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4. Bestätigung des Zugangs
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Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz40 wurden „Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr“ normiert.41 Insbesondere ist die Regelung in § 312i BGB zu beachten, die dem Unternehmer bei Anbahnung eines Vertrags über das Internet auferlegt, den Zugang der Erklärung des Bestellers unverzüglich zu bestätigen, § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB.42 Ein Verstoß gegen die Bestätigungspflicht tangiert jedoch nicht den Vertragsschluss an sich, sondern wirkt sich auf das dem Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften zustehende Widerrufsrecht aus43 bzw. führt zu einem Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Anbieter. Bei der Empfangsbestätigung handelt es sich nach h.M. nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine Wissenserklärung.44 Sie kann jedoch mit einer Willenserklärung, etwa der Annahme des Angebots, verbunden werden. Ob die Eingangsbestätigung mit der Annahmeerklärung sogleich verknüpft wird, sollte vom Shop-Betreiber gründlich überlegt werden, weil er sich mit der Eingangsbestätigung nicht bindet und so etwaige Fehler im Erklärungsinhalt erkennen sowie den Warenbestand und die Bonität des potenziellen Kunden noch prüfen kann, bevor er die ihn bindende Annahmeerklärung abgibt.45
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Wer aber nur den Eingang der Bestellung bestätigen und nicht zugleich die Annahme des Antrags erklären will, muss sorgfältig auf den Wortlaut der Eingangsbestätigung achten.46 Die Formulierungen „Wir werden Ihre Bestellung unverzüglich bearbeiten“47 oder „Die Bestellung über die nachfolgend aufgelisteten Waren liegt vor“48 werden als Bestätigung des Eingangs, die Mitteilung „Wir werden Ihren Auftrag umgehend ausführen“ wird als Annahmeerklärung ausgelegt.49
16Ständige Rechtsprechung, vgl. für alle BGH, Urt. v. 24.2.1988 – VIII ZR 145/87, BB 1988, 719. 17Ausführlich dazu OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.6.2009 – 14 U 622/09, K&R 2010, 58. 18BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 79/04, K&R 2005, 176; BGH, Urt. v. 3.11.2004 – VIII ZR 375/03, K&R 2005, 33; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.7.2006 – 12 U 91/06, MMR 2006, 819. 19OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.6.2009 – 14 U 622/09, K&R 2010, 58. Siehe auch Pierson/Seiler, JurPC Web-Dok. 217/2003, Abs. 1, Abs. 3; Dethloff, JURA 2003, 730, 731f.; Glossner, in: Leupold/Glossner, MAH IT-Recht, 2013, Teil 2, Rn. 43; Redeker, in: Redeker, IT-Recht, 2020, Kap. D, Rn. 914. 20http://www.apple.com/apple-pay/. 21https://www.android.com/pay/. 22https://www.paydirekt.de/. 23Kitz, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 2021, Kap. 13.1, Rn. 181. 24BGH, Urt. v. 8.6.2011 – VIII ZR 305/10, NJW 2011, 2643; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.9.2007 – 5 W 129/07, K&R 2007, 655. 25OLG Hamburg, Beschl. v. 14.2.2007 – 5 W 15/07, CR 2007, 455. 26Zur Angebotsrücknahme durch Verkäufer bei möglicher Irrtumsanfechtung BGH, Urt. v. 23.9.2015 – VIII R 284/14, NJW 2016, 395; Urt. v. 8.1.2014 – VIII ZR 63/13, K&R 2014, 263 m. Anm. Kremer, jurisPR-ITR 5/2014 Anm. 6; siehe auch zur vorzeitigen Beendigung einer eBay-Auktion aufgrund eines Fehlers bei der Mindestpreisangabe OLG Hamm, Urt. v. 4.11.2013 – 2 U 94/13, K&R 2014, 125; a.A. AG Darmstadt, Urt. v. 25.6.2014 – 303 C 243/13, MMR 2014, 602, wonach der Verkäufer einer eBay-Auktion sein Angebot jederzeit ohne Vorliegen besonderer Gründe abbrechen könne, wenn die Laufzeit bis zum Auktionsende noch länger andauere. 27BGH, Urt. v. 23.9.2015 –VIII ZR 284/14, NJW 2016, 395; BGH, Urt. v. 8.1.2014 – VIII ZR 63/13, K&R 2014, 263, und BGH, Urt. v. 8.6.2011 – VIII ZR 305/10, K&R 2011, 575 m. Anm. Weller, jurisPR-ITR 18/2011 Anm. 3. 28Dietrich, K&R 2002, 138, 139 m.w.N.; Dethloff, JURA 2003, 730, 733f.; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 428. 29Vgl. Hoeren, in: Taeger/Pohle, Computerrechts-Handbuch, 2018, Teil 14, vertragsrechtliche Fragen, Rn. 15; Kitz, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, 2021, Kap. 13.1, Rn. 80ff. m.w.N. 30Herget/Reimer, DStR 1996, 1288, 1291; Taupitz/Kritter, JuS 1999, 839, 841; Fritzsche, JA 2006, 674, 679. 