1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 »Was ist? Hast du Angst, dass ein Fisch kommt und dich frisst?«, necke ich ihn und gehe demonstrativ so weit ins Wasser, dass es mir bis zu den Knien reicht.
Er zieht die Augenbrauen zusammen und folgt mir. »Um mich mache ich mir keine Sorgen.«
»Und um mich musst du dir ebenfalls keine machen«, erwidere ich.
»Schon klar«, murmelt er.
Aus einer Eingebung heraus beginne ich, meine Hose auszuziehen. Adriéns Hemd ist lang genug, um alles Nötige zu verdecken.
»Was tust du da?«, fragt er perplex.
»Wonach sieht es denn aus?«, gebe ich zurück und werfe meine Hose in einem weiten Bogen zurück an den Strand. »Ich will baden.«
»Das wirst du bleiben lassen«, sagt er in energischem Tonfall.
»Hindere mich doch daran.« Ich strecke ihm die Zunge raus und als er tatsächlich nach mir greifen will, mache ich einen Satz ins tiefere Wasser, das mir nun bis zur Mitte der Oberschenkel reicht. »Dreh dich um«, fordere ich.
»Du willst …« Seine Augen gleiten über meinen Körper und ich schmunzle.
»Will ich.« Ich beginne, das Hemd aufzuschnüren.
»Ris, das solltest du nicht tun«, versucht er mich von meinem Vorhaben abzubringen.
»Wie gesagt, du musst dir um mich keine Sorgen machen«, entgegne ich.
»Das ist es nicht.« Er kommt mir mit einem Gesichtsausdruck entgegen, der mich mitten in der Bewegung innehalten lässt. »Aber wenn du dich ausziehst, werde ich es ebenfalls tun.«
Unwillkürlich gleitet mein Blick über seinen Oberkörper nach unten zu seinem Hosenbund, an den er beide Hände gelegt hat.
»Ich habe schon nackte Männer gesehen«, erwidere ich, wenngleich etwas weniger mutig, als ich eigentlich wollte.
»Ich weiß.« Seine Stimme ist eine Oktave tiefer geworden.
»Wenn du glaubst, du jagst mir damit Angst ein …«
»Tu ich nicht«, raunt er und bleibt knapp vor mir stehen. »Also?« Er sieht mich mit schief gelegtem Kopf an. »Ziehst du das durch?«
Ich schlucke und starre auf seine Brustmuskeln, die sich anspannen, als er tatsächlich beginnt, seine Hose aufzuschnüren.
Er will mich herausfordern und sehen, wie weit ich gehen werde. Das ist mir klar. Doch da ist auch diese Anziehung zu ihm. Dieser Wunsch, die Hände auf seine Brust zu legen, mich an ihn zu schmiegen.
Mist, ich muss damit aufhören, solange ich noch kann. Und das ist jetzt!
Ohne ein weiteres Wort gehe ich an ihm vorbei zurück zum Strand. Hinter mir höre ich ein leises Lachen und knurre in mich hinein.
Ja, er hat gewonnen. Doch nur für den Moment. Ich werde ihm schon noch zeigen, dass ich keine Angst vor ihm habe – irgendwann. Aber nicht heute Abend.
Als ich die Hose und Stiefel wieder trage, setze ich mich erneut ans Feuer und wärme meine Hände daran auf. Dabei ignoriere ich die Tatsache, dass Adrién sich dichter zu mir setzt als vorhin. Stattdessen starre ich in die Flammen.
So habe ich mir mein erstes Bad im Meer definitiv nicht vorgestellt …
Nachdem wir eine Weile still nebeneinandergesessen haben, bricht Adrién das Schweigen.
»Die Bedingung ist lediglich, dass du an dem Wettkampf teilnimmst«, murmelt er. »Du musst nicht gewinnen oder dein Leben riskieren. Du kannst auch einfach in der Wüste rumsitzen und Däumchen drehen – das ist ziemlich ungefährlich. Sogar für jemanden mit so viel Ohnmachtspotenzial, wie du ihn besitzt.«
Ich verenge die Augen und wende mich ihm zu. »Du gibst nicht auf, oder?«
Sein Mund verzieht sich zu einem leichten Lächeln. »In keinerlei Hinsicht.« Schon wieder funkeln seine Augen so sehr, dass ich ihn nicht länger anschauen kann.
Was will er mir damit sagen? Dass er sich ebenfalls zu mir hingezogen fühlt? Was ist das nur zwischen uns?
