Ulrich Renz
Blutspur
Sefa Verlag Lübeck
„Blutspur“ ist der dritte Band der Kinderkrimi-Serie „Motte & Co“.
www.motte-und-co.de
Weitere Bände der Reihe:
Band 1: „Auf der Spur der Erpresser“
Band 2: „Auf der Jagd nach Giant Blue“
Band 4: „Die Insel der Drogenbande“
Copyright © 2014 by Sefa Verlag, Lübeck
www.sefa-verlag.de
Umschlaggestaltung: Ponke Grabo, Berlin, www.ponkegrabo.de. Font Coverlogo „Motte & Co“: „Refurbished“, © Billy Argel, verwendet mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.
JoJos Zitat im ersten Kapitel „Es kommt Wind auf. Wir müssen versuchen zu leben“ stammt aus dem Gedicht Der Friedhof am Meer (Le Cimetière marin ) von Paul Valéry.
ISBN 978-3-945090-15-2
Spurlos verschwunden „Hiermit erkläre ich ...“ Das Logbuch Nächtliche Vorkommnisse Spuren im Schlamm Der Steinbruch Das Donnerwetter Das Liebesbriefchen Aktion Bruchbude Alles heiße Luft? Die Blutspur Die Spritze Ein Verräter Abgehört Der Köder ist ausgelegt Die Gestalt mit dem roten Umhang Die Liste Keine Chance Der gelbe Flitzer Der Maskenmann Bad Boys Die Jagd durch den Wald Gefangen FunkenregenMehr Motte ...
Name: Moritz Blohm, genannt Motte
Alter : 13
Besondere Kennzeichen: eigentlich keine (wie er selber meint)
Name: Simon Böttcher
Alter : 13
Besondere Kennzeichen: verträumter Naturfreak, Schwarm aller Mädchen, kleines Sprachproblem
Name: Mariekje Marienhoff, genannt MM
Alter : 13
Besondere Kennzeichen: meerblaue Augen, Mathegenie und Computerfreak
Name: Jochen, genannt JoJo
Alter : 13
Besondere Kennzeichen: Großmaul mit Übergewicht. Was Kleidung und Frisuren angeht „dem Trend immer einen Schritt voraus“
Name: Ute Blohm
Alter : gerade 12 geworden
Besondere Kennzeichen: Schwester von Motte. Ziemlich frühreif, steht gerne vor dem Spiegel, quasselt alle an die Wand.
Name: Ulrich Renz, genannt U
Alter : mittelalt
Besondere Kennzeichen: liebt schwäbische Spätzle, hat einen Zwillingsbruder, macht gerne Musik, war einmal Arzt, schreibt jetzt Bücher für Kinder und Erwachsene.
Mehr unter www.ulrichrenz.de
1. KAPITEL
„Wenn er bis acht Uhr nicht da ist, rufen wir die Polizei.“ – Frau Morahwe-Kriegers Stimme war fast nur ein Flüstern. Ihr sonst so lebhaftes Gesicht war ausdruckslos, die schwarze Brille saß schief auf ihrer Nase und die blonden Strähnchen in ihrem Haar waren völlig durcheinandergeraten. Ihr Blick schweifte unruhig von einem Tisch zum anderen, wo die Kinder stumm vor ihren leer gegessenen Tellern saßen. Wahrscheinlich war es in einem Speisesaal einer Jugendherberge noch nie so still gewesen wie in diesem Moment im Schloss Wulfshausen. Selbst von den Drittklässlern im Nebenraum hinter der halb geöffneten Schiebetür war kein Ton zu hören. Sonst konnte man ihr Gequiecke kaum aushalten. Jetzt war das einzige Geräusch das Ticken der Uhr über dem Tresen vor der Küche.
Zehn Minuten vor acht.
Die Geschichtslehrerin ging langsam zum Lehrertisch zurück. Das Klacken ihrer Stiefel hallte wie Hammerschläge durch den hohen Saal. Sie setzte sich auf ihren Platz neben Zilinski, der zusammengesunken auf seinem Stuhl saß und Löcher in die Luft starrte. Er hatte immer noch den Trainingsanzug und die Turnschuhe vom Nachmittag an. Die charakteristische Falte in seiner Wange war jetzt eine tiefe Furche. Die Referendarin aus der 7 c drehte mit ihren Fingern gedankenverloren in ihrer roten Wuschelmähne, die ihr den Spitznamen „rote Zora“ eingebracht hatte. Delius hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und ließ den Kopf hängen, so dass nur seine Spiegelglatze mit dem Haarkranz drum rum zu sehen war. Auch er war mit seinen Gedanken ganz weit weg.
