[1]
Allg. Teil des Strafrechts 1951, 57.
[2]
Schroeder FS Welzel 860.
[3]
Nach Jakobs in: Bernsmann/Ulsenheimer (Hrsg.), Bochumer Beiträge zu akt. Strafrechtsthemen, 2002, 63 ff. sind die Delikte gegen die Person keine Rechtsguts-, sondern Rechtsverletzungen (mit Folgen für die Auslegung der Nötigung, der Täuschung und der Vermögensdelikte).
[4]
Eingehend Schroeder FS Welzel 864 f.
[5]
Vgl. Klein , Grundsätze des gemeinen dtsch. und preuß. peinlichen Rechts, 1796, §§ 481 ff.
[6]
5. Aufl. 386, Nachtrag I 30.
[7]
Näher Schroeder Staatsschutz 309.
[8]
Wessels/Hettinger/Engländer, Wessels/Hillenkamp; Rengier; Küpper/Mitsch; Hohmann/Sander; Kindhäuser/Eisele .
[9]
Grotesk allerdings das Lehrbuch von Küpper/Mitsch , bei dem der Teil 1 (Delikte gegen Rechtsgüter der Person und der Gemeinschaft) 208 S. umfasst, der Teil 2 (Vermögensdelikte) dagegen zwei Teilbände mit zusammen 1114 S. Systematisch unglücklich auch, dass bei Rengier die Vermögensdelikte den Teil I bilden.
1. Abschnitt Straftaten gegen Persönlichkeitswerte
1. Abschnitt Straftaten gegen Persönlichkeitswerte
1. Abschnitt Straftaten gegen Persönlichkeitswerte› 1. Kapitel Straftaten gegen das Leben
1. Kapitel Straftaten gegen das Leben
§ 1 System und Umfang des Lebensschutzes im Strafrecht
Schrifttum:
Gropp, Der Grundsatz des absoluten Lebensschutzes und die fragmentarische Natur des Strafrechts, Brauneck-Ehr., 1999, 285; Ingelfinger, Grundlagen und Grenzbereiche des Tötungsverbots, 2004; Laber, Der Schutz des Lebens im Strafrecht, 1997.
I. Die Systematik des Abschnitts „Straftaten gegen das Leben“
1
Das StGB bezeichnet den Inhalt des 16. Abschnittes des Besonderen Teils mit den §§ 211–222 als „Straftaten gegen das Leben“. Angesichts der Pönalisierung der grundlosen Tötung von Wirbeltieren im Tierschutzgesetz von 1972 (s. Tlbd. 2 § 59 IV) müsste die Überschrift genau „Straftaten gegen das menschlicheLeben“ lauten. Der Begriff des menschlichen Lebens ist weit gespannt, der ihm gewährte Schutz umfassend: die §§ 211–216 behandeln die vorsätzlichen Straftaten gegen das Leben (u. § 2); § 217 erfasst mit der Förderung der Selbsttötung eine Lebensgefährdung (s.u. Rn. 23). § 221 umreißt als „Aussetzung“ einen Teil der vorsätzlichen Lebensgefährdungen (u. § 4 II); § 222 endlich bildet den Tatbestand der fahrlässigen Tötung (u. § 3).
2
Bemerkenswerterweise betrachtet der 16. Abschnitt auch den Schwangerschaftsabbruch ( §§ 218–219b) als Straftat „gegen das Leben“[1]. Entwicklungsbiologisch ist auch die Frucht, das „werdende Leben“, schon menschliches Leben und als solches schutzwürdig. In der sozialen und damit strafrechtlichen Wertung kann aber das werdende Leben nicht den gleichen Rangwert beanspruchen wie das bereits aus dem Schoß der Mutter gelöste Leben des Menschen; dies zeigt sich insbesondere in Kollisionsfällen zwischen beiden Gütern. Der Schutz des werdenden Lebens ist daher gesondert zu behandeln (u. §§ 5–7)[2]. Das gleiche gilt für § 6 VStGB, der unter der irreführenden Bezeichnung „Völkermord“ Handlungen zur – nicht notwendig physischen – Zerstörung nationaler, rassischer, religiöser oder ethnischer Gruppen erfasst (Tlbd. 2 § 89 I).
3
Durch die Abschaffung der Vorschriften für den Zweikampfmit tödlichen Waffen (15. Abschnitt i.d.F. von 1871) durch das 1. StrRG 1969 sind einerseits privilegierende Sondervorschriften für die Tötung aufgehoben und die entsprechenden Verhaltensweisen in die Tötungstatbestände zurückgefallen, andererseits zusätzliche Lebensgefährdungstatbestände als nicht mehr erforderlich beseitigt[3].
