4. Sortieren
Wenn die Teilnehmer fertig sind, sammeln die Moderatoren die Karten ein und mischen sie, sodass nicht mehr festzustellen ist, wer welche Stichpunkte geschrieben hat. Die erste Karte wird gezeigt, vorgelesen und unter das erste Oval geheftet. Bei der zweiten wird gefragt, ob sie inhaltlich zur ersten gehöre, bei den folgenden rufen die Teilnehmer den Moderatoren jeweils die Nummer der Kategorie zu, der der Stichpunkt zugeordnet werden soll. Während des Sortierens lernen die Teilnehmer so die Beiträge der anderen kennen.
Die Moderatoren mischen sich nicht in das Strukturieren ein, sondern überlassen es völlig der Gruppe. Sie ordnen nicht unbedingt auf den schnellsten Zuruf zu, sondern lassen den Teilnehmern Zeit, achten auf andere Ansichten und nonverbale Unmutsäußerungen. Zugleich versuchen sie aber, das Sortieren so flüssig wie möglich zu halten.
Ist der Inhalt eines Kärtchens unklar, wird die Frage „Was könnte das bedeuten?“ an alle gestellt. Der Autor muss anonym bleiben können.
Das Kriterium, nach dem sortiert wird, kann je nach Bedarf unterschiedlich gewählt werden. „Inhaltliche Zusammengehörigkeit“ ist unspezifisch. Genauer wäre etwa, welche Punkte gemeinsam behandelt werden könnten, den gleichen Problemhintergrund hätten o.Ä.
5. Oberbegriffe bilden
Schließlich werden Oberbegriffe für die entstandenen Cluster gesucht. Sie werden in Zweiergruppen (Sitznachbarn) formuliert und vom Plenum kurz überprüft. Dafür müssen, je nach der Menge der Kategorien, etwa zehn Minuten eingerechnet werden. Plenumsarbeit wäre zur Begriffsbildung wesentlich langsamer: Die Bezeichnungen müssten nacheinander statt parallel erarbeitet werden und die Großgruppe neigt viel zu sehr zu unnötigen Diskussionen um exakte Formulierungen.
Das Benennen von Oberbegriffen ist meistens unverzichtbar. Da im Sortieren ausgehend von Einzelaspekten (Kärtchen) etwas Übergreifendes (Cluster) entsteht, sind die Kategorien selten vollständig, d. h. sie enthalten wahrscheinlich nicht alle wesentlichen Einzelaspekte. Um die Ergebnisse zu vervollständigen, müsste der Vorgang umgekehrt werden: Nachdem im ersten Schritt aus Einzelheiten ein Ganzes entwickelt wird (induktives Vorgehen), müssten im zweiten Schritt vom Ganzen ausgehend die Einzelheiten ergänzt werden (deduktives Vorgehen). Das muss nicht unbedingt methodisch vollzogen werden, also etwa mit einer zweiten Kartenabfrage zur Ergänzung der Cluster. Die Kategorienbezeichnung muss aber klar sein, sodass die Basis der Weiterarbeit nicht nur aus irgendwie zusammengefügten Stichpunkten besteht. Wenn die Oberbegriffe präsent sind, können die Teilnehmer bei Bedarf jederzeit Ergänzungen vornehmen.
– Schwierigkeiten beim Sortieren
Das Sortieren der Beiträge kann bei dieser Form der Kartenabfrage Zeit raubend sein.
In geübten Gruppen ist es meist problemlos. Man kann pro Kärtchen etwa 20 bis 30 Sekunden für das Ordnen kalkulieren. Nachdem diese Zeit ja nicht nur für das Rubrizieren „verloren geht“, sondern die Teilnehmer zugleich die Beiträge der anderen kennen lernen, ist der Aufwand durchaus akzeptabel.
Anders verhält es sich bei Teilnehmern, die diese Methode das erste Mal erleben. Hier kann das Sortieren sehr zäh werden und das Verfahren wird leicht als ineffizient erlebt. Dafür gibt es mindestens drei Ursachen.
Erstens können sich die Teilnehmer wahrscheinlich nicht genau vorstellen, wie das Verfahren funktioniert und was genau dabei herauskommen soll. Daher versuchen sie, die Beiträge möglichst exakt zu ordnen, um keine Fehler zu machen. Da aber viele sinnvolle Zusammenstellungen möglich sind, da es keine einzige Wahrheit gibt, führt dieser Perfektionismus zu nichts – außer zu Diskussionen.
Zweitens sind viele Menschen eher an ein ableitendes, analytisches Denken gewohnt, an ein Zerlegen von Themen. Hier aber wird induktiv vorgegangen: Kategorien werden nach und nach zusammengesetzt. Es gibt keinen logisch richtigen Weg (s. o.); man muss nach dem Motto „Mal sehen, was herauskommt“ verfahren.
