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c) Die Entscheidung des 1. Senats des BGH vom 8.5.1951
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„Deshalb ist stets anerkannt, dass die Bankrotthandlung und die Zahlungseinstellung nicht im Verhältnis Ursache Wirkung stehen müssen, (...) erforderlich ist nur ein rein äußerlicher Zusammenhang in dem Sinne, dass dieselben Gläubiger sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt, wie auch von der Zahlungseinstellung betroffen werden (vgl. RGSt 55, 30).“[106]
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Im Rahmen der 3. Fallgruppe wird bei der Frage, ob eine Bestrafung wegen Bankrotts gerechtfertigt erscheint, ungewohnt deutlich auf das Kriterium der Gläubigerbenachteiligung abgestellt, obwohl eine solche keine Erwähnung im Wortlaut des Tatbestandes findet. Nach Ansicht des RG soll die „ nötige Beziehung “ gegeben sein, wenn von der bestandsbezogenen Tathandlung (Schmälerung des Vermögens) solche Vermögensbestandteile betroffen sind, die später im Zeitpunkt der Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung zur Konkursmasse gehören und daher den Gläubigern zur Befriedigung dienen. Der Zusammenhang führt folglich dazu, dass die Bankrotthandlung nur bestraft wird, wenn sie im Einzelfall zu einer Benachteiligung der Gläubiger geführt hat. Der Zusammenhang dient mithin dazu, einen konkreten Bezug zwischen Handlung und Beeinträchtigung der Gläubiger herzustellen. Dies hätte zur Konsequenz, dass der „tatsächliche Zusammenhang“ letztlich doch auf einen Zusammenhang zwischen Handlung und geschütztem Rechtsgut hinausläuft, was sich allerdings weder aus dem Wortlaut noch aus den gesetzgeberischen Motiven ableiten lässt.
4. Erste Zwischenbetrachtung: Der „tatsächliche Zusammenhang“ als unrechtsbegründender Faktor
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Der „tatsächliche Zusammenhang“ in der Interpretation durch das RG kann nur schwer einer einheitlichen Definition zugeführt werden. Das RG machte die Strafbarkeit wegen Bankrotts davon abhängig, ob die vorgenommene Handlung im Einzelfall geeignet war, die Interessen oder Positionen der Konkursgläubiger (irgendwie) negativ zu beeinflussen. Es fällt auf, dass das RG im Rahmen informationsbezogener Bankrotthandlungen vermehrt auf ein zeitliches Element und im Rahmen bestandsbezogener Handlungen auf ein sachliches Element abgestellt hat. Oberflächlich betrachtet, könnte es sich daher – je nachdem, um welche Art von Bankrotthandlung es sich handelt – um unterschiedliche Arten von Zusammenhängen handeln.
a) Der „zeitliche“ Zusammenhang im Rahmen informationsbezogener Bankrotthandlungen
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Im Rahmen der sog. informationsbezogenen Bankrotthandlungen geht es heute wie damals darum, dass der Täter den Überblick über seinen Vermögensstand vereitelt, so dass sich die am Verfahren beteiligten Gläubiger nicht hinreichend über den Vermögensstand des Schuldners informieren können. Im Idealfall sollten die Gläubiger die Möglichkeit haben, im Hinblick auf das Ob und Wie der Befriedigung selbst abschätzen zu können, ob das was ihnen an quotaler Befriedigung angeboten wird, auch verglichen mit den tatsächlichen Vermögensverhältnissen des Schuldners, angemessen ist.[107] Ab Konkurseröffnung hatte die Gläubigerschaft bereits zum damaligen Zeitpunkt ein Mitbestimmungsrecht daran, wie mit der Aktivmasse und dem Geschäft des Schuldners weiter zu verfahren ist. Um all diese Umstände beurteilen zu können, sind die Gläubiger auf die Informationen aus den Handelsbüchern zwingend angewiesen. Sind solche nicht vorhanden oder unzureichend geführt, ist das Interesse der Gläubigerschaft an der Beschaffung einer ausreichenden Informationsgrundlage berührt. Das RG stellte im Rahmen der Buchdelikte vielleicht deshalb des Öfteren auf „das Interesse der Gläubiger, sich eine Übersicht zu verschaffen“ ab. Solange der Schuldner solvent ist, ist das Führen von Handelsbüchern eine bloße Obliegenheit. Strafrechtliche Relevanz erlangen die Verstöße damit erst im Zeitpunkt des Konkurses. Nach Ansicht des Reichsgerichts waren diese Obliegenheitsverletzungen