1 ...7 8 9 11 12 13 ...32 Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› VII. Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren vom 24.6.2004› 2. Wesentlicher Inhalt
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Das Gesetz enthielt zunächst einige Änderungen bezüglich der Nebenklage. Insbesondere wurde neben einigen Klarstellungen erneut der Katalog der zur Nebenklage berechtigenden Straftaten erweitert. Nahen Angehörigen von Verletzten wurde das Recht auf Bestellung eines anwaltlichen Nebenklagevertreters auf Staatskosten gem. § 397a Abs. 1 StPO eingeräumt.
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Im Bereich der allgemeinen Verletztenrechte wurden insbesondere die Informationsrechte des Verletzten sowie die Hinweispflichten der Strafverfolgungsbehörden erweitert. Zudem wurde der Zeugenschutz durch das Schließen von Lücken bei den bisher bestehenden Rechten des Zeugen weiter verbessert.[6]
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Gewichtige Änderungen brachte das „Opferrechtsreformgesetz“ bei den Regelungen des Adhäsionsverfahrens. Einige bis dahin bestehende Unklarheiten wurden durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen beseitigt, wie z.B. die Frage danach, wann die Wirkungen eintreten, wie sie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit zur Folge hat. § 404 Abs. 2 S. 2 StPO besagte nunmehr ausdrücklich, dass dies mit Eingang des Antrags bei Gericht geschehen soll. Im Rahmen des Verfahrens bestand außerdem wie bis dato die Möglichkeit, einen Vergleich zu schließen. Neu war der Anspruch darauf, diesen gem. § 404 Abs. 1 S. 1 StPO protokollieren zu lassen. Außerdem war vorgesehen, dass das Gericht bei übereinstimmenden Anträgen einen eigenen Vergleichsvorschlag unterbreiten soll. Vor allem aber wurde die Möglichkeit des Absehens von der Entscheidung über den Antrag im Adhäsionsverfahren stark eingeschränkt. Während bis zu diesem Zeitpunkt als einziges gesetzliches Kriterium die nicht näher definierte „Ungeeignetheit“ existierte, konnte gem. § 406 Abs. 1 S. 6 und 3 StPO nunmehr von einer Entscheidung über eine Schmerzensgeldforderung nur noch abgesehen werden, wenn der Antrag unzulässig oder unbegründet war. Unter bestimmten Voraussetzungen stand dem Adhäsionskläger mit der sofortigen Beschwerde außerdem auch eine Rechtsmittelbefugnis gegen das Absehen von der Entscheidung zu. Schließlich hatte der Gesetzgeber durch das „Opferrechtsreformgesetz“ geregelt, dass künftig im Adhäsionsverfahren ein Anerkenntnisurteil ergehen konnte.
[1]
BGBl. I, 1354 v. 30.6.2004.
[2]
Hilger GA 2004, 478.
[3]
Neuhaus StV 2004, 620; zur Opfergenugtuung vgl. auch Kölbel StV 2014, 698 ff., insbesondere 701 ff.; Jahn Rationalität und Empathie, S. 145 ff.
[4]
BT-Drucks. 15/2906 v. 6.4.2004.
[5]
BT-Drucks. 15/3062 v. 5.5.2004.
[6]
Zu den Informationsrechten des Verletzten im Zusammenhang von Opferschutz und Strafvollzug vgl. Gelber/Walter NStZ 2013, 75, 78 ff.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› VIII. Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24.8.2004
VIII. Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24.8.2004
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Nur kurz soll an dieser Stelle auf das „Gesetz zur Modernisierung der Justiz“ vom 24.8.2004[1] hingewiesen werden, da es im Hinblick auf die Stellung des von einer Straftat Betroffenen im Strafprozess kaum Änderungen mit sich brachte. Erwähnenswert sind diesbezüglich allerdings die Änderungen der Regeln über die Zeugenvereidigung in der StPO, die auch den Verletztenzeugen betrafen. Während bislang nach §§ 59, 60 StPO ein Zeuge vereidigt werden musste, sofern nicht Ausnahmen vorgeschrieben oder zugelassen waren, geschah dies ab diesem Zeitpunkt nur noch, wenn das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage die Vereidigung für erforderlich hielt. Damit griff der Gesetzgeber die seit Jahren geäußerten Bedenken gegen die vorherige gesetzliche Regelung auf und trug außerdem der Tatsache Rechnung, dass in der Praxis die vorgesehene Regelvereidigung ohnehin mehr und mehr zum Ausnahmefall geriet, insbesondere gem. § 61 Nr. 2 StPO a.F. beim Verletzten und wegen des sonst allgemein üblichen Verzichts auf eine Vereidigung entsprechend § 61a Nr. 5 StPO[2]. Der Neufassung lag die Auffassung zugrunde, dass die Regelvereidigung nicht mehr zeitgemäß sei, da sie unter den herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen zur Wahrheitsfindung ungeeignet geworden sei.[3] Das Bewusstsein um den gesteigerten Beweiswert der beschworenen Aussage würde den Zeugen geradezu in den Meineid treiben.[4]
[1]
BGBl. I, 2198 v. 30.8.2004.
