Brigitte Krautgartner - Hinter den Wolken ist es hell

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Wenn der Partner schwer erkrankt …
Ein berührender Erfahrungsbericht über das eigene Starkbleiben in der Sterbebegleitung
Die Diagnose kommt unerwartet und schlägt wie eine Bombe ein: Der Partner hat eine schwere Erkrankung, es ist Krebs. Von nun an dreht sich alles um die erkrankte Person, eigene Ansprüche stellt man zurück. Als Angehörige wird man in gewisser Weise zum Nebendarsteller, doch man muss ebenso mit seiner Angst, Unsicherheit und dem Schmerz der neuen Situation zurechtkommen.
Neben berührenden und einschneidenden Szenen im Krankheitsverlauf, dem schrittweisen Abschiednehmen und Tod des Partners schildert die Autorin ganz konkret, wie und wo sie Unterstützung gefunden, welchen Einrichtungen oder Ratschläge sie als hilfreich erlebt hat. Sie gibt praktische Anregungen und Tipps, um einem Burn-out oder anderen Krisensituationen vorzubeugen, spricht auch mutig Tabuthemen an und erzählt von ihren Erfahrungen im spirituellen Bereich. Abschließend gewährt sie Einblicke in ihren ganz persönlichen Neubeginn. So zeigt dieses Buch, dass das Leben nicht nur durch dunkle Täler führt, sondern auch durch sie hindurch und wieder hinaus ins Helle.

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Brigitte Krautgartner

HINTER

DEN

WOLKEN

IST ES

HELL

Von Krankheit und Abschied

und dem Glück des Neubeginns

Inhalt Vorwort 1 Die Diagnose 2 Der Krankheitsverlauf 3 Hilfe suchen 4 - фото 1

Inhalt

Vorwort

1. Die Diagnose

2. Der Krankheitsverlauf

3. Hilfe suchen

4. Schwierige Gefühle

5. Krisen meistern

6. Leben jenseits der Krankheit

7. Und wo bleibt die Lebenslust?

8. Der Abschied

9. Zurück ins Leben

10. Spiritualität

Praktische Tipps

Vorwort

Wir sitzen in einem spanischen Lokal und studieren gemeinsam eine Speisekarte. Nicht, dass wir nicht zwei bekommen hätten, wir haben zwei. Aber wir sitzen nebeneinander. Seite an Seite. Lieben es, einander zu berühren. Und tun es auch. Da können wir auch gemeinsam eine einzige Speisekarte studieren.

Das spanische Lokal hat mein neuer Partner ausgesucht.

Wir haben etwas zu feiern. Zwei Dinge eigentlich: Auf den Tag genau vor sechs Monaten sind wir einander zum ersten Mal persönlich begegnet. Wie aufregend das war. Wie sehr wir innerlich gezittert haben … Wir wissen es noch sehr gut.

Die andere Sache: Mein Verlag hat Interesse gezeigt an einem Buchprojekt. An diesem Buchprojekt.

Da sitzen wir also und überlegen uns, welche Tapas wir essen wollen. Das muss ausführlich besprochen werden – schließlich wollen wir ja beide alles kosten. Und so sitzen wir da, tauschen uns aus in der Vorfreude darauf, wie gut es uns schmecken wird. Wir sind heiter und scherzen, das Leben fühlt sich leicht an.

Kurz formt sich in meinem Kopf ein Gedanke, den wir beide schon mehrfach ausgesprochen haben: Wenn wir vor eineinhalb Jahren gewusst hätten, wie fröhlich wir beide in absehbarer Zeit beisammensitzen würden, wie wohl wir uns mit jemandem fühlen würden – um wie viel leichter wäre es uns gefallen, all das Schwere, das Schmerzliche, die Ängste vor der Zukunft und dem unausweichlichen Loslassen zu ertragen. Wie viel zuversichtlicher hätten wir sein können, wie viel sicherer, dass die Zukunft nicht nur Trauer und Mühen bereithält (das natürlich auch), sondern ebenso neue Perspektiven, neue Möglichkeiten, sich zu öffnen, Nähe zu empfinden. Wenn wir das damals auch nur in Betracht gezogen hätten – wie viele dunkle Gedanken und Untergangsszenarien hätten wir uns erspart.

Das ist der Grund, warum ich meine Geschichte aufschreiben möchte. Weil ich zeigen möchte, dass auch schmerzhafte Lebensphasen zu einem guten Ende kommen können, dass es möglich ist, durch sie hindurchzugehen. Natürlich ist das nicht einfach. Ganz im Gegenteil. Es kostet Kraft, mehr als man zu haben meint. Es fühlt sich zwischendurch an, als würden Herz und Seele durch einen Fleischwolf gedreht. Endlose Stunden, in denen niemand da ist, der einem irgendwie helfen könnte. Da ist nur das Wissen, es geht dem Abgrund entgegen. Der Tag und die Stunde sind unbekannt. Niemand kann sagen, was bis dahin genau geschehen wird. Fragt man danach, erhält man lapidare Antworten: Jeder Verlauf ist anders. Das werden die weiteren Untersuchungen zeigen. Jetzt heißt es einmal abwarten. Und – besonders daneben aus meiner Sicht – belasten Sie sich damit nicht.