Drittens kann das Sortieren als eine Art Ventil für vorher auferlegte Zurückhaltung dienen. Wenn man normalerweise diskutiert, seine Meinung offensiv vertritt, dann ist das mosaikartige Zusammentragen von Informationen in der Kartenabfrage ungewohnt. Zumindest im Strukturieren kann man sich dann einbringen, kann versuchen, über Zuordnungen zu diskutieren. Das darf keineswegs als Profilierungsbedürfnis abgewertet werden, es ist eine gewohnte Verhaltensweise.
– Beschleunigungsmöglichkeiten
Die Moderatoren können einigen Schwierigkeiten vorbeugen, indem sie darauf achten, dass sie die Ziele der Methode in der konkreten Situation möglichst genau erklären: Es geht um eine grobe Ordnung, die eine Gliederung und erste Inhalte für die Weiterarbeit liefert. Außerdem können sie ankündigen, dass in einem zweiten Durchgang wichtige Korrekturen vorgenommen werden können. Schließlich können sie die Anzahl der Karten, die jeder Teilnehmer abgibt, je nach Gruppengröße auf zwei bis vier begrenzen. Wichtige Beiträge können später noch nachgereicht werden.
Um Zuordnungsdiskussionen möglichst knapp zu halten, hat sich ein dreistufiges Vorgehen bewährt. Als Erstes lassen die Moderatoren die Zuordnenden kurz erklären, warum sie den Stichpunkt an diesem oder jenem Ort sehen. Oft klärt das ausreichend. Als zweite Stufe machen sie nochmals darauf aufmerksam, dass das Sortieren keine weltbewegende Festlegung ist, um die relativ untergeordnete Bedeutung des Schrittes zu betonen. Die dritte Möglichkeit ist, dass ein Stichpunkt verdoppelt und mehreren Gruppen zugeordnet wird. Das sollte nicht zu oft geschehen.
Verzögerungen beim Sortieren können allerdings von geübten Moderatoren auch bewusst zugelassen werden. Wenn sie sich klar davon distanzieren, die Verantwortung für ein straffes Vorgehen zu übernehmen, erleben sich die Teilnehmer als selbst für ihre Arbeit und ihren Umgang miteinander verantwortlich. Über die Schwierigkeiten beim langsamen Sortieren kann eine bessere Zusammenarbeit gelernt werden, die die weitere Moderation umso effizienter werden lässt.
Variationen – Zwei Teilfragen
Die „Grundform“ der anonymen Kartenabfrage kann auf verschiedene Arten variiert werden. Beispielsweise können zwei Teilfragen auf einmal gestellt und mit verschiedenen Farben beantwortet werden:
– Zwei Durchgänge
Eine weitere Möglichkeit ist, nach dem Sortieren einen zweiten Schreib- und Sammelvorgang durchzuführen. Das erste Ergebnis dient als Anregung für neue Ideen.
– Sortieren von der Pinnwand
Zum Strukturieren der Karten können die Moderatoren auch erst einmal alle Antworten durcheinander auf eine leere Pinnwand stecken. So können sich die Teilnehmer die Beiträge in Ruhe ansehen und erst dann, wenn sie sich einen Überblick verschafft haben, mit dem Sortieren beginnen.
– Vorgegebene Oberbegriffe
Schließlich können manchmal Oberbegriffe vor Beginn der Abfrage vorgegeben werden. Damit wird das Strukturieren beschleunigt. Dennoch ist diese Variante nur selten zu empfehlen. Vorgegebene Kategorien wirken einengend und beeinflussen die Antworten ziemlich stark. Die entstandenen Gruppierungen können außerdem für die Weiterarbeit unhandlich sein, da zu viel in eine – vorgegebene – Rubrik gepresst wird. Auf jeden Fall müsste hier eine Kategorie „Sonstiges“ aufgeführt sein, um Antworten aufnehmen zu können, die nicht in das Raster passen.
Kartenabfrage ohne Anonymität – Einzelarbeit
Kartenabfragen müssen nicht unbedingt anonym durchgeführt werden. Wenn auf die Anonymität verzichtet wird, können die Autoren selbst den Moderatoren zurufen, welchem Cluster ihre Karte zugeordnet werden soll. Die Gruppe unterstützt sie dabei. Dadurch wird beim Zuordnen Zeit gespart, allerdings müssen sich die Moderatoren genau überlegen, ob durch den Verzicht auf Anonymität nicht Beiträge verloren gehen. Etwas ungewöhnliche Antworten kommen eher vor, wenn sich die Verfasser bedeckt halten können. Nicht selten unterdrückt die Angst vor Blamage gute Ansätze.
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