Mario Schulze - Wagen 8

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In der beschaulichen Kleinstadt Wernigerode steht ein Zug der berühmten Schmalspurbahn bereit, seine Fahrt zum Brocken aufzunehmen. Die ersten Gäste sind eingestiegen, als zwei Männer mit Handfeuerwaffen den Rangierer überwältigen. Sie zwingen ihn, sofort loszufahren. Steuern kann er den Zug nur mit der Fernbedienung, der Platz des Lokführers in der Maschine ist unbesetzt! Ein Terroranschlag? Das Spezialeinsatzkommando der Polizei wird alarmiert. Seine Männer versuchen alles, den Zug zu stoppen. Das ist nicht so einfach wie gedacht, zumal ein schwerer Sturm über dem Harz tobt. Eine dramatische Fahrt, die für die Geiseln zum Horrortrip zu werden droht.

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Mario Schulze

Wagen 8

Harz-Krimi

Prolibris Verlag

Handlung und Figuren dieses Romans entspringen der Phantasie des Autors. Darum sind eventuelle Übereinstimmungen mit lebenden oder verstorbenen Personen zufällig und nicht beabsichtigt. Einige Handlungsorte werden die Besucher des Harzes oder seine Bewohner jedoch bestimmt wiedererkennen.

Alle Rechte vorbehalten,

auch die des auszugsweisen Nachdrucks

und der fotomechanischen Wiedergabe

sowie der Einspeicherung und Verarbeitung

in elektronischen Systemen.

© Prolibris Verlag Rolf Wagner, Kassel, 2021

Tel.: 0561/766 449 0, Fax: 0561/766 449 29

Titelfoto © Markus Behrla, Bergkamen

Schriften: Linux Libertine

E-Book: Prolibris Verlag

ISBN E-Book: 978-3-95475-235-5

Dieses Buch ist auch als Printausgabe im Buchhandel erhältlich.

ISBN: 978-3-95475-226-3

www.prolibris-verlag.de

Die wichtigsten mitwirkenden Figuren:

Richard (Rick) Emmeran - Unternehmer und Bäcker

Sophie Emmeran - Ballonfahrerin und Ricks Frau

Ulrich Medow - Ricks Schwager

Die Bahnangestellten

Ernst Urbanek - Rangierlokführer

Conrad Fichte - Fahrdienstleiter

Ralph Bärbaum - Conrads Chef

Simone - Zugbegleiterin

Die Polizeibeamten

Marvin Mölter - Kriminaloberkommissar beim Landeskriminalamt Magdeburg (LKA)

Robert König - Gruppenleiter des Spezialeinsatzkommandos Magdeburg (SEK)

Sören Schmieder - Mitglied des SEK

Habermann - Kriminalrat beim LKA

Lore Sikora - Polizeibeamtin und Fahrgast in Zug 8925

Holger Matthies - Lores Kollege

Roth und Schwarz - LKA-Beamte

Achtendorff - Polizeipsychologe

Weitere Fahrgäste im Zug

Nadja Thimm - Zockerin

Franz Berger - ohne seine Frau, aber mit einem Koffer

Frau Freytag - kann nicht rückwärtsfahren

Nils + Wilma Langhans - wollen am Mammutmarsch teilnehmen

Sonstige

Claudius Eisen - Handelsvertreter für Heizungsanlagen

Victoria - Claudius’ Ehefrau, aber seit über 13 Jahren tot

Hermann Prior - ist ebenfalls tot

Heiner Auck - Revierförster

Ines Kraff - eine Zeugin, die sich irrt

Dr. Helge Rüdenbach - Oberstaatsanwalt, der es eilig hat

Henning Gabler - rechtmäßig verurteilter Steuerverkürzer

Bärbel Knecht - Urbaneks Freundin, versteht etwas von Blumen

Holly - versteht etwas von Heißluftballons

Mörke - versteht etwas von Milchvieh

Tomáš - Mörkes Landarbeiter

Prolog

Daniela war ein paar Stunden zu früh. Alle, die davon etwas verstanden, hatten ihre Ankunft erst für den angehenden Nachmittag erwartet. Doch nun war sie da. Zornig kam sie daher und unbändig, wich keinem der Hindernisse aus, arbeitete sich an Tälern und Bergkuppen ab, an Brücken, Dächern und Masten, an Werbebannern und Baukränen.

Schon seit fast zwei Wochen war es ununterbrochen windig gewesen in Norddeutschland. Ein Umstand, dem die Einheimischen im Harz mit Gleichmut begegneten. So etwas war man hier gewöhnt. Nur die wenigen Touristen, die sich um diese Jahreszeit hierher verirrten, traf es unvorbereitet. Als Daniela von Süden und Westen kommend die ersten Höhenzüge des kleinen, aber stolzen Mittelgebirges erreichte, war Cora, ihre kleine Schwester, bereits seit einigen Stunden fort. Ab den späten Abendstunden dieses Novembertages war es unvermittelt völlig windstill gewesen, und das hatte Nachtarbeiter oder die Menschen, die aus Sorge um ihr Habe oder aus anderen Gründen schlecht schlafen konnten, aufatmen lassen – in der trügerischen Hoffnung, das Gröbste hinter sich zu haben. Auf die Wetterleute verließ man sich hier nicht. Wind und Wolken trieben es rund um den Brocken nach ganz eigenen Gesetzen.

