Während der Schutzzeit dürfen Einsatzgeschädigte wegen einer durch den Einsatzunfall bedingten Dienstunfähigkeit nur auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt oder entlassenwerden. Die Schutzzeit endet mit der Feststellung, dass die o.g. Ziele erreicht sind oder voraussichtlich nicht mehr erreicht werden können (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EinsatzWVG), spätestens fünf Jahre[403] nach dem Beginn beruflicher Qualifizierungsmaßnahmen oder mit Ablauf des Monats, in dem die Einsatzgeschädigten das 65. Lebensjahr vollenden (§ 4 Abs. 3 Satz 2-4 EinsatzWVG).
121
Im Hinblick darauf, dass BS durch die Regelung des § 3 Abs. 2und die finanzielle Absicherung durch das SVG hinreichend geschützt sind, sieht das EinsatzWVG für alle anderen Wehrdienstverhältnisse, die sonst während der Schutzzeit durch Zeitablauf (nicht wegen Dienstunfähigkeit) enden würden oder aus diesem Grund zu beenden wären, den Eintritt in ein Wehrdienstverhältnis besonderer Art[404] vor, in dem Einsatzgeschädigte die Rechtsstellung eines SaZ haben (§ 6 Abs. 1 und 2 EinsatzWVG). Hat das Wehrdienstverhältnis bereits durch Zeitablauf geendet oder ist es aus diesem Grund beendet worden und ist die gesundheitliche Schädigung erst danach erkannt worden (Stichwort: posttraumatische Belastungsstörungen), besteht nach § 6 Abs. 5 und 6 EinsatzWVG unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Wiedereinstellung in ein Wehrdienstverhältnis besonderer Art zur Gewährleistung der Schutzzeitregelung, wie sie bei rechtzeitigem Erkennen der Schädigung zu gewähren gewesen wäre.
122
Einsatzgeschädigte, deren Erwerbsfähigkeit infolge des Einsatzunfalls am Ende der Schutzzeit um mindestens 30 Prozent gemindert ist, haben – sofern sie keine für sie festgesetzte besondere oder allg. Altersgrenze erreicht oder überschritten haben – nach § 7 EinsatzWVG bedarfsunabhängigungeachtet der in § 39genannten Voraussetzungen Anspruch auf Berufung in das Dienstverhältnis eines BS[405], nachdem sie sich im unmittelbaren Anschluss an die Schutzzeit in einer Probezeit von sechs Monaten[406] bewährt haben. An Stelle der körperlichen Eignung nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 muss lediglich Dienstfähigkeit[407] vorliegen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4 EinsatzWVG).
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Wie bereits das Einsatzversorgungsgesetz[408], das die Einsatzversorgung nach dem SVG deutlich verbessert hat, ist das EinsatzWVG hins. des Gleichbehandlungsgrds.kritisch zu betrachten. Ein Inlandsdienstunfall mit gleichen oder sogar schwerwiegenderen Schädigungsfolgen wird wesentlich schlechter behandelt als eine im Ausland erlittene Schädigung. Dies gilt umso mehr, als nicht jede „besondere Auslandsverwendung“ nach § 63c SVG[409] von einer besonderen Gefährdungslage geprägt sein muss.[410] Wenn dann noch aus falsch verstandener Fürsorge eine großzügige Praxis der Anerkennung von Schädigungen als Einsatzunfall hinzutritt, kann auch der Aufopferungsgedanke (vgl. die Komm. zu § 3 Abs. 2, o. Rn. 114) diese Privilegierung nicht rechtfertigen. Eigentlicher Grund für die Verabschiedung des EinsatzWVG war die hinter der Versorgung der BS deutlich zurückbleibende Versorgung für die nach dem WPflG und dem Vierten Abschnitt des SG Wehrdienst leistenden Soldaten. Dieser Lücke des Einsatzversorgungsgesetzes hätte systemkonform und rechtl. unbedenklich durch eine Gleichbehandlung von Dienstunfällen im In- und Ausland sowie durch Ausdehnung der BS-Versorgung auf alle Soldaten Rechnung getragen werden können.