nur dann strafbar, wenn die Möglichkeit der Konkursgläubiger, einen Überblick über die Vermögensverhältnisse zu gewinnen, im Zeitpunkt des Konkurses „tatsächlich beeinträchtigt“ wurde. Dies sollte zumindest dann der Fall sein, wenn die Handlung (unterlassene Buchführung) einen „ tatsächlichen Zusammenhang in Form eines zeitlichen Zusammenhangs “ zur Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung aufweist. Die Verletzung der Buchführungs- und Bilanzierungspflichten war daher ihrem Wesen nach nur in diesem bestimmten Zeitraum geeignet, eine konkrete Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen darzustellen. Deshalb wurde im Rahmen der informationsbezogenen Bankrotthandlungen stets auf einen tatsächlichen Zusammenhang in Form eines zeitlichen Zusammenhangs abgestellt. Erfolgt die Handlung einige Zeit vor ZE/Konkursverfahren oder danach, sollte dies nur ausnahmsweise strafbar sein, wenn „ ein Gläubigerinteresse an den Handelsbüchern fortbestand “. Mit Hilfe eines zeitlichen Zusammenhangs wurden nur noch die Buchführungsverstöße bestraft, die gerade im Moment des Konkurses ihre „nachteilige Wirkung“ entfalteten. Der Schritt zum strafwürdigen Kriminalunrecht hing mithin ganz entscheidend vom Eintritt des Konkurses und den damit verbundenen konkreten Gefahren für die Gläubiger ab. Nur, wenn die Handlung im Moment des Konkurses nachteilige Auswirkungen hatte, also die Interessen der Konkursgläubiger konkret gefährdet oder beeinträchtigt waren, wurde der Schuldner bestraft.
b) Der „sachliche“ Zusammenhang im Rahmen bestandsbezogener Bankrotthandlungen
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Im Rahmen der Bankrotthandlungen, die den Bestand des Vermögens betrafen, indem der Schuldner Verfügungen über die Aktivmasse traf, hatte der „tatsächliche Zusammenhang“ dieselbe Funktion, allerdings einen anderen Namen. Kennzeichnend für diese Art der Bankrotthandlungen ist noch heute eine unmittelbare Einwirkung des Schuldners auf das eigene Vermögen und damit die potentielle Insolvenzmasse. Unproblematisch strafbedürftig waren solche Fälle, in denen der Schuldner die Konkursmasse dadurch schmälerte, dass er nach Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung Vermögensbestandteile bei Seite schaffte. Problematisch waren hingegen die Fälle, in denen der Täter Bestandteile seines Vermögens bei Seite schaffte oder übermäßige Summen verbrauchte und später aus anderen Gründen in Konkurs geriet. Hierbei fällt auf, dass im Rahmen der bestandsbezogenen Handlungen gerade keine zeitliche, sondern eine sachliche, tatsächliche Beziehung als maßgeblich erachtet wurde. Dies findet seine Erklärung erneut in der Art der Bankrotthandlung: ein ordnungsgemäßes Wirtschaften und der rechtstreue Umgang mit der potentiellen Masse ist für die Gläubiger in jedem Zeitpunkt von Belang, da eben niemand weiß, ob und wann ein Konkurs eintreten wird. Dennoch verlangte das RG ein Korrektiv in Form eines „äußeren Zusammenhangs“, welcher vorlag, wenn „dieselben Gläubiger oder wenigstens ein Teil von ihnen, sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt, als auch durch die Zahlungseinstellung betroffen“ waren. Auch diese Passage belegt, dass es entscheidend darauf ankam, ob die Bankrotthandlung konkrete Auswirkungen auf die Positionen der Konkursgläubiger hatte. Wenn das RG eine „ Betroffenheit derselben Gläubiger“ verlangt, könnte damit eine Verfügung des Täters angesprochen sein, die gerade solche Bestandteile betraf, die später zur Konkursmasse gehörten. Die Bestrafung der bestandsbezogenen Handlungen diente demnach offenbar dem materiellen Verwertungs-/Befriedigungsinteresse der Gläubiger . Mit sachlichem Zusammenhang könnte daher gemeint sein, dass sich die bestandsbezogene Handlung des Täters und die eingetretene Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung auf dieselbe Sache (denselben Gegenstand), nämlich auf die zur Befriedigung der Gläubiger vorhandene Aktivmasse (die Konkursmasse), beziehen musste. Dies bedeutet aber zugleich, dass das RG auch hier eine konkrete Benachteiligung der Gläubiger verlangte.
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