„Und dir macht es nichts, dass euch da drüben in der Lehrküche beim Essen zugesehen wird? Ist doch schon krank, oder? Ich habe gehört, die Pfleger passen ganz genau auf, wie viel man nachwürzt.“
Irgendwo zwischen „Natürlich stört es mich. Du hast ja keine Ahnung! Ja, das ist krank. Aber wir sind ja auch krank. Wir brauchen diese Unterstützung“ und „Das alles geht dich gar nichts an!“ war ich gefangen. Ich entschied mich für einen Mittelweg.
„Naja, es ist schon schwer, aber ich bleibe bestimmt nicht lange an dem Tisch.“
„Das glaub ich auch.“ Sie musterte mich und wandte sich wieder an den Fernseher. „So dünn bist du doch gar nicht.“
Autsch.
Hilfe.
Essstörung hallo!
Mein Herz zog sich zusammen, denn sie hatte recht. Was tat ich nur hier? Ich war fett. Es war paradox, dass ich hergekommen war, um zuzunehmen. Nein, das musste nicht sein. Ich brauchte keine Butter. Ich brauchte Sport und Salat. Und noch mehr Sport. Ich brauchte das Magenknurren, um zu spüren, wie stark ich war. Wie konnte ich nur für einen Augenblick denken, ich sei wirklich krank? Wortlos stand ich auf und schlenderte in Richtung Ausgang.
„Ach, Frau Schweighart!“, rief es durch den Flur. Ich ballte meine Fäuste und biss mir auf die Unterlippen, um nicht direkt in Tränen auszubrechen. In diesem Moment konnte ich mit niemandem reden. Ich wollte einfach nur weg, raus hier. Raus aus meinem Körper. Raus aus der Welt. Nicht mehr ich sein. Nicht mehr sein. „Wie schön, dass ich Sie noch erwische!“ Ein strahlend grünes Augenpaar tauchte vor mir auf. Arielles Lächeln wich schnell einem besorgten Blick. „Ist alles in Ordnung, Frau Schweighart?“
„Mhm“, machte ich, nickte und schluckte. „Kann nur nicht einschlafen.“
„Ach, das ist völlig normal!“ Sie winkte ab und lächelte wieder. „Die erste Nacht ist immer die schlimmste. Aber denken Sie daran, wie stolz Sie auf sich sein können!“
„Stolz?“
„Freiwillig in eine Klinik zu gehen, ist ein Zeichen äußerster Disziplin. Es ist die richtige Entscheidung, dass Sie sich um Ihre Gesundheit kümmern wollen. Sie können stolz sein, hier her gekommen zu sein.“
Ich blinzelte gegen meine Tränen. Konnte sie Gedanken lesen? Wie war es möglich, dass sie mich genau in diesem Moment traf und diese Worte zu mir sagte, die den Sturm in mir ein kleines bisschen beruhigen konnten?
„Jedenfalls wollte ich Ihnen noch sagen, dass ich Ihre Bezugspflege bin. Das heißt, ich bin im Besonderen dafür verantwortlich, dass Sie sich hier wohlfühlen. In den ersten Wochen ist es üblich, engen Kontakt zu haben. Ich schlage vor, wir führen gleich morgen unser erstes Gespräch. Wann hätten Sie Zeit?“
Wann hatte ich Zeit? Wollte sie mich verarschen? Wann hatte ich keine Zeit? Ich war in einer Klinik, nicht auf einem wichtigen Kongress einer Aktiengesellschaft.
„Ähm, ja, mir egal.“
„Wann sind denn Ihre Therapien?“
„Äh.“
Sie lachte ein unglaublich wärmendes Lachen und legte den Kopf schief. „Es dauert, bis man einen Überblick über den Therapieplan hat. Sagen wir 20:00 Uhr? Dann haben Sie bestimmt keine Therapie mehr.“
„Okay.“
„Können Sie dann bitte auf das Stationszimmer kommen?“
„Klar.“
„Vielen Dank, Frau Schweighart. Dann wünsche ich Ihnen noch eine gute, erste Nacht bei uns. Auf eine gute Zusammenarbeit.“
Bevor sie ging, zwinkerte sie mir zu. Verdammt. Sie war so nett. A. Best. Für was wohl das A stand? Na klar, Arielle! In Gedanken lachte ich über meinen eigenen Witz und schlenderte noch ein bisschen durch die leeren Flure, während ich versuchte, meine Gedanken zu sortieren.
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