Klubhaus schon wilde und vergnügliche Geschichten über berufliche Pleiten und Pannen zu hören bekommen. Ich habe wilde und vergnügliche Geschichten über Scheidungen und Affären zu hören bekommen. Die Geschichten haben mir häufig Leute erzählt, die ich ein paar Stunden vorher erst kennengelernt hatte. Sie erzählten seltsam beschwingt. Golf verführt dazu, die Hemmungen des Alltags zu verlieren. Man wird anders. Man wird übermütig, fast schon benebelt.
Golf kann euphorisierend sein. Und damit wären wir zurück beim Thema Sex. Eine Runde Golf kann sein wie ein flotter Flirt. Man ist in einem leichten Erregungszustand, der Puls ist höher als gewohnt, der Adrenalinspiegel ebenso. Man neigt zu Dummheiten, zu Verlust der Selbstkontrolle, zu Frohsinn und unbegründeter Heiterkeit.
Die Frage, was Golf mit Sex zu tun hat, können wir damit leicht beantworten. Es ist dasselbe.
Nicht-Golfer, die über solche Subtilitäten nicht im Bilde sind, treten ja gerne vor uns Golfer hin und intonieren feixend das einzige Bonmot, das sie von unserem Sport kennen. »Haben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf?«
Ich erkläre ihnen dann immer, dass man nur dann ein richtig guter Golfspieler wird, wenn man sehr jung damit beginnt. Ein richtig guter Golfspieler könnte also von sich sagen: »Ich spiele schon Golf, habe aber noch keinen Sex.«
Selbstironisch ist der Mann
Gibt es etwas Peinlicheres, als wenn ein Golfer sagt, er habe gut gespielt?
Nach seinem Rücktritt war US-Präsident Gerald Ford mit seinem Golfspiel ziemlich zufrieden. »Mein Golf ist besser geworden«, sagte er, »ich treffe deutlich weniger Zuschauer als früher.« Nach seinem Rücktritt war US-Präsident George Bush mit seinem Golfspiel weniger zufrieden. »Es ist schon erstaunlich«, sagte er, »wer mich beim Golf alles schlägt, seit ich nicht mehr Präsident bin.«
Ob man mit seinem Golf nun zufrieden oder mit seinem Golf weniger zufrieden ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, wie man es sagt. Ein richtiger Golfer macht sich immer selbstironisch über sich selber lustig, egal, ob er nun gut oder schlecht gespielt hat. Golfer nehmen sich nicht ernst – wenn es richtige Golfer sind. In diesem Sinne sind unsere zwei US-Präsidenten artentypische Golfer.
Selbstironie gehört zu Golf wie die Fahne ins Loch gehört. Golf ist die einzige Outdoor-Aktivität auf diesem Planeten, bei der Selbstironie sozusagen Pflichtfach ist. Das unterscheidet Golf sichtbar von allen anderen Sportarten. Ich habe zum Beispiel noch nie einen Bundesliga-Fußballer gehört, der ironisch gesagt hätte: »Meine Elfmeter sind besser geworden, ich treffe den Schiedsrichter deutlich weniger als früher.« Nein, er sagt martialisch: »Ich mache die Dinger rein.«
Der Unterschied ist leicht zu erklären. Alle Golfer wissen, dass ihr Resultat nach 18 Loch stark vom Zufall und vom Glück abhängig ist. Der Ball bleibt fünf Zentimeter vor der Out-Linie liegen, oder nicht. Der Ball springt von einem Baum auf den Fairway zurück, oder nicht. Der Ball hoppelt vom Vorgrün direkt ins Loch, oder nicht. Man kann an zwei Tagen hintereinander genau gleich gut Golf spielen – an einem Tag schreibt man eine 80, am anderen Tag eine 88.
Die Leistung schlägt sich im Golf nie exakt im Resultat nieder. Einmal hat man den Zufall und das Glück auf seiner Seite. Einmal hat man den Zufall und das Glück gegen sich. In beiden Fällen zwingt dies dazu, sich selber auf den Arm zu nehmen. Man weiß, die Leistung im Golf ist immer relativ.
Ein Freund von mir läuft Marathon. Wenn er die 42 Kilometer unter dreieinhalb Stunden schafft und man ihm gratuliert, dann kann er zu Recht sagen: »Danke, heute habe ich wirklich eine gute Leistung gezeigt.« Zufall und Glück haben keine Rolle gespielt. Die Leistung im Marathon ist nicht relativ, sondern absolut.
1Wenn man hingegen einem Golfer nach einer guten Runde gratuliert, dann ist es ziemlich peinlich, wenn er sagt: »Danke, heute habe ich wirklich eine gute Leistung gezeigt. «
Der richtige Golfer sagt nach einer guten Leistung: »Entschuldigung, es kommt nicht wieder vor.«
Die »Ich-fand-ihn«-Methode
Die meisten Golfspieler auf diesem Planeten müssen Italiener sein.