Vor den Fenstern hatte es angefangen zu dämmern. Motte stellte sich vor, dass Tobi jetzt irgendwo da draußen durch den Wald irrte. Was würde er wohl an seiner Stelle tun, wenn er den Weg verloren hätte? Immer geradeaus laufen, irgendwann musste ja eine Straße kommen, wo er vielleicht ein Auto anhalten konnte. Aber wo war die nächste Straße? Gab es in diesem Wald überhaupt eine Straße außer der, auf der sie mit dem Bus gekommen waren? Oder hatte Tobi vielleicht einen Unterschlupf für die Nacht gefunden? Irgendeine Hütte oder einen von den alten Bergwerksstollen in dieser Gegend? Motte schüttelte unwillkürlich den Kopf. Eine Nacht allein im Wald ...
Vom Lehrertisch kam ein unterdrücktes Räuspern. Zilinski rappelte sich auf, um einen Blick auf die Uhr hinter sich zu erhaschen. Acht Minuten vor acht.
Der Orientierungslauf war seine Idee gewesen. „Kinderchen, der olle Zilinski hat sich was ganz Feines für euch überlegt“, hatte er nach dem Frühstück mit seiner Donnerstimme verkündet. „Ihr dürft euch heute mal so richtig austoben und mal richtig schön durch den Wald rennen, immer der Schnauze nach ...“ Dabei grinste er wie immer so breit, dass das ganze Gesicht nur noch aus Zähnen zu bestehen schien. Er war früher einmal irgend so ein Meister im Crosslauf gewesen, und rannte jetzt mit Fünfzig noch jeden Tag vor Schulbeginn seine zehn Kilometer mit seinem Pudelmischling Chico durch den Stadtpark.
„Wer läuft, kann besser denken. Wer viel läuft, wird früher oder später zum Genie. Also Kinderchen, auf der Wiese vor dem Schlossgarten geht es los und dann ab durch den Wald den Berg hoch bis zum Aussichtspunkt oben, zwanzig Minuten hin, zehn zurück – wenn ihr es locker laufen lasst. Oben steht eine Tüte Bonbons, da nimmt sich jeder eins raus, aber bloß nicht gleich in den Mund damit! Das Bonbon ist nämlich der Beweis, dass ihr auch wirklich da oben wart. Die ersten fünf, die mit ihren Bonbons wieder unten sind, kriegen Küchendienst-frei.“ Er rieb sich die Hände und schaute mit seinem Zilinski-Grinsen erwartungsvoll in die Runde. Richtiger Jubel wollte nicht aufkommen, aber natürlich widersprach keiner, es war ja eh klar, dass Zilinski nicht locker lassen würde. So einen Querfeldein-Lauf machte er auf jeder Klassenfahrt. Nur Blondi musste die Botschaft loswerden, dass sie mit ihren neuen Subishi-Turnschuhen unmöglich durch den Schmodder rennen könne. Zilinski hatte mal wieder Gelegenheit, seinen Lieblingsspruch anzubringen: „Das Leben ist kein Ponyhof“. Und dabei zu strahlen wie ein Honigkuchenpferd.
Auf der Straße draußen war ein Auto zu hören. Einen Augenblick war es Motte, als ob es an der Abzweigung zum Schloss abbremsen würde. Brachte es vielleicht Tobi zurück? Aber schon bald hatte sich das Motorengeräusch in der Ferne verloren.
Ausgerechnet der kleine Tobi. Wenn es wenigstens Dimitri erwischt hätte, der würde sich schon irgendwie durchschlagen, mit seinen Eins achtzig und der Bodybuilder-Figur. Oder Lasse, dem hätte er eine Nacht im Freien gegönnt, und seiner großen Klappe hätte es auch ganz gut getan. Aber Tobi, der als einziger von den Jungs noch durch das Fenster zum Heizungskeller in der Schule passte, wenn in der Pause wieder einmal der Tischtennisball verschwunden war. Alles an ihm war zart, und wenn er seine blonden Locken noch etwas länger hätte wachsen lassen, hätte man ihn gut und gern für ein Mädchen halten können. Alle in der Klasse mochten ihn, wenn er manchmal auch ein bisschen in seiner eigenen Welt lebte und man nie sicher sein konnte, ob er etwas wirklich ernst meinte oder ob er nur den Kasper machte.
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