4
Im Übrigen beschränkt sich das StGB im 16. Abschnitt entsprechend der traditionellen Einteilung auf den Schutz des Lebens als solchen. Außerhalb des Abschnittes und damit auch unserer Darstellung bleiben die Tatgruppen, in denen die Lebensvernichtung nur Anknüpfungsmoment mit qualifizierender Wirkungfür solche Straftaten darstellt, die sich primär gegen andere Güter wenden, wie z.B. Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178), Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227), Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 4), Raub mit Todesfolge (§ 251), ferner die allgemeinen Gefährdungstatbestände, die zwar vornehmlich ebenfalls das Leben, daneben aber auch andere Rechtsgüter schützen (Tlbd. 2, §§ 51 ff.).
Überblick über die Versuche zur kriminologischenSystematisierung der Tötungsdelikte und umfangreiches statistisches Material bei Dotzauer/Jarosch : Tötungsdelikte, 1971.
[1]
Noch weitergehend Hofmann ÖJZ 63, 284: Abtreibung als privilegierter Fall des Totschlags.
[2]
Binding I 22 ff. und Eser/Sternberg-Lieben S/S Vor §§ 211 ff. 1 unterscheiden das geborene und das ungeborene Leben.
[3]
Hierzu eingehend Baumgarten , Zweikampf – §§ 201–210 a.F. StGB. Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1870 bis zur Aufhebung der Zweikampfbestimmungen, 2002.
II. Die „Absolutheit“ des Lebensschutzes
5
Das Strafrecht betrachtet das menschliche Leben als eine biologisch-soziologisch untrennbar verbundene Erscheinung; es sieht in ihm einen Vorgang, dessen einzelne Phasen vom Beginn der Menschwerdung bis zum Ende des Lebensprozesses gleichwertig sind. Hieraus folgt der Grundsatz des absoluten Lebensschutzes: das Leben wird in jeder Phase als Rechtsgut anerkannt; es ist schutzwürdig ohne Rücksicht auf das Lebensgefühl, das Lebensinteresse des Einzelnen; es wird ebenso absolut geschützt ohne Rücksicht auf die Wertschätzung, welche die Gesamtheit dem Leben des Einzelnen als sozialer Funktion entgegenbringt.
6
Gegenüber dieser Absolutheit des Lebensschutzes tritt die bei anderen Rechtsgütern wichtige Frage nach dem Rechtsgutsträgerin ihrer praktischen Bedeutung zurück: Wird die Gemeinschaft als Träger des Rechtsguts betrachtet, so folgt dessen Unverzichtbarkeit gerade aus diesem Verhältnis. Betrachtet man dagegen wie hier den einzelnen als Rechtsgutsträger, so liegt ein zwar personengebundenes, aber der Disposition des Inhabers entzogenes Rechtsgut vor.
Aus dieser komplexen Natur eines der Verfügungsgewalt schlechthin entzogenen Gutes folgt die Beurteilung der zahlreichen streitigen Grenzfälle (u. III–VII).
7
Der absolute Lebensschutz zeigt sich auch in der Abschaffung der Todesstrafedurch Art. 102 GG (zust. BGH 41, 325). Eine indirekte Auswirkung des Grundsatzes des absoluten Lebensschutzes liegt darin, dass das jugendliche Alter eines Tötungsopfers nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf[4].
Der von Maurach entwickelte Grundsatz der Absolutheit des Lebensschutzes[5] hat dazu provoziert, die Ausnahmen von diesem Grundsatz aufzulisten (Selbsttötung, Notwehrrecht, Tötung und Kriegsrecht)[6]. Diese Ausnahmen, die im Übrigen geringer sind als bei anderen Rechtsgütern, sollten aber nicht dazu führen, die Absolutheit des Lebensschutzes durch dessen Relativität zu ersetzen[7] oder die rechtspädagogisch eindrucksvolle Formulierung Maurach s zu einer „nur noch verbalen Schablone“ zu erklären[8].
[4]
BayObLG NJW 74, 250 m. Anm. Schroeder .
[5]
Zust. Wessels/Hettinger 2; Hassemer Theorie und Soziologie des Verbrechens, 1973, S. 187 f.; Gropp FS Brauneck 285; Arth. Kaufmann FS Roxin 841; Klesczewski § 2 Rn. 2; BGH 41, 325. Weitgehende Übernahme der hiesigen Formulierung bei Laber S. 115. In der Sache übereinstimmend, aber im materiellen Recht nicht recht passend der von Chatzikostas behauptete Grundsatz „in dubio pro vita“ (Die Disponibilität des Rechtsgutes Leben …, 2001, S. 175 ff.).
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