Es hatte mich zufällig in einen Flight mit zwei Engländern verschlagen. Man sagte »hello« und sie schlugen vor, dass jeder Spieler auf der Runde einen »italian caddie« bekomme. Ich war ratlos, und so erklärten sie es mir: Jeder Spieler darf pro 18 Loch einmal mit dem Fuß gegen den Ball treten, zum Beispiel, um ihn aus dem hohen Gras auf den Fairway zurückzukicken. Der Fußtritt ist straffrei.
Schöner Name, »italian caddie« und sehr passend. Ich spiele immer wieder in Italien, und ich wundere mich oft über die Fußballkünste, die mir dort auf den Golfplätzen vorgeführt werden. Da wird der Ball fast so oft mit der Schuhspitze wie mit dem Schläger getroffen. Wenn man sich wundert, ist die Antwort immer dieselbe: »Ma dai«, sagen sie, »du willst mein Freund sein, und du lässt mich trotzdem aus dieser schlechten Lage spielen.«
Die Engländer, klassische Gentleman-Sportler, halten sich an die Regeln. Wenn sie eine, oft skurrile, Ausnahme erlauben, etwa einen »italian caddie«, dann gilt diese Ausnahme für alle. Die Italiener halten sich nicht an die Regeln. Ich glaube, die meisten Golfer auf diesem Planeten sind Italiener.
Golf ist ja der einzige Sport, wo es bei Wettkämpfen keine Schiedsrichter gibt. Niemand von außen überwacht, ob die Regeln eingehalten werden. Selbst die Referees bei Profi-Turnieren sind keine Schiedsrichter im engeren Sinn, die mit dem Feldstecher die Teilnehmer kontrollieren würden. Sie sind eher Auskunftspersonen, die etwa angefragt werden, ob ein Spieler den Ball droppen dürfe, weil er sonst auf einem TV-Kabel stehen müsste.
Ansonsten gibt es in allen Sportarten Schiedsrichter. Im Fußball rennen sie dem Ball hinterher, beim Tennis sitzen sie auf ihrem Stühlchen. Sogar beim Dart im Pub sind Referees dabei, selbst beim Ballonfahren sind die »Observer« unterwegs. Nur nicht im Golf. Das stellt in der Theorie hohe Ansprüche an die menschliche Integrität, in der Praxis fördert es eher andere Charakterzüge.
Als das Internetportal badgolfer.com eine Umfrage bei 10000 Spielern durchführte, war das Resultat eindeutig. 7120 gaben zu, auf dem Platz zu betrügen. Das wären, wenn ich richtig rechne, 71,2 Prozent.
Die Greens sind also keine Greens, sondern ein Dschungel. Denn neben der Schiedsrichterfrage unterscheidet sich Golf in einem zweiten Punkt von allen anderen Sportarten. Man kann nirgendwo leichter mogeln als beim Golf. Versuchen Sie einmal, beim Weitsprung oder beim Rückenschwimmen zu betrügen. Das ist nicht ganz einfach. Je leichter eine Sportart ist, desto schwerer ist der Betrug.
Am beliebtesten, so zeigen Feldstudien und Fachliteratur, ist immer noch die »Ich-fand-ihn«-Methode. Ungefähr fünfzehn Meter vom Ort, an dem der Ball in den Wald eindrang, findet der glückliche Golfer plötzlich seinen Ball – mirakulös.
Ähnlich wundersam ist die Eigenheit von Golfbällen, in der Luft ihre Markennamen zu wechseln. Sie starten als saubere, weiße Titleist-Bälle und kommen 150 Meter weiter vorn als verschmutzte Callaways und Nikes im hohen Gras an.
An dritter Stelle der Rangliste steht die Fähigkeit des Golfers, seinen gefundenen Ball mit Händen, Golfsäcken, Ästen, Schlägern und Füssen heimlich in eine neue, komfortablere Lage zu bugsieren. Selbstverständlich gilt diese Vorgehensweise nur für den eigenen Ball. Findet man den Ball eines Gegners, dann stellt man sich drauf.
Kein Schiedsrichter sieht dabei zu. Ärgern wir uns aber nicht, sehen wir lieber die positiven Seiten. Als im deutschen Fußball die Affäre um den korrumpierten Robert Hoyzer hoch kochte, konnten wir Golfer uns wieder einmal selbstbewusst zurücklehnen. Golf, konnten wir uns sagen, ist eben doch ein sauberer Sport – bei uns gibt es keinen einzigen Fall von Schiedsrichterbestechung.
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