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Muster 8 Besetzungsrüge bzgl. der Berufsrichter
An das Landgericht
......
In der Strafsache
gegen …
rüge ich die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich der Zahl der mitwirkenden Berufsrichter.
1. |
An der heutigen Sitzung der III. Großen Strafkammer nehmen der Vorsitzende Richter am Landgericht A und Herr Richter am Landgericht B sowie die Schöffen Frau X und Herr Y teil. Diese Besetzung entspricht dem Beschluss der Kammer bei der Eröffnung des Hauptverfahrens. |
2. |
Die Besetzung des Gerichts ist vorschriftswidrig. Die Mitwirkung von lediglich zwei Berufsrichtern bei einer Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer ist nur dann zulässig, wenn sie nicht als Schwurgericht zuständig ist (Nr. 1), wenn keine Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist (Nr. 2) oder nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters nicht notwendig erscheint (Nr. 3). Die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters ist im vorliegenden Fall notwendig. Mein Mandant und die beiden Mitangeklagten C und D werden beschuldigt, die Stieftochter meines Mandanten und deren Freundinnen über mehrere Jahre hinweg in Hunderten von Fällen sexuell missbraucht zu haben. Mein Mandant bestreitet die Tat und stellt die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeuginnen in Frage. In der Hauptverhandlung werden mehr als 40 weitere Zeugen sowie zwei medizinische Sachverständige und zwei Gutachter zur Glaubwürdigkeit der Zeuginnen zu vernehmen sein. Die Verhandlung ist auf 12 Tage angesetzt. Bereits dies entspricht der Regelvermutung des § 76 Abs. 3 Nr. 3 GVG, der hier keine Gründe entgegenstehen. Für den Fall der Verurteilung meines Mandanten stellt sich überdies die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung, was einen Regelfall des § 76 Abs. 3 Nr. 2 GVG darstellt. Unter diesen Umständen kann schlechterdings nicht davon ausgegangen werden, die Mitwirkung eines dritten Richters sei nicht notwendig. Der Beschluss der Kammer, lediglich mit zwei Berufsrichtern zu verhandeln, ist daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu vertreten. |
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Muster 9 Besetzungsrüge bzgl. eines Schöffen
An das
Landgericht
…
In der Strafsache
gegen …
rüge ich die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts hinsichtlich des Schöffen X.
1. |
Herr X nimmt an der heutigen Sitzung der III. Großen Strafkammer als Schöffe teil. Herr X wurde durch Urteil des Amtsgerichts F. am 27.2.2015 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Die Entscheidung ist rechtskräftig. |
2. |
Herr X ist nicht der gesetzliche Richter. Gemäß § 32 Nr. 1 GVG ist Herr X unfähig zur Ausübung des Amts eines Schöffen. Dies begründet die fehlerhafte Besetzung des Gerichts ( BGH 35, 28). |
[1]
KK- Gmel § 222b Rn. 5.
[2]
BGHSt 44, 161; BGH NStZ 2001, 491.
[3]
BGH StV 1999, 1, 2; Meyer-Goßner/Schmitt § 222b Rn. 7; LR- Jäger § 222b Rn. 18.
[4]
BGH NStZ 1996, 48; BGH StV 1997, 59.
[5]
Meyer-Goßner/Schmitt § 222b Rn. 7.
[6]
BGHSt 44, 361.
[7]
BGH NStZ 2005, 465.
Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung› X. Ablehnungsanträge
Der Umstand, ob ein Richter dem Angeklagten gewogen sei,oder nicht, ist für letzteren höchst bedeutungsvoll( Vargha Die Vertheidigung in Strafsachen, 1879, § 405) |
Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung› X. Ablehnungsanträge› 1. Ablehnung eines Richters
1. Ablehnung eines Richters
a) Vorüberlegungen des Verteidigers
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Ob der Verteidiger einen Ablehnungsantrag stellt oder nicht, wird nicht zuletzt von seiner prinzipiellen Haltung gegenüber diesem strafprozessualen Instrument bestimmt. Diese lässt sich nicht vorschreiben. Allerdings sollte der Verteidiger sich bereits grundsätzliche Gedanken hierzu gemacht haben, bevor er in einer konkreten Situation – wegen des Gebots der unverzüglichen Geltendmachung eines Ablehnungsgesuchs unter Zeitdruck – eine vielleicht weitreichende Entscheidung zu treffen hat. Nur wer für sich selbst bestimmte Kriterien entwickelt hat, an denen er das Für und Wider eines Ablehnungsantrages messen kann, ist in der Lage, im konkreten Fall eine rasche Entscheidung zu treffen.
