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Nach Art. 87a Abs. 1 GG ist das innere Gefüge der SK so zu gestalten, dass diese ihren mil. Aufgaben gewachsen sind.[364] Wollte man die geforderten Mindestwartezeiten unter Zurückstellung des Leistungsgrds. mit Art. 87a GG rechtfertigen, wäre nachzuweisen, dass sie für die Funktionsfähigkeit der SK unabdingbar und für eine die Einsatzbereitschaft stützende Personalführung von ausschlaggebender Bedeutung seien. Hierfür ist, soweit es sich bei den Wartezeiten nicht um notwendige Bewährungszeiten handelt, kein sachlicher Grundersichtlich. Wartezeiten machen im Rahmen eines Laufbahnmodells Beförderungen von einem Mindestdienst- und damit erfahrungsgemäß Lebensalter abhängig. Sie bewirken, dass in bestimmte Dienstgrade Soldaten erst ab einem bestimmten Dienstalter (damit in einem bestimmten Altersband) befördert werden können. Wer 16 Jahre Fw-Dienstzeit benötigt, um StFw werden zu können, ist i.d.R. nicht jünger als 40 Jahre. Diese altersmäßige Exklusivität ist im Hinblick auf die Einsatzbereitschaft und einen homogenen Altersaufbau der SK ohne Belang. Ob ein Zug Soldaten seine Befehle von einem 37-jährigen oder einem 43-jährigen StFw erhält, ist für die Auftragserfüllung ohne Bedeutung. Keinem von beiden kann nur aufgrund des Alters die grds. Eignung als Vorg. mit diesem Dienstgrad abgesprochen werden. Das Alterist in diesem Fall kein Eignungskriterium. Somit kann es die vorrangigen Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und Leistung nicht verdrängen. Auch die Alterspyramide der Uffz ändert sich nicht, weil eine Beförderung keinen Einfluss auf die besondere Altersgrenze für BerufsUffz (§ 45 Abs. 2 Nr. 5) hat.
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Ein längeres Dienstalterwirkt sich nicht per se leistungssteigernddurch vermehrte Berufserfahrung aus. Dies kann(möglicherweise in der Mehrzahl der Fälle), mussaber nichtsein. Es gibt keinen allg.gültigen Erfahrungssatz, mit zunehmendem (Dienst- oder Lebens-)Alter erhöhten sich automatisch Leistungsfähigkeit und Fachwissen.[365] Sollte es im Einzelfall so sein, müsste sich dies im Ergebnis der Leistungsbeurteilung des dienstälteren Soldaten widerspiegeln.[366] Sonst kann ein längeres Dienstalter zwischen im Wesentlichen gleich gut beurteilten Soldaten nurals Hilfskriteriumbei Auswahlverfahren dienen.
Wartezeiten schwächendie Motivationinsgesamt: Wer warten muss, sieht keinen Sinn darin, sich besonders anzustrengen, weil er während der Wartezeit auch durch Spitzenleistungen keine vorzeitige Förderung erreichen kann. Lebensältere werden keine besonderen Aktivitäten entfalten, weil sie früher oder später – die Wartezeit schließt die Konkurrenz aus – gleichwohl zum Zuge kommen. Nur Wettbewerb untereinander schafft Leistungsanreize und motiviert individuell. Leistungskonkurrenz führt zur bestmöglichen Besetzung von Dienstposten und gewährleistet die Schlagkraft der SK zur möglichst effektiven Aufgabenwahrnehmung. Die Besetzung höherwertiger Dienstposten mit Leistungsschwächeren, aber Lebensälteren führt zu einer schlechteren Aufgabenerledigung.
Die Verwendungsbeschränkung von Soldaten infolge laufender disziplinarischer Ermittlungen(„keine Förderung und keine Beförderung“) ist nicht unumstritten,[367] begegnet aber zu Recht keinen grds. Bedenken.[368] Denn es ist mit dem nach dem Grundgesetz allein zulässigen Zweck des Disziplinarrechts[369] nicht vereinbar, bei einem Verdacht von Dienstpflichtverletzungen gegen einen Soldaten diesen unbefangen weiter zu verwenden oder gar zu ernennen, da disziplinare Vorwürfe (d.h. Beanstandung von Dienstausübung oder persönlichem Verhalten) i.d.R. berechtigte Zweifel an der Eignung des Soldaten auslösen.[370] Hier entscheidungserheblich sind jedoch vielmehr ein zutreffendes Verständnis von dem Verdachtsbegriff, der Ermittlungsdauer sowie der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werdenden Einzelfallbetrachtung.