Als könnte man einen Tag, eine Stunde unbelastet verbringen im Angesicht des Abschieds, von dem man nicht weiß, wann und in welcher konkreten Form er kommen wird. Und was der Weg dahin bringen wird.

Dazu kommt: Viele derer, die Sätze wie diese sagen, sind für die Anliegen der Angehörigen im Grunde gar nicht zuständig. Im Zentrum ihres Denkens steht die kranke Person. Angehörige sind – nun ja – auf gewisse Weise Nebendarsteller. Ja, sie gehören dazu. Aber aus ihrer Perspektive zu denken, sich in ihre Lage zu versetzen und auf dieser Basis einen passenden Umgang mit ihnen zu pflegen – da heißt es nur allzu oft: Fehlanzeige.

So fühlt man sich verloren, voller Angst, weiß nicht, wohin mit sich selber, der eigenen Unsicherheit, dem eigenen Schmerz. Es scheint keine Adresse dafür zu geben, kein offenes Ohr. Stattdessen bekommt man „Aufträge“ vom eigenen Anspruch her und von außen: die kranke Person zu unterstützen, eigene Bedürfnisse zurückzustellen oder gar aufzugeben, alles Mögliche zu regeln und zu organisieren, ruhig und gelassen zu bleiben (trotz des Ausnahmezustandes, in dem man sich befindet). Und, und, und.

Ich würde es so formulieren: Als angehörige Person mit der grausamen Diagnose „bösartiger Tumor, weit fortgeschrittenes Stadium“ konfrontiert zu werden, das bedeutet, sich plötzlich in der Hölle wiederzufinden. Und das, während sich die Welt rundum weiterdreht. Angehörige, Freundinnen und Kollegen planen Urlaube, suchen Wohnungen und Häuser, freuen sich über Enkelkinder, machen Kurse. Während die eigene Welt kurz vor dem Untergang steht, beschäftigen sich andere mit Vergnügungen, Karriere und all den anderen Dingen, die für einen selber in so weite Ferne gerückt sind.

Tatsache ist: Es gibt (fast) keinen Menschen, der im Leben nicht in diese Krisensituationen gerät. Schmerzliche Abschiedssituationen tauchen unweigerlich auf, denn Großeltern, Eltern, Geschwister, Partner, sogar Kinder – sie alle sind sterblich.

Ich möchte davon berichten, wie so ein Abschied gestaltet werden kann. Welche Vorkehrungen man treffen kann, um vermeidbare Belastungen tatsächlich zu vermeiden. Wie es gelingen kann, gerade in schier unerträglichen Lebensphasen gut und verantwortungsbewusst mit sich selber umzugehen. Wie man die eigenen Kräfte, so gut es geht, schonen kann – um sie dann zur Verfügung zu haben, wenn sie gebraucht werden.

Meine Erfahrung ist: Das Leben geht seinen Gang, hinein in dunkle Täler, durch sie hindurch – und auch wieder hinaus ins Helle. Mit vielem sind wir konfrontiert, ohne dass wir eine Wahl hätten. Auch wenn wir es als ungerecht empfinden (und das tun wir vielfach), wir können es uns nicht aussuchen. Und doch können wir vieles bestimmen, auch in Krisensituationen Entscheidungen treffen, die mehr oder weniger konstruktiv sind.

Wie es in meinem Fall gewesen ist, davon schreibe ich hier. Um Sie zu ermutigen. Ich möchte Sie ein Stück weit mitnehmen in meine Geschichte.

Ich habe mein Buch bewusst nicht chronologisch angelegt, sondern thematisch gegliedert. Jedes Kapitel ist als Einheit gedacht, die für sich allein verständlich ist. So können Sie dort lesen, wo Sie selber gerade Ihre Fragezeichen haben. Geht es um den Umgang mit Krisen oder um das Leben jenseits der Krankheit? Sie können überall „einsteigen“. Durch diese Struktur kann es freilich dazu kommen, dass Sie die eine oder andere kleine Doppelung finden, dass im Kapitel über den Krankheitsverlauf etwas steht, was im Kapitel über die allerletzten Tage ebenfalls vorkommt. Dort, wo es für die Verständlichkeit des jeweiligen Abschnitts notwendig ist, habe ich diese Doppelungen in Kauf genommen.

Und jetzt – machen wir uns auf den Weg!

1.

Die Diagnose

Es war wie eine jener Filmszenen, die auf mich immer so unglaubwürdig und schlecht inszeniert gewirkt hatten: Wir saßen im fahrenden Zug und alles zog wie in Zeitlupe an mir vorbei. Die Konturen waren zwar klar erkennbar, nicht „vernebelt“, trotzdem war da eine deutlich spürbare Distanz zu allem, was mich umgab. Die Geräusche rund um mich waren gedämpft. Alles war irgendwie unwirklich. Alles, außer meinem Herzschlag. Und dem Gedanken: Das gibt es also wirklich.

20 Minuten zuvor hatte mir ein einfacher Satz die schmerzhafte Gewissheit gebracht: „Er meint, die Beschwerden kommen von den Knochenmetastasen.“ Rudi hatte die Worte fast beiläufig hingesagt. Damit war alles klar, die Hoffnungen, die wir uns noch gemacht hatten, zunichte – die Richtung vorgegeben.

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