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Besonders krit. zu sehen ist auch die durch das EinsatzVVerbG auf polit. und gewerkschaftlichen Druck[411] bewirkte Absenkung desfür eine Weiterverwendung notwendigen Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit(MdE) in § 7 Abs. 1 Satz 1 EinsatzWVG auf gerade noch 30 Prozent. Ob angesichts dieses niedrigen Grades der MdE wirklich noch von „extremen Härtefällen“ gesprochen werden kann, in denen „ausnahmsweise dem Sozialstaatsprinzip höheres Gewicht [zuzumessen sei] als dem den Zugang zu öffentlichen Ämtern zugrunde liegenden Leistungsprinzip“[412], erscheint äußerst zw. Der Fraktionsantrag[413] begründet die Notwendigkeit zur Absenkung damit, gerade bei psychischen Erkrankungen existiere keine sog. Gliedertaxe, vielmehr müsse der Grad der Schädigung jew. individuell ermittelt werden, „wobei das Erreichen der 50 Prozent regelmäßig äußerst schwierig ist, da die Erwerbsminderung, anders als z.B. bei einem fehlenden Arm oder Bein, nicht von außen erkennbar“ sei. Diese eher ratlos machende Begr. (was soll hier anders sein als in sonstigen Fällen psychischer Erkrankungen in anderen Teilen des öff. Dienstes, z.B. bei Angehörigen der Feuerwehr, medizinischem Rettungspersonal, Polizeibeamten?) scheint den VertA bewogen zu haben, auf eine Begr. gänzlich zu verzichten[414] und sich statt dessen mit einem Prüfauftrag an die Exekutive zu den Folgen der Absenkung der MdE nach zwei Jahren zu begnügen. Dem Problem der Gleichbehandlung wird damit nur ausgewichen.
[1]
So Eichen in der 3. Aufl.
[2]
Vgl. Reimer , Juristische Methodenlehre, 2016, 101.
[3]
Vgl. exemplarisch BVerwG, Beschl. v. 19.8.2019 – 1 WB 10/19, Rn. 18, m.w.N.
[4]
Grundlegend BVerfG, Urt. v. 26.2.1954, 1 BvR 371/52, BVerfGE 3, 282-352.
[5]
Badura in: Maunz/Dürig, GG, Lfg. 73 (Dez. 2014) Art. 33 Rn. 25.
[6]
BT-Drs. II/1700, 17.
[7]
Dass § 3 Abs. 1, anders als § 9 Satz 1 BBG, nach seinem Wortlaut nicht auf Bewerber Anwendung findet, ist bei den parlamentarischen Beratungen nicht zur Sprache gekommen.
[8]
Heute § 4 Abs. 1 Nr. 3.
[9]
Abg. Dr. Kihn (CDU/CSU) am 18.11.1955 im Rechtsausschuss, vgl. Prot. Nr. 86, 10.
[10]
Ebd. Pikanterweise hatte der Vorsitzende des Rechtsausschusses (Abg. Hoogen [CDU/CSU]), der die Wortwahl zunächst bemängelt hatte, die Streichung des Hinw. auf „Beziehungen“ abgelehnt, weil aus der Streichung gefolgert werden könnte, bei der Ernennung o. Verwendung der Soldaten dürften Beziehungen eine Rolle spielen. Warum der Hinw. später im VertA gestrichen wurde, ist den Motiven nicht zu entnehmen. Auch ohne das ausdrückliche Verbot der Berücksichtigung von Beziehungen in Abs. 1wäre eine hierdurch motivierte Ernennung/Verwendung unzulässig. Dies ergibt sich unmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 GG.
[11]
Nach GKÖD I L, § 9 Rn. 101, sind „Beziehungen“ als verpöntes Auswahlkriterium ein Auffangtatbestand, um jede sachfremde Einflussnahme auszuschließen, die auf persönlichen Bindungen beruht. Die Auswahl sei rein leistungsbezogen zu treffen. Persönliche u. gesellschaftliche Kontakte wie die Zugehörigkeit zu Vereinen (Parteien!) o. sonstige Beziehungen sollten die Auswahl nicht beeinflussen (bei Parteizugehörigkeit hilft i.d.R. bereits das verpönte Merkmal der polit. Anschauungen). Dies gilt auch im mil. Bereich.
[12]
BGBl. I S. 2113.
[13]
Zunächst nur als SanOffz.
[14]
G zur Umsetzung europäischer RL zur Verwirklichung des Grds. der Gleichbehandlung, BGBl. I S. 1897.
[15]
BGBl. I S. 3592. Das G ist nach seinem Art. 11 Abs. 1 rückwirkend zum 1.12.2002 in Kraft getreten.
[16]
Vgl. exemplarisch BVerwG, Beschl. v. 21.10.2019, 1 WDS-VR 12/19, m.w.N.
[17]
St.Rspr., vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.10.2018 – 1 WDS-VR 5/18, Rn. 22 m.w.N.
[18]
BVerwG, Beschl. v. 29.4.2010, 1 WDS-VR 2/10, DokBer 2010, 263.
[19]
Wer Soldat ist, bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 1.
[20]
Der in dieser Best. genannte „andere Bewerber“ wird zu der Eignungsübung einberufen u. ist Soldat.
[21]
§ 9 Satz 1 BBG gilt ausdrücklich für Bewerber um ein Beamtenverhältnis. Die amtl. Begr. zu § 3des REntw. nahm nur Bezug auf die für eine Auslese maßgeblichen Grds. entspr. Art. 3 Abs. 3 GG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. (vgl. o. Rn. 3). Deshalb ist aus systematischen Gründen nicht an eine Einbeziehung von Bewerbern außerhalb eines Soldatenverhältnisses zu denken. Der Entstehungsgeschichte des § 3ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.
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