1 ...6 7 8 10 11 12 ...32 Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› IV. Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes vom 30.4.1998› 2. Wesentlicher Inhalt
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Das „Zeugenschutzgesetz“ führte vor allem die Video-Aufzeichnung von Zeugensog. vernehmungen und die zeitgleiche Bild-Ton-Übertragung von einem anderen Ort in die Hauptverhandlung ein. Besonders wichtige Neuregelungen betrafen die Möglichkeit der Bestellung von anwaltlichen Zeugen- und Verletztenbeiständen auf Staatskosten. Nach dem neuen § 68b StPO konnte einem Zeugen, der ersichtlich zur Wahrnehmung seiner Befugnisse nicht selbst in der Lage war, nunmehr für die Dauer seiner richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmung ein Zeugenbeistand beigeordnet werden, wenn anders seinen schutzwürdigen Interessen nicht genügt werden konnte. Mit der Regelung der §§ 397a sowie 406g StPO wurde es für den nebenklageberechtigten Verletzten möglich, sich auf Staatskosten einen Rechtsanwalt für die gesamte Verhandlung beiordnen zu lassen. Daneben enthielt das „Zeugenschutzgesetz“ eine geringfügige Erweiterung des Kataloges der zur Nebenklage berechtigenden Delikte. Für die Vernehmung von jugendlichen Zeugen sah das Gesetz einige Sonderregelungen vor.
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Mit dem „Zeugenschutzgesetz“ waren hohe Erwartungen in der Rechtspraxis verbunden. Der damit geschaffene weitreichende prozessuale Schutz von Zeugen war für nicht wenige Anlass zur Mahnung, den wesentlichen Zweck des Strafverfahrens, dem Beschuldigten ein rechtsstaatliches Verfahren und effektive Verteidigungsmöglichkeiten zu gewährleisten, nicht aus den Augen zu verlieren[5]. In der wissenschaftlichen Diskussion über den erreichten Zeugenschutz wurden verschiedene Aspekte herausgearbeitet, die einer weiteren Verstärkung des Zeugenschutzes entgegenstünden. Neben dem Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren, rückte mitunter auch das staatliche Interesse an der Tataufklärung in den Blickpunkt des Interesses: So sei bspw. ein grundsätzliches Recht auf Zeugnisverweigerung im Falle der Gefährdung auch deshalb zu weitgehend, weil andernfalls der Angeklagte durch Drohungen vorhandene Zeugen als Beweismittel ausschalten könnte[6].
[1]
Sog. „Mainzer Modell“; siehe LG Mainz NJW 1996, 208.
[2]
BR-Drucks. 13/4983 v. 19.6.1996.
[3]
BT-Drucks. 13/7165 v. 11.3.1997.
[4]
BGBl. I, 820 v. 8.5.1998.
[5]
vgl. etwa Rieß NJW 1998, 3240, 3243; Caesar NJW 1998, 2313, 2317.
[6]
BGHSt 33, 70; ausführlich vgl. dazu Teil 6.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› V. Täter-Opfer-Ausgleich – Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs vom 20.12.1999
V. Täter-Opfer-Ausgleich – Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs vom 20.12.1999
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Die Möglichkeiten sowie Vor- und Nachteile eines Täter-Opfer-Ausgleichs sind seit langem Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion[1]. Konkrete Gestalt hatte dieses Institut erstmals im Rahmen des sog. „Opferschutzgesetzes“ aus dem Jahre 1986[2] in der Weise angenommen, dass § 46 StGB entsprechend ergänzt wurde. Nachdem der Täter-Opfer-Ausgleich durch das „1. Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes“ vom 30.9.1990[3] in den Katalog möglicher Weisungen des JGG aufgenommen wurde, fügte schließlich das sog. „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ vom 28.10.1994[4] nach den Empfehlungen des 59. Deutschen Juristentags 1992 den § 46a StGB in das Strafgesetzbuch ein. Dennoch blieb das Rechtsinstitut in der Praxis nahezu bedeutungslos. Um dem Täter-Opfer-Ausgleich mehr Geltung zu verschaffen, wurde dieser schließlich durch das „Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs“ vom 20.12.1999[5] im Katalog des § 153a Abs. 1 S. 2 StPO sowie in § 155a StPO verankert. Dadurch erhielt dieser auch eine verfahrensrechtliche Grundlage.[6]
[1]
Einen Überblick über die Positionen der Befürworter liefert BMJ (Hrsg.) TOA in Deutschland, 1998; ablehnend z.B. Naucke Neue Kriminalpolitik 1990, 13-17.