Doch nun war Daniela da. Im Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin hatte es zunächst Diskussionen um den Namen gegeben. Nach Cora war nun der Buchstabe D an der Reihe, Dorothea hätte ganz passabel gepasst, nur hatte es vor nicht allzu langer Zeit bereits ein Hoch dieses Namens gegeben. Einer der Meteorologen schlug Dagmar vor, in Würdigung seiner Frau, die just am gestrigen Tag ihren fünfzigsten Geburtstag begangen hatte, doch dieser Kollege war im Institut nicht sehr beliebt, und so überging man ihn einfach und schließlich wurde an die Nachrichtenagenturen der Name Daniela gemeldet.

Daniela kam zunächst aus Neufundland, wo sie einfach so geboren worden war. Ein ganz normales Tiefdruckgebiet, wie es sie zu jeder Zeit unzählige Male auf der Welt gab. Doch immer mehr warme Luft stieg nach oben, Daniela wuchs heran und zog deshalb schnell die Aufmerksamkeit der Meteorologen auf sich. Sie beobachteten ihre nach Osten verlaufende Bahn über den Atlantik genau und erkannten bald, dass man es hier mit einem Orkan zu tun haben würde, wenn die Front Europa erreichte. Sie würde nicht so gewaltig sein wie einige berühmte Vorfahren, etwa Lothar oder Kyrill, aber dennoch so stark, dass man es für besser hielt, eine Unwetterwarnung herauszugeben.

Nachdem Daniela über die Britischen Inseln hinweggezogen war, traf sie auf das Festland, beschleunigte wiederum und benötigte daher nur noch eine Nacht bis zu den westlichen Ausläufern des Harzes.

Danielas Kraft würde – so hatten es die Wissenschaftler errechnet – in ein paar Stunden merklich nachlassen. Aber noch war dieser Zeitpunkt nicht gekommen. Der hoch aufragende Brocken wirkte wie eine Flasche, an der sich der Windstrom teilte, um hernach dicht an seinem Bauch entlangzuströmen. Auf der Rückseite des Berges bündelte er seine Kräfte wieder und zog weiter gen Osten. Seine Energie reichte durchaus noch, um den ohnehin bereits geschwächten Baumbestand auf den Höhenzügen des Ostharzes anzugreifen. Denn auch der Boden war durch den spärlichen Regen der letzten beiden Sommer entkräftet. Deshalb konnte er besonders die dort reichlich vorhandenen Flachwurzler nicht halten. Und so geschah es, dass am Morgen dieses Novembertages die ersten besonders exponiert stehenden ausgewachsenen Fichten ihren Widerstand aufgaben und ganz in der Nähe des Großen Thumkuhlenkopfes mit mächtigem Getöse zu Boden stürzten.

Kapitel 1

09.58 Uhr. Auch im Stellwerk Wernigerode, dem Herz der Harzer Schmalspurbahnen, wurde unterdessen aufmerksam registriert, dass der Orkan Daniela ungestümer als erwartet auf den Westharz getroffen war. Bald würde er auch hier angekommen sein. Der diensthabende Verantwortliche für den Fahrbetrieb, Ralph Bärbaum, telefonierte in diesem Augenblick mit dem zuständigen Wetteramt, denn er stand vor der Frage, ob er den Zug 8925, der in siebenundzwanzig Minuten Abfahrt in Richtung Brocken haben würde, noch freigeben sollte. –

Rick Emmeran hingegen, der nur zweihundert Meter vom Stellwerk entfernt auf dem Gelände des Wernigeröder Bahnhofs stand, hatte Angst, und diese Angst war jetzt so stark geworden, dass sie in seinen Hals hineinwuchs. Verzweifelt schloss er die Augen, kurz nur; er versuchte, diese Nähmaschine in seinen Fingern zu beruhigen.

Die Umgebung beobachten, hatte Ulrich gesagt. Zunächst nur beobachten. Achte auf alles, was ungewöhnlich ist. Das wirst du ja wohl noch hinbekommen. Das bekam er hin. Hier war nichts Auffälliges zu sehen. Der Bahnsteig war ohnehin fast verwaist. Es regnete.

Gemächlich rollte, geschoben von einer brummigen weinroten Diesellok, ein leerer Zug in den kleinen Kopfbahnhof ein. Noch achtzig Meter vielleicht, dann würde er zum Stehen kommen müssen. Grüne Leuchtbuchstaben auf der schmächtigen elektronischen Anzeigetafel verrieten, dass dies ein Zug zum Brocken war. Zehn Uhr fünfundzwanzig ab Wernigerode Hauptbahnhof. Bis zur Abfahrt blieb zum Glück noch etwas Zeit.

Rick, der eigentlich Richard hieß, aber von niemandem so genannt wurde, weil das klänge, als wäre es der Name seines Vaters, Rick gewann wieder die Kontrolle über seinen Körper. Er ballte in den Taschen seiner dunkelblauen, festen Regenjacke die Fäuste zusammen, bis die Daumen schmerzten. Das Zittern musste ganz verschwinden. An Sophie zu denken, half etwas. Der vom langsam aufkommenden Sturm getriebene Niesel an diesem nasskalten, ungemütlichen Tag im November, der den Menschen schon seit dem Aufstehen die Laune verdorben hatte und die Bahnsteige glänzen ließ, legte sich auf die Gläser seiner Brille.

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