1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 Eine besonders gut geeignete Forschungsanordnung für Längsschnittanalysen ist das Panel. Hierbei wird dieselbe Stichprobe von Konsumenten (bzw. Handelsgeschäften) wiederholt in regelmäßigen Zeitabständen bezüglich des gleichen Untersuchungsgegenstandes befragt oder beobachtet (
Kap. 3.2.1
).
Deskriptive Forschungsanordnungen, insbesondere in Form der Längsschnittanalyse, erlauben neben der Kontrolle von Marktveränderungen und der Prognose auch schon eine vorsichtige Abschätzung des Einflusses, den Marketing-Maßnahmen auf abhängige Merkmale wie Absatzmenge oder Marktanteil haben. Allerdings sind auf Korrelationsanalysen aufbauende Schlüsse über Ursache-Wirkungsverhältnisse nur mit äußerster Vorsicht zu behandeln, da eine Vielzahl von nicht beachteten Faktoren auf das abhängige Merkmal eingewirkt haben können. Jedoch lassen sich bestimmte Forschungsanordnungen im Rahmen von Panels verwirklichen, die aufgrund der Kontrolle möglicher Störfaktoren schon als »quasi-experimentelle« Designs bezeichnet werden können.
2.2.3 Experimentelle und quasi-experimentelle Forschung
Ziel experimenteller und quasi-experimenteller Forschungspläne ist die Aufdeckung von Ursache-Wirkungsverhältnissen. Von der explorativen Forschung unterscheiden sie sich durch das Vorliegen ganz präziser Forschungsziele (Hypothesen), von deskriptiven Forschungsvorhaben, die ebenfalls Zusammenhänge überprüfen wollen, durch die Kontrolle von störenden Einflussfaktoren. Synonym zum Begriff des Experiments wird in der Praxis auch von »kontrolliertem Test« gesprochen.
2.2.3.1 Experimentbegriff
Ein Experiment dient der Überprüfung einer Kausalhypothese, wobei ein oder mehrere unabhängige(s) Merkmal(n) durch den Experimentator – bei gleichzeitiger Kontrolle aller anderen Einflussfaktoren – variiert werden, um die Wirkung der unabhängigen auf das/die abhängige(n) Merkmal(e) messen zu können (Zimmermann 1972; Koschate-Fischer und Schandelmeier 2014; Iacobucci und Churchill 2018; Spilski et al. 2018).
Ein Experiment ist damit durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
1. Es liegt eine Kausalhypothese vor. Diese besteht im einfachsten Fall in der Behauptung, dass ein Merkmal ein anderes Merkmal beeinflusst. Ein Beispiel ist die Behauptung, dass eine 5 %-ige Erhöhung des Werbebudgets zu einer 25 %-igen Umsatzsteigerung führt.
2. Es wird der Einfluss eines oder mehrerer unabhängiger Merkmale (z. B. unterschiedliche Preise, Verpackungsentwürfe, Werbeanzeigen) auf ein oder mehrere abhängige Merkmale (Zahl der Verkäufe, Erinnerungswirkung, Einstellung) überprüft.
3. Der Experimentator variiert die unabhängigen Merkmale (Experimentfaktoren) und kontrolliert zugleich alle übrigen »Störfaktoren« (z. B. Konkurrenzeinflüsse, Aktionen des Handels), die ebenfalls einen Einfluss auf die abhängigen Merkmale ausüben können.
Die nachfolgende Diskussion der verschiedenen »Experimentanordnungen« wird zeigen, dass sich diese im Ausmaß der Kontrolle von Störfaktoren unterscheiden. Dabei wird festzustellen sein, dass in Literatur und Praxis häufig von »Experimenten« gesprochen wird, die nach der hier vertretenen strengen Definition keine sind, weil es bei ihnen an den entsprechenden Kontrollvorkehrungen fehlt. An dieser Stelle ist nochmals zu betonen, dass das Experiment hier als eine besondere Form der Forschungsplanung betrachtet wird, die sich von der explorativen und deskriptiven Forschung durch die Kontrolle der Experimentstimuli und der Störfaktoren unterscheidet. Als Techniken der Datenerhebung kommen auch bei dieser Form der Forschungsplanung die Befragung oder die Beobachtung in Betracht. Die häufig vorzufindende Einteilung der Erhebungstechniken in Befragung, Beobachtung und Experiment geht daher an der Natur der Sache vorbei.
