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Abb. 7: Unterschiede zwischen qualitativen und quantitativen Forschungsansätzen
Qualitative ForschungQuantitative Forschung
Mixed Method-Designs verbinden qualitative und quantitative Methoden gleichgewichtig oder mit dem Schwerpunkt auf einer der beiden Methodentypen, um durch die Verbindung zu umfassenderen Einsichten zu kommen. So wurden bei einer Untersuchung von Fußballfans zunächst in einer qualitativen Studie das Gefühl der Verbundenheit als eine von individuellen Emotionen zu unterscheidenden sozialen Emotion als Erlebniskomponente bei Besuchen von Sportveranstaltungen identifiziert, bevor in einer quantitativen Studie der Einfluss dieser sozialen Emotion auf die langfristige Bindung von Fans mit den entsprechenden Ticketverkäufen für Sportevents untersucht wurde (Stieler und Germelmann 2016).
Für die qualitative Forschung ist die Einbindung der gewählten Methode in eine Forschungstradition wichtig. So legt eine konstruktivistische Weltsicht, bei der die Welt als sozial konstruiert wird, Methoden zur Analyse von Interaktionen in natürlichen sozialen Settings nahe, während eine feministisch-strukturalistische Sicht auf die Welt zum Beispiel eher zur Wahl von Methoden führt, die die Narrative benachteiligter Gruppen aufdeckt, da diese Perspektiven nicht hinreichend in den dominanten Mehrheitsdiskursen abgebildet werden (Durdella 2017, S. 91 f.).
Abbildung 8 gibt einen Überblick über häufig genutzte Methoden in der qualitativen Marktforschung, die in mehreren Forschungstraditionen (insbesondere kritischer Realismus und Konstruktivismus) Eingang gefunden haben. Mit zunehmender Digitalisierung ist hier vor allem auf die Netnographie (Kozinets 2019) zu verweisen, die es ermöglicht, Erkenntnisse durch Mitglieder, Themen, Sprache, Rituale, Normen und Prozesse von sozialen Netzwerken oder Onlinegruppen zu sammeln.
TiefeninterviewFokusgruppeBeobachtungNetnographie
Abb. 8: Häufig genutzte Methoden der qualitativen Marktforschung
TiefeninterviewFokusgruppeBeobachtungNetnographie
Die Gütekriterien der qualitativen Marktforschung unterscheiden sich von den Kriterien Reliabilität, Validität und Objektivität der quantitativen Marktforschung (
Kap. 4.3
). Sie umfassen neben Kriterien zur Durchführung der Methoden und zur Darstellung der Ergebnisse auch Kriterien, die sich auf die Wahl der Fragestellung oder die Wirkung bei den Zielgruppen der Marktforschung beziehen.
Häufig werden hier die »Big Tent Criteria for Qualitative Quality « herangezogen (Tracy 2010). Diese acht Kriterien wurden nach der Forderung benannt, die qualitative Forschung mit ihren sehr unterschiedlichen paradigmatischen und methodischen Problemzugängen müsste – bildlich gesprochen – ihr »gemeinsames Zelt« vergrößern und durch gemeinsame methodische Qualitätskriterien den Dialog zwischen den Paradigmen verbessern. Diese acht gemeinsamen Qualitätskriterien sind im Einzelnen (Tracy 2010):
1. Worthy topic: Der Untersuchungsgegenstand ist bedeutsam, aktuell und interessant.
2. Rich Rigor: Die qualitative Studie nutzt umfassende, geeignete, angemessene und komplexe Konstrukte, Daten, Stichproben, Kontexte und Analyseprozesse.
3. Sincerity: Die qualitative Studie ist durch Selbstreflexion der Forscherinnen und Forscher und durch Transparenz der Methoden und der Herausforderungen bei der Studie gekennzeichnet.
4. Credibility: Es werden »thick descriptions« zur Beschreibung der Daten genutzt, die detailliert Auskunft z. B. über den Kontextbezug oder über sonst stillschweigend vorausgesetzte Wissenselemente geben (»showing rather than telling«).
