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Zitatebesitzen in zweierlei Hinsicht Aussagekraft: Im Hinblick auf den Inhalt der zitierten Äußerung[104] und im Hinblick auf die Tatsache, dass eine solche Äußerung des Zitierten tatsächlich erfolgt ist.[105] Ob eine Haftung wegen des Inhalts der zitierten Äußerung besteht, richtet sich nach dessen Klassifizierung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung sowie nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung. Insoweit das Zitat die Aussage enthält, dass eine solche Äußerung des Zitierten tatsächlich gefallen ist, ist damit die wörtliche Wiedergabe gemeint.[106]
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Da der Satire[107] die Übersteigerung, Verzerrung und Verfremdung eigen ist, ist zunächst der eigentliche Inhalt der Äußerung zu erfassen, indem dieser von seiner satirischen Einkleidung befreit wird, um sodann den dahinter liegenden Aussagegehalt der Äußerung zu ermitteln.[108] Dann sind sowohl der Aussagekern und seine Einkleidung erneut darauf hin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung gegenüber der betroffenen Person enthalten.[109] Dabei ist für die Beurteilung der Einkleidung ein großzügigerer Maßstab anzulegen als für den Aussagekern selbst.[110] Denn satirische Übersteigerungen können als Stilmittel der Äußerung grds. selbst nicht schon als Kundgabe der Missachtung betrachtet werden.[111] Die in Form einer Satire geäußerte Meinung am Verhalten anderer Menschen findet aber ihre Grenze in der Schmähkritik oder einer Formalbeleidigung,[112] wobei die Menschen die Menschenwürde als unmittelbarer Ausfluss des Persönlichkeitsrechts auch gegenüber der Kunstfreiheit absolut ohne die Möglichkeit einer Güterabwägung wirken soll.[113]
1.11 Erkennbarkeit bei der Wortberichterstattung
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Eine Erkennbarkeit einer Personkann gegeben sein, wenn die Informationen über das Medium an solche Leser geraten können, die aufgrund ihrer sonstigen Kenntnisse (etwa des beruflichen oder persönlichen Umfelds des Betroffenen) in der Lage sind, die Person zu identifizieren.[114]
2. Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung
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Die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung hat weit reichende Konsequenzen. Gegenüber Tatsachenbehauptungen sind im Falle der Unwahrheit oder auch im Falle der Wahrheit bei negativem Abwägungsergebnis im Einzelfall Unterlassungs-, Widerrufs- oder Gegendarstellungsansprüche möglich, ggf. Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche. Bei der Meinungsäußerung muss in der Regel schon eine Schmähkritik oder Formalbeleidigung vorliegen, bevor eine eingeschränkte Anspruchspalette (Unterlassung, Geldentschädigung und Schadensersatz) in Frage kommen.
2.1 Kriterien der Abgrenzung
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Nach h.M. liegt eine Tatsachenbehauptung vor, wenn der Gehalt der Äußerung der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grds. dem Beweis offen steht.[115] Demgegenüber ist eine Meinungsäußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt.[116] Problematisch wird die Abgrenzung dadurch, dass Werturteilen in der Regel ein (ggf. unausgesprochener) Tatsachenkern zugrunde liegt, von dem das Urteil nicht zu lösen ist oder tatsächliche Tatsachenbehauptungen und Werturteile in einem Satz miteinander verbunden werden oder ineinander übergehen.[117] In solchen Fällen muss abgegrenzt werden, was die Äußerung entscheidend prägt. Geschieht dies durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens, ist die gesamte Äußerung in vollem Umfang durch Art. 5 Abs. 1 GG als Meinungsäußerung geschützt.[118] Hingegen überwiegt der tatsächliche Charakter, wenn die Wertung sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt und damit eine Beweisaufnahme auf die Wahrheit der zusammengefassten tatsächlichen Umstände möglich ist.[119] Auch dürfen nicht aus einer komplexen Äußerung Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen werden und als unrichtige Tatsachenbehauptungen untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem zu würdigenden Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich der freien Meinungsäußerung fallen kann.[120] Liegt objektive Mehrdeutigkeit zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung vor, wurde lange vertreten, dass im Zweifel Meinungscharakter anzunehmen sei.[121] Nach dem Stolpe-Beschluss des BVerfG ist dies problematisch und Gegenstand differenzierter Betrachtung geworden. Wo eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung nicht zulässig ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes als Meinungsäußerung angesehen werden.[122]
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Bei Tatsachen kann es sich auch um innere Tatsachen handeln.
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Unbeachtlich für die Frage, ob Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung vorliegt, ist die konkrete Formulierung.[123] Aus der Einstufung der Tatsachenbehauptung kann man sich nicht durch Formulierungen wie „ich meine, dass“ oder „angeblich sollen …“[124] stehlen. Umgekehrt kann eine als Tatsachenbehauptung formulierte Äußerung als Wertung einzustufen sein.[125]
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Schlussfolgerungenkönnen – je nach Formulierung und Kontext – Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen sein. Dabei kommt es darauf an, ob die Schlussfolgerung als so zwingend dargestellt wird, dass für ein subjektives Meinen kein Raum vorhanden sei, weswegen sie als objektive Gegebenheit und damit als Tatsache angesehen werden muss.[126] Eine Schlussfolgerung zu Beweggründen oder den Absichten anderer dürfte eher als Meinungsäußerung anzusehen sein.[127]
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Rechtliche Beurteilungenenthalten in aller Regel Meinungsäußerungen.[128] Dies gilt für zivilrechtliche als auch strafrechtliche Einstufungen und auch dann, wenn die Rechtsauffassung einer objektiven Beurteilung nicht standzuhalten vermag.[129] Eine Tatsachenbehauptung liegt dagegen vor, wenn die Äußerung sich nicht auf eine Rechtsauffassung beschränkt, sondern damit zugleich dem Adressaten die Vorstellung von konkreten Vorwürfen vermittelt, die beweismäßig überprüfbar sind.[130]
3. Behaupten und Verbreiten
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Behaupter- und Verbreiterhaftung sind streng voneinander zu unterscheiden. Für Äußerungen Dritter ist der bloße Verbreiter jedenfalls dann nicht haftbar, wenn er sich die Äußerungen des Dritten nicht zu eigen gemacht hat, sich ausreichend von ihr distanziert hatund ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeitbesteht.[131] Erlegte man der Presse in Fällen der Verbreitung fremder Tatsachenbehauptungen eine uneingeschränkte Verbreiterhaftung auf, führte dies dazu, dass die lediglich wiedergegebenen Tatsachenbehauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt wie ein eigener Beitrag zu überprüfen wäre; eine solche Recherchepflicht könnte den Kommunikationsprozess unzulässig einschränken.[132]
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Ein Behauptenist eine Aussage über einen anderen, die eine eigene Erkenntnis oder eigene Mitteilung enthält.[133]
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Ein Verbreiten kann durch intellektuelles oder technisches Verbreiten erfolgen. Der in der Praxis häufigste Fall des intellektuellen Verbreitens ist die Wiedergabe der Äußerung eines Dritten, bspw. als Zitat. Das technische Verbreiten erfolgt ohne gedankliche Beziehung, bspw. durch den Drucker einer Zeitung oder den Grossisten oder Kioskinhaber. Die zivilrechtliche Haftung technischer Verbreiter unterliegt noch weitergehenden Einschränkungen.[134]
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