31https://www.whatsapp.com/?l=de. 32https://www.threema.ch. 33Vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1976 – VIII ZR 140/75, BB 1977, 67; Dietrich, K&R 2002, 138, 139; Wertenbruch, JuS 2020, 481, 484 m.w.N. 34Dörner, AcP 202 (2002), 363; Wertenbruch, JuS 2020, 481, 484. 35Vgl. Hoffmann, Beilage zu NJW 2001, Heft 14, 1, 6; Wertenbruch, JuS 2020, 481, 483; zu den Beweisproblemen beim Zugang von E-Mails und anderen Online-Willenserklärungen Ernst, MDR 2003, 1091, 1092ff. 36LG Bonn, Urt. v. 10.1.2014 – 15 O 189/13, MMR 2014, 709, 711; so auch Wertenbruch, JuS 2020, 481, 484. 37Glossner, in: Leupold/Glossner, MAH IT-Recht, 2013, Teil 2, Rn. 36; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Rn. 429; Hoffmann, Beilage zu NJW 2001, Heft 14, 1, 7f. 38Spindler, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2019, BGB, § 147 Rn. 5. 39BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 79/04, K&R 2005, 176. 40Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001, BGBl. I 2001, S. 3138. 41Zum Begriff elektronischer Rechtsverkehr siehe Kap. 4, Rn. 40ff. 42Zur elektronischen Bestellbestätigung siehe Kap. 5, Rn. 198f. 43Zum Widerrufsrecht ausführlich Kap. 6. 44BGH, Urt. v. 16.10.2012 – X ZR 37/12, NJW 2013, 598, 599; Schirmbacher, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2019, BGB, § 312i Rn. 53; Wendehorst, in: MüKo-BGB, § 312i Rn. 93; a.A. für geschäftsähnliche Handlung Hassemer, MMR 2001, 635. 45Dazu mehr in Kap. 5, Rn. 199. 46Glossner, in: Leupold/Glossner, MAH IT-Recht, Teil 2, Rn. 47; Spindler, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2019, Vorb. §§ 116ff. BGB Rn. 8. 47AG Butzbach, Urt. v. 14.6.2002 – 51 C 25/02 (71), CR 2002, 765. 48LG Essen, Urt. v. 13.2.2003 – 16 O 416/02, MMR 2004, 49. 49LG Köln, Urt. v. 16.4.2003 – 9 S 289/02, MMR 2003, 481. Weitere Nachweise vom OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.6.2009 – 14 U 622/09, K&R 2010, 58. Wegen fehlender Annahmebestätigung eines Vertragsangebotes über 18 versehentlich zu einem Zehntel des üblichen Kaufpreises ausgepreister Flachbildschirme bedurfte es nicht der Feststellung, dass der Versandhändler wegen eines unredlichen, treuwidrigen Ausnutzens des Fehlers nicht an den Vertrag gebunden ist.
III. Vertragsschluss per E-Mail
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Beim Vertragsschluss per E-Mail gibt es verschiedene Varianten der Vertragsanbahnung. Bei der Prüfung, ob ein Vertrag geschlossen wurde, ist jeweils der konkrete Einzelfall zu betrachten.
1. Vertragsschluss per Massen-E-Mail oder individueller E-Mail
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Die Vertragsanbahnung per Massen-E-Mail spielt heute keine Rolle mehr (siehe oben Rn. 17). Ein Grund hierfür ist, dass die Nutzung der E-Mail-Adresse des potenziellen Vertragspartners für werbliche Zwecke ohne dessen ausdrückliche Einwilligung unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG als sog. Spam wettbewerbswidrig und in der Folge auch datenschutzrechtswidrig ist. Der Abschluss von Verträgen unmittelbar per Massen-E-Mails ist deshalb heute durch den Vertragsschluss über Websites oder Apps nahezu vollständig verdrängt worden.
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Darüber hinaus kann ein Vertrag auch per individueller E-Mail zwischen zwei Vertragsparteien angebahnt werden. Dabei wendet sich ein potenzieller Kunde an einen Anbieter und lässt sich ein Vertragsangebot per E-Mail zusenden. In dem daraufhin versandten „Angebot“ handelt es sich nur dann um einen Antrag im Rechtssinne, wenn der Anbieter sich nach Auslegung der E-Mail bereits mit dem versandten Angebot rechtlich verbindlich binden will und keine invitatio ad offerendum vorliegt. Sagt dem Kunden das Angebot zu, gibt er die Bestellung beim Anbieter auf. Ist die Bestellung keine Annahme eines Antrags des Anbieters, bedarf es anschließend einer weiteren E-Mail des Anbieters mit der Annahme des Antrags des Bestellers. Ein Beispiel für derartige Vertragsabschlüsse per E-Mail ist etwa die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder Versicherungsmaklers über das Internet.
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