2.2.3.2 Marketing-Maßnahmen als Experimentstimuli
Experimente unterscheiden sich nach der Art und Anzahl der als Experimentstimuli eingesetzten Marketing-Maßnahmen.
Produktpolitische Maßnahmen
Im Rahmen der Produktpolitik unterscheidet man Partialtests, bei denen nur einzelne Komponenten des Produkts (z. B. Verpackung, Markenname, Geschmack, Geruch, Farbe, Gebrauchsanweisung etc.) überprüft werden und Volltests, bei denen das gesamte Produkt durch die Experimentteilnehmer beurteilt werden muss.
Produkttests lassen sich in allen Phasen des Produktentwicklungsprozesses einsetzen. Dies beginnt zumeist mit der experimentellen Überprüfung von nur verbal und bildlich umschriebenen Produktalternativen im Rahmen sog. Konzepttests. Im weiteren Verlauf werden bereits realisierte Produktkomponenten (Geschmack von Nahrungsmitteln, Verständlichkeit von Gebrauchsanweisungen, Akzeptanz von Markennamen, Ausgestaltung von Pkw-Innenräumen etc.) einem Test unterzogen.
Ist das Produkt einführungsreif, so kann es einem Einzel- oder einem Vergleichstest (neben den relevanten Konkurrenzprodukten) unterzogen werden.
Kommunikationspolitische Maßnahmen
In der Werbeerfolgsprognose können einzelne Bestandteile eines Werbemittels (unterschiedliche Anordnungen von Bild und Text, Wirkung von Jingles, alternative Slogans etc.) und auch das gesamte Werbekonzept (Anzeigen, Audio- und Videospots, Plakate, Webbanner) experimentell überprüft werden. Letztlich können auch die ökonomischen Wirkungen (Absatz, Umsatz, Marktanteil) alternativer Streupläne und Werbebudgets abgeschätzt werden.
Preispolitische Maßnahmen
In der Preispolitik können einzelne Entscheidungstatbestände (alternative Preise, runde versus gebrochene Preise, Maßnahmen der Preispolitik) untersucht werden. Des Weiteren lassen sich ganze Preissysteme (Maßnahmen der Preisdifferenzierung, der Preisbündelung, Rabattsysteme) testen.
Distributionspolitische Maßnahmen
Das Spektrum distributionspolitischer Experimente reicht von der Wahl verschiedener Betriebsformen im Absatzweg, über die Fragen der Zusammenstellung der Waren-Category, bis hin zur Optimierung des Regalplatzes, der Überprüfung von Point of Sale-Maßnahmen, der Besuchshäufigkeit von Außendienstmitarbeitern und zur Wirkungsmessung verschiedener Distributionsformen (z. B. E-Commerce gegenüber dem traditionellen Vertrieb im Einzelhandel).
Überprüfung des Marketing-Mix
Selbstverständlich können die hier erwähnten Marketing-Instrumente auch als Marketing-Mix in verschiedenen Phasen des Planungsprozesses in ihrer Gesamtwirkung analysiert werden (sei es als Konzepttest oder zur Überprüfung des Marketing-Mix vor der Markteinführung).
2.2.3.3 Experimentelle Versuchspläne
Im Folgenden werden nun vier wichtige Experimentdesigns vorgestellt, die in der Literatur häufig auch als »echte«, »formale« oder auch »vollständige« Experimentdesigns bezeichnet werden, um sie von Versuchsplänen zu unterscheiden, die die Bedingungen eines Experiments nicht erfüllen (vgl. auch Iacobucci und Churchill 2018, S. 101 ff.).
Im Folgenden wird die Notation sowie die Einteilung von Experimentdesigns von Campbell und Stanley (1966) aufgegriffen, da sie sich in der internationalen Marktforschungsliteratur durchgesetzt hat:
X: |
Dies ist der vom Untersuchungsleiter variierte Experimentfaktor, der auf die Experimentgruppe einwirkt und dessen Wirkung gemessen werden soll. |
M: |
Hierdurch wird die Messung des abhängigen Merkmals bei den Testeinheiten symbolisiert. |
R: |
Damit wird angezeigt, dass bei der Gruppenbildung und der Zuweisung des Experimentfaktors das Zufallsprinzip angewandt wurde (Random). |
Die horizontale Anordnung der Symbole von links nach rechts zeigt die zeitliche Abfolge an. Symbole in einer Zeile beziehen sich jeweils auf eine Gruppe.
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