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Übergeordnetes Kriteriumfür den Verteidiger ist das Interesse des Mandanten. Die erste Frage lautet daher: Welchen Nutzen und welchen Schaden kann ein Ablehnungsantrag dem Angeklagten bringen? Nur durch diese Objektivierung der Fragestellung kann es gelingen, die häufig zu beobachtende übergroße Ängstlichkeit im Umgang mit dem Befangenheitsantragsrecht auf der einen Seite, andererseits die (oft sehr verständliche, durch das Prozessgeschehen aufgeheizte) Emotionalität im Umgang damit in den Griff zu bekommen. Der Befangenheitsantrag sollte, jedenfalls aus der Sicht des Verteidigers, eine vom wohl verstandenen Mandanteninteresse geleitete Reaktion auf einen prozessual relevanten Sachverhalt sein, kein Routineantrag und keine unüberlegte Reaktion auf jede emotionale Regung des Richters, aber auch nicht auf eine solche des Mandanten. Diese rationale Sichtweise hindert nicht, den Befangenheitsantrag, wenn rechtliche oder psychologische Gründe dafür vorliegen, auch als prozesstaktisches Mittel einzusetzen.
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Bei der Beantwortung der Ausgangsfrage nach Schaden und Nutzen des Befangenheitsantrages für den Mandanten sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: Tatsächliche Befangenheit des Richters und die Möglichkeit einer erfolgreichen Ablehnung überschneiden sich nur teilweise. Voreingenommenheit ist ein innerer Vorgang, der nicht unbedingt nach außen, etwa durch abfällige Bemerkungen o.Ä. im Sinne eines Ablehnungsgrundes zum Ausdruck kommen muss. Auf der anderen Seite erfordert die begründete Richterablehnung nur die Besorgnis der Befangenheit, nicht deren tatsächliches Vorliegen. Die wirkliche Voreingenommenheit des Richters zu Ungunsten des Angeklagten (die gegenteilige sollte für die Verteidigung kein Problem sein und widerspruchslos akzeptiert werden) ist in vielen Fällen offensichtlich, bedarf in anderen Fällen aber einer durchaus guten Menschenkenntnis. Es erleichtert die Beurteilung, wenn der Verteidiger den Richter bereits aus anderen Verfahren kennt. Es gibt Richter, die dem Angeklagten an jedem Verhandlungstag mehrere stichhaltige Ablehnungsgründe bieten, von denen der Verteidiger aber weiß, dass der Mandant in der Sache eine günstige Entscheidung bekommen wird. In einem solchen Fall des tatsächlich nicht befangenen Richters, der (z.B. durch eine besonders raubeinige Art oder durch seine Offenheit im Dialog mit den anderen Prozessbeteiligten) ausreichend Ablehnungsgründe schafft, sollte es sich der Verteidiger sehr genau überlegen, ob er einen (voraussichtlich sogar erfolgreichen) Befangenheitsantrag stellt.
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Keiner großen Überlegung bedarf dagegen die Frage, ob ein Befangenheitsantrag gegen einen vom Verteidiger als tatsächlich befangen eingeschätzten Richter gestellt wird, wenn zudem auch noch ein Ablehnungsgrund vorliegt. Einen solchen Antrag zu unterlassen, wäre, falls nicht ausnahmsweise gewichtigere Gründe gegen den Antrag sprechen (etwa die Vermeidung einer Verfahrensverzögerung mit der Folge weiterer Inhaftierung des Angeklagten) ein schwerer Kunstfehler. Problematisch sind die Fälle, in denen bei einem tatsächlich befangenen Richter die Erfolgsaussicht des Ablehnungsantrages fraglich ist. In einem solchen Fall ist m.E. zu große Zurückhaltung fehl am Platz. Bei einem Richter, von dem der Angeklagte ohnehin keine Milde zu erwarten hat, ist der oft beschriebene Stimmungsverlust[1] auch für den Fall der Ablehnung des Befangenheitsantrags kein zusätzlicher großer Schaden. Inwieweit die Empfindlichkeit des durch einen Befangenheitsantrag „beleidigten“ Richters[2] auf seine Entscheidung Einfluss hat, kann ohnehin nur gemutmaßt werden. Untersuchungen hierzu sind nicht bekannt. Unterschätzt wird dagegen sicherlich die Wirkung, die ein solcher „Schuss vor den Bug“ zugunsten des Angeklagten haben kann. Der abgelehnte Richter weiß jedenfalls, dass die Verteidigung sich nicht alles gefallen lassen wird, abgesehen von dem (oft durchaus beabsichtigten) Nebeneffekt des Befangenheitsantrags, dass die dort vorgebrachten Gründe und dienstlichen Erklärungen für die Ablehnung aktenkundig gemacht werden.[3] Es dürfte einem Richter kaum angenehm sein, eine Stellungnahme dazu abgeben zu müssen, warum er etwa die Sacheinlassung des Angeklagten als „schwachsinnig“ bezeichnet hat,[4] oder wie er dazu kam, den Verteidiger als „Amokläufer“ zu titulieren.[5]
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