5. Resonance: Die Befunde bewegen die Zielgruppe der Forschung z. B. durch umsetzbare Befunde und Handlungsanleitungen.
6. Significant Contribution: Die Forschung leistet einen bedeutsamen Beitrag im Hinblick auf Konzepte und Theorien, Praxis, Methoden, Moral oder Heuristiken.
7. Ethical: Die Forscherinnen und Forscher berücksichtigen die Ethik im Hinblick auf Personen und Prozesse, Situationen und Kulturen, Beziehungen und das Verlassen des Felds nach Abschluss der Forschungsarbeiten.
8. Meaningful Coherence: Die Studie erreicht das vorgegebene Ziel, nutzt zieladäquate Methoden, und verbindet sinnstiftend Literatur und Theorien, Forschungsfragen, Befunde und ihre Interpretationen.
2.2.2 Deskriptive Forschung
Die Forschungsziele deskriptiver Studien lassen sich in drei Kategorien einteilen:
• Beschreibung von Markttatbeständen und Ermittlung der Häufigkeit ihres Auftretens (z. B. »Wie viele Konsumentinnen und Konsumenten kaufen Handelsmarken, wie viele Herstellermarken?«),
• Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Merkmalen (z. B. »Führt eine Preissenkung zu einem höheren Marktanteil?«),
• Prognosen (z. B. »Wie hoch wird der Neuwagenkauf nächstes Jahr sein?«).
Obwohl hier eine beträchtliche Vielfalt an Forschungszielen auftritt, haben die hierdurch charakterisierten deskriptiven Forschungsvorhaben einiges gemeinsam: Sie gehen von einem genau festgelegten Forschungsziel und den zu beschaffenden Informationen aus. Dies unterscheidet sie von explorativen Vorhaben. Im Gegensatz zu diesen wird demnach auch nicht große Flexibilität bei der Vorgehensweise, sondern hohe Genauigkeit der Ergebnisse gefordert. Bei deskriptiver Forschung wird daher ein sehr detaillierter Marktforschungsplan erstellt, so dass bei einem gegebenen Budget Ergebnisse erzielt werden, die einen möglichst niedrigen »Gesamtfehler« aufweisen (zum Gesamtfehler
Kap. 5.3.5
).
Auch die Methoden der Informationsbeschaffung unterscheiden sich teilweise von jenen der explorativen Forschung: Im Vordergrund steht die standardisierte Befragung bzw. Beobachtung möglichst repräsentativer Teilerhebungen aus der Grundgesamtheit. Daneben kommt noch die systematische (statistische) Analyse von Sekundärdaten, insbesondere von Paneldaten, in Betracht.
Je nachdem, ob diese Daten zu verschiedenen Zeitpunkten wiederholt erhoben werden oder ob sie nur zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst werden, unterscheidet man zwei verschiedene deskriptive Forschungsanordnungen, nämlich (vgl. hierzu z. B. Iacobucci und Churchill 2018, S. 81-88)
• die Querschnittanalyse (»Cross-sectional analysis«) und
• die Längsschnittanalyse (»Longitudinal analysis«).
2.2.2.1 Querschnittanalyse
Querschnittanalysen stellen den Hauptteil aller deskriptiven Forschungsprojekte bzw. der Marktforschung überhaupt dar. Es handelt sich hierbei um Daten, die sich nur auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen. Zumeist wird dabei nur ein Teil der interessierenden Grundgesamtheit befragt oder beobachtet. Querschnittanalysen sind daher besonders nützlich, wenn es um die Beschreibung von Markttatbeständen geht (z. B. Zielgruppenbeschreibungen).
2.2.2.2 Längsschnittanalyse
Bei Längsschnittanalysen werden demgegenüber die Daten zu verschiedenen Zeitpunkten wiederholt erhoben. Hierdurch lassen sich Marktveränderungen verfolgen. Dabei kann es sich um den Markenwechsel von Verbrauchern, um Einstellungsänderungen, um die Entwicklung von Bekanntheitsgrad, Slogankenntnis, Absatzmengen, Distributionskennziffern, Marktanteilen usw. handeln. Darüber hinaus können diese Veränderungen in Beziehung zu Änderungen der Marketing-Instrumente oder zu Änderungen des Konkurrenzverhaltens, der gesamtwirtschaftlichen Situation usw. gesetzt werden.
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