[2]
BGBl. I, 2496 v. 24.12.1986.
[3]
BGBl. I, 1853 v. 5.9.1990.
[4]
BGBl. I, 3186 v. 4.11.1994.
[5]
BGBl. I, 2491 v. 27.12.1999.
[6]
ausführlich zu TOA, vgl. Teil 6 Rn. 177 ff.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› VI. Rahmenbeschluss 2001/220, JI des Rats über die Stellung von Opfern im Strafverfahren vom 15.3.2001 – Richtlinie 2004/80/EG des Rats der Europäischen Union vom 29.4.2004
VI. Rahmenbeschluss 2001/220, JI des Rats über die Stellung von Opfern im Strafverfahren vom 15.3.2001 – Richtlinie 2004/80/EG des Rats der Europäischen Union vom 29.4.2004
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Auf Europäischer Ebene wurde im Jahre 2001 durch den ER der „Rahmenbeschluss über die Stellung von Opfern im Strafverfahren“ verabschiedet.[1] Darin waren Mindeststandards für den Schutz des Verletzten definiert, die von den Mitgliedsstaaten bis März 2006 umzusetzen waren. Dieser Rahmenbeschluss war einer der wesentlichen Impulse für den deutschen Gesetzgeber, neuerlich auf dem Gebiet des Schutz des Verletzten tätig zu werden.[2] Ergebnis dieser gesetzgeberischen Bemühungen um eine weitere Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafprozess war das „Opferrechtsreformgesetz“ vom 24.6.2004.[3].
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Auch auf dem Gebiet der Entschädigung von Verletzten wurde die EU eingehend tätig. Mit der „Richtlinie zur Entscheidung der Opfer von Straftaten“ vom 29.4.2004[4] wurde das Ziel verfolgt, ein funktionierendes System der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten zu errichten, um in grenzüberschreitenden Fällen den Betroffenen von Straftaten die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen zu erleichtern. Von vorsätzlichen Gewalttaten Betroffene sollten demnach das Recht erhalten, einen Antrag auf Entschädigung bei der zuständigen Behörde des eigenen Heimatlandes stellen zu können, obwohl die Straftat in einem anderen Mitgliedsstaat stattgefunden hatte.[5]
[1]
ABl. EG 2001, L 82/1 v. 22.3.2001.
[2]
BT-Drucks. 15/1976 v. 11.11.2003, S. 14.
[3]
Vgl. hierzu die Darstellung unter Teil 1, VII.,
[4]
ABl. EU 2004, L 261/15 v. 6.8.2004.
[5]
vgl. dazu weitergehend Barton/Kölbel Ambivalenzen der Opferzuwendung des Strafrechts, S. 87 f.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› VII. Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren vom 24.6.2004
VII. Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren vom 24.6.2004
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› VII. Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren vom 24.6.2004› 1. Vorgeschichte
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Mit dem sog. „Opferrechtsreformgesetz“[1] setzte der Gesetzgeber seine Bemühungen fort, die Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren zu verbessern. Dabei berücksichtigte er mehrere Kritikpunkte, die in der rechtswissenschaftlichen Diskussion in Bezug auf die bis dahin vorgenommenen Gesetzesänderungen vorgebracht wurden. Die Belastungen des Verletzten im Strafprozess sollten durch eine stärkere Interessenvertretung im Strafverfahren weiter verringert werden, ohne allerdings die Verteidigungsinteressen des Beschuldigten einzuschränken.
Die Schwerpunkte des Gesetzes lagen im Bereich der Stärkung der Verfahrensrechte, der Erweiterung der Informationsrechte, der Verbesserung der Information über diese Rechte, der Reduzierung der Belastung von Zeugen, einer verbesserten Schadenswiedergutmachung sowie einer verstärkten Einbindung in das Verfahren.[2] Damit verlieh der Gesetzgeber dem Gedanken, dass Strafverfahren auch dem Zweck dienen, dem Verletzten Genugtuung und einen Schadensausgleich zu verschaffen, abermals Nachdruck.[3] Wie beim „Zeugenschutzgesetz“ bedurften die Gesetzesentwürfe einer Überarbeitung durch den Vermittlungsausschuss[4], bevor das Gesetz – entsprechend der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses[5] – verabschiedet und am 1.9.2004 in Kraft treten konnte.
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