit der Verfassungsänderung dem Konzept der Vollzugskausalität der Vorrang gegeben wurde: „Zutreffender Ansicht nach hat jedoch derjenige die Kosten für durch Bundesgesetze entstehende staatliche Aufgaben zu tragen, der die Verwaltungszuständigkeit für die Ausführung der Gesetze besitzt, weil erst durch die Erfüllung der Aufgaben Kosten entstehen“[15].
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Die Verknüpfung der Ausgabentragung mit der Verwaltungszuständigkeit soll zu einer effizienten und sparsamen Verwaltungbeitragen (s.a. Rn 564). Verwaltungsökonomisch ist es sinnvoll, die Finanzierungsverantwortung an den Einfluss auf die Höhe der anfallenden Ausgaben zu koppeln[16]. Soweit die Exekutive im Rahmen von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen über die Art und Weise der Bereitstellung öffentlicher Güter, die Gewährung geldwerter Mittel und den eigenen Verwaltungsaufwand entscheidet, kann sie auch auf die Kosten erheblichen Einfluss nehmen (Steuerungsoptionen)[17].
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Dennoch ist eine strikte Durchführungskonnexität nicht unproblematisch. In Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenz kann der Bund finanzrelevante Gesetze zu Lasten der Länderhaushalte verabschieden. Und auch die Spielräume der Verwaltung können gesetzgeberisch so stark vorgeprägt sein, dass letztlich kein relevantes Einflusspotential mehr besteht[18]. Indes lässt sich diese Argumentation auch umkehren. Setzte das Grundgesetz eine strikte Veranlassungskonnexität (Gesetzeskausalität)durch, würde eine ineffiziente Verwaltung der Länder zu Lasten des Bundes gehen. Unabhängig von etwaigen Spielräumen, obliegt der verwaltenden Ebene jedenfalls die Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung geldwerter Leistungen. Mit der Zustimmung des Bundesratesgem. Art. 104a Abs. 4 GG zu solchen Gesetzen, die Ansprüche auf Geldleistungen oder geldwerte Sachleistungen begründen, sind wiederum die Länderinteressen berücksichtigt. Jedenfalls besteht im Bereich der Einnahmeverteilung gem. Art. 106 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 1 GG ein Anspruch der Länder auf Deckung der notwendigen Ausgaben[19] (s. Rn 352).
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