dd) Vom Dienst freigestellte oder entlastete Soldaten
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Probleme bereitet eine Bestenausleseunter Einbeziehung vom Dienst freigestellter oder entlasteter Soldaten. Hierzu gehören insbes. Soldatenvertreter in Personalvertretungen, die von ihrer dienstl. Tätigkeit freigestellt werden, hierdurch aber keine Beeinträchtigung ihres beruflichen Werdegangs erleiden dürfen[371] (§ 8, § 46 Abs. 3 Satz 1 und 6 BPersVG i.V.m. § 51 Abs. 3 SBG). Entspr. gilt dies für mil. Gleichstellungsbeauftragte, die nach § 18 Abs. 2a Satz 1 SGleiG von ihrer dienstl. Tätigkeit grds. ganz zu entlasten sind und nach § 18 Abs. 5 SGleiG wegen ihrer Tätigkeit in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen. Ihnen ist die fiktive Nachzeichnungihres beruflichen Werdegangs im Hinblick auf die Einbeziehung in Personalauswahlentscheidungen zu gewährleisten.[372] In allen Fällen besteht die Schwierigkeit, dass diese Personen keine dienstl., einer Beurteilung zugängliche Tätigkeit ausüben und dass ihr Wirken als Interessenvertreter nicht bewertet werden darf.
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Aus dem Benachteiligungsverbot folgt, dass vom Dienst freigestellten Soldaten weitgehend jene berufliche Entwicklung zu eröffnen ist, die sie ohne ihre Tätigkeit im Personalrat oder als Gleichstellungsbeauftragte nehmen könnten. Das gilt insbes. für die Teilnahme an Beförderungskonkurrenzen. Unberücksichtigt muss bleiben, dass diese Soldaten nach der Beförderung wegen der andauernden Freistellung oder Entlastung vom Dienst keinen mil. Dienst leisten können. Außerdem muss ihnen, sofern auf eine aktuelle Beurteilung nicht zurückgegriffen werden kann, zur Vergleichbarkeit mit den aktuellen Beurteilungen der Mitbewerber ein Ersatz bereitgestellt werden, der ihnen eine Konkurrenz ermöglicht.
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Nach der Rspr. des BVerwG liegt das Verfahrenzur Verwirklichung einer Vergleichbarkeit, insbes. im Hinblick auf fehlende dienstl. Beurteilungen, im pflichtgemäßen Ermessendes Dienstherrn.[373] Er entscheidet, auf welche Weise er sicherstellt, dass die Freistellung nicht zu einer Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führt.[374] Er darf typisierend vorgehen, den Aufwand zur Ermittlung einer fiktiven Laufbahnentwicklung in praktikablen Grenzen halten und die Erörterung von Personalangelegenheiten anderer Soldaten auf das unvermeidliche Maß beschränken.
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Praxis des BMVg ist es, für die Entscheidung über die Förderung vom Dienst freigestellter oder entlasteter Soldaten eine Laufbahnentwicklung fiktiv nachzuzeichnen(vgl. für Beamte auch § 33 Abs. 3 BLV). Nach der ZDv A-1340/49 Nr. 201 ist die Beförderung eines Soldaten allerdings grds. nur zulässig, wenn dessen Verwendung auf einem im Frieden zu besetzenden Dienstposten, dessen Bewertung mindestens dem Beförderungsdienstgrad entspricht, verfügt und als Personalmaßnahme wirksam geworden ist sowie eine besetzbare Planstelle vorhanden ist. Die Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten ist Voraussetzung für eine spätere Beförderung.[375] Dieses gestufte Modell (Versetzung vor Beförderung) gilt auch für freigestellte Personalratsmitglieder. Um sie trotz der Freistellung befördern zu können, hat das BMVg das Institut der fiktiven Versetzungauf einen höher bewerteten Dienstpostengeschaffen. Auch insoweit handelt es sich aber um eine förmliche, dem Soldaten schriftl. mitzuteilende Versetzungsentscheidung. Erst mit der fiktiven Versetzung werden freigestellte Soldaten in die Bewerberauswahl für Beförderungsentscheidungen einbezogen.[376]
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