Rasch bringe ich das Gespräch wieder auf ein anderes Thema. »Auralie hat etwas von Aufgaben erzählt, die schwierig zu bewältigen seien«, sage ich so unbefangen wie möglich. »Weißt du mehr darüber, was für Aufgaben es sein werden?«
»Ich habe versucht, es herauszufinden, bin mir aber nicht sicher«, antwortet Adrién stirnrunzelnd und beginnt, mit einem Ast in den Flammen vor uns herumzustochern, dass die Funken stieben. »Ich weiß, dass fünf Greifenreiter und fünf Magier ausgewählt wurden. Anscheinend wird jeder von ihnen einen Gegenstand erhalten. Die Magier dürfen eine Woche früher in die Wüste aufbrechen, da wir sie mit unseren Greifen sonst überholen würden. Sie reiten auf Kelmen, die wochenlang ohne Wasser auskommen können.«
»Wir müssen also erst in einer Woche aufbrechen?«, hake ich nach.
»Sofern meine Informationen stimmen, ja.« Er sieht mich mit schmalen Augen an. »War das etwa eine Zustimmung?«
Rasch schüttle ich den Kopf. »Mit Sicherheit nicht.«
Er nickt und holt tief Luft. »Dein Leben wird nicht in Gefahr sein – ich werde auf dich aufpassen.«
»Und das soll mich jetzt beruhigen, weil du mich ja bisher noch nie in Gefahr gebracht hast?« Ich hebe eine Augenbraue.
Er senkt den Kopf ein wenig, sodass er mir nun näher ist, und ich bin mir erneut bewusst, dass er halb nackt neben mir sitzt. »Ich habe dir lediglich geholfen. Das mit den Draugr in den Tunneln wusste ich nicht. Ich hätte dich sonst niemals dorthin geführt. Und dass dein Greif in die Steinrochenhöhle flog und du dich in der Taverne fast selbst in Eis verwandelt hättest, geht nicht auf meine Kappe. Das habt ihr zwei ganz alleine geschafft.«
»Trotzdem bin ich in deiner Gegenwart viel zu oft ohnmächtig«, erwidere ich. »Keine gute Voraussetzung, um diese dämliche Wettkampf-Sache in der Wüste heil zu überstehen.«
»Du sitzt jetzt immerhin geheilt neben mir, statt im Totenreich zu wandeln«, entgegnet er.
»Erwartest du schon wieder ein Danke?« Ich werfe ihm einen mürrischen Blick zu. »In meinen Augen genießt du das Held-Sein eeeetwas zu sehr.«
Er lacht leise und starrt in den Himmel, sodass ich sein Profil zu sehen bekomme. Mir ist noch nie aufgefallen, wie gerade seine Nase ist. Und wie voll seine Lippen wirken. Das liegt bestimmt am neuen Haarschnitt – sicher nicht daran, dass ich mit einem Mal diese komische Anziehung zwischen uns empfinde.
»Ich hatte gehofft, dass du mit mir in die Stadt zurückkehrst«, murmelt er.
»Mit dir?« Ich schenke ihm einen ungläubigen Blick. »Sosehr ich mich geschmeichelt fühle, aber …«
Er wendet mir den Kopf wieder zu und zieht die Augenbrauen zusammen. »Doch nicht meinetwegen«, knurrt er. »Sondern wegen des Ordens.«
Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. »Hä? Aber du bist doch der, der den Orden und die Magier so hasst.«
Adrién senkt den Blick. »Die Magier, ja. Aber der Greifenorden …« Er kratzt sich mit der Hand an der linken Schulter. Wahrscheinlich wurde er gerade von einer Mücke gestochen. »Der Greifenorden hat ein Potenzial, das man nicht unterschätzen sollte. Wenn es Cilian gelingt, Greifenreiter in ganz Altra zu verteilen, dann könnte das verhindern, dass die Magier jemals wieder zu mächtig werden und Normalsterbliche unterdrücken.«
»Und wieso wäre es besser, wenn Greifenreiter an der Macht sind?«, will ich wissen. »Sie sind auch Magier.«
»Das stimmt«, lenkt Adrién ein. »Aber sie sind an Greife gebunden. Zudem gibt es keinen einzigen Greifenreiter, der nach purer Macht strebt. Wir sind keine geborenen Tyrannen, sonst würde sich kein Greif mit uns verbinden. Denn diese Wesen sind edel und gerecht.«
Ich mustere ihn nachdenklich. Was er sagt, ergibt Sinn. Wenn Greifenreiter die Magier unter Kontrolle halten, könnte es das Gleichgewicht in Altra für immer stabilisieren. Ich weiß zwar nicht genau, wie das Leben vor dem Umbruch war, da meine Schwester und ich fernab von anderen Menschen aufwuchsen, aber mir ist bekannt, dass die Magier die Nicht-Magier unterdrückt haben.
»Ist es das, was Cilian die ganze Zeit bezwecken will?«, hake ich nach.
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