[2]
Huber Erstes Gesetz zur Modernisierung der Justiz – Änderungen der Strafprozessordnung, JuS 2004, 970.
[3]
Schünemann in FS Meyer-Goßner, 385, 386f., 393.
[4]
Neuhaus StV 2005, 47 unter Verweis auf LR-StPO/ Dahs § 59, Rn. 1; SK-StPO- Rogall Vor § 48 Rn. 130.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› IX. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren vom 29.7.2009
IX. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren vom 29.7.2009
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› IX. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren vom 29.7.2009› 1. Vorgeschichte
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Mit dem am 1.10.2009 in Kraft getretenen sog. „2. Opferrechtsreformgesetz“ vom 29.7.2009 [1] hatte der Gesetzgeber eine Entwicklung fortgesetzt, die den Strafprozess in seiner Gesamtheit erheblich beeinflusste. Die Reform nahm rechtspolitische Impulse und Hinweise aus der Wissenschaft und Praxis auf und stärkte weiter die Beteiligungsrechte der Verletzten und der Zeugen im Strafprozess. Dagegen erhob sich heftige Kritik, weil eine zu große Einflussnahmemöglichkeit des Verletzten zu Lasten des Beschuldigten befürchtet wurde.[2]
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten› IX. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren vom 29.7.2009› 2. Wesentlicher Inhalt
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Das Gesetz schloss an die mit dem „Opferschutzgesetz“ begonnenen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Verbesserung der Rechte von Verletzten an, die zuletzt mit dem „Opferrechtsreformgesetz“ vom 24.6.2004 fortgeführt worden waren. Es sah dabei eine weitere Stärkung der Rechte der Verletzten und Zeugen von Straftaten vor allem in drei zentralen Bereichen vor: Die Stärkung der Verfahrens- und Informationsrechte des Verletzten mit weiterer Ausprägung der Nebenklage, die Heraufsetzung der Schutzaltersgrenze für Kinder und Jugendliche, die von Straftaten betroffen worden waren oder als Zeugen aussagen mussten, von 16 auf 18 Jahre sowie schließlich die Verbesserung der Rechtsstellung der Zeugen mit einer Vereinfachung der Beiordnung eines Rechtsanwalts.
a) Stärkung der Verfahrens- und Informationsrechte von Verletzten im Strafverfahren
aa) Nebenklage und Verletztenanwalt
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Der Straftatenkatalog der nebenklagefähigen Delikte in § 395 StPO wurde ebenso wie der Katalog nach § 397a Abs. 1 StPO neu gefasst, wobei sich die Änderungen vor allem an der Schwere der Tatfolgen für den Verletzten orientierten. Eine Berechtigung zur Nebenklage war insbesondere dann gegeben, wenn der Verletzte durch ein gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtetes Aggressionsdelikt verletzt worden war. Der Straftatenkatalog des § 395 StPO wurde bspw. um das Delikt der Nötigung in besonders schweren Fällen nach § 240 Abs. 4 StGB a.F. erweitert, womit auch die Zwangsverheiratung mit ihren erheblichen Folgen für die Betroffene erfasst wurde. Auch Fälle von besonders schwerem Stalking nach § 238 StGB fielen ab diesem Zeitpunkt darunter.
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