Jan Zweyer
Ein Königreich
von kurzer Dauer
Historischer Roman
Die Von-Linden-Saga Das Haus der grauen Mönche – Das Mündel Das Haus der grauen Mönche – Freund und Feind Das Haus der grauen Mönche – Im Dienst der Hanse Ein Königreich von kurzer Dauer
Anno 1531: Die von Lindens gehören zu den angesehensten Handelsfamilien Hattingens. Doch bereiten dem Patriarchen Jorge seine Söhne Kopfzerbrechen: Linhardt bekommt die Probleme der Niederlassung in Lübeck nicht in den Griff. Hinrick ist zwar blitzgescheit, hat aber keinerlei kaufmännische Ambitionen. Genauso wenig wie Lukas, der sogar mit seinem Vater bricht, um Instrumentenbauer in Münster zu werden. Dort reißen gerade die Wiedertäufer die Herrschaft an sich. Ungewollt steht Lukas bald im Zentrum der Auseinandersetzungen …
Jan Zweyer wurde 1953 in Frankfurt am Main geboren. Mitte der Siebzigerjahre zog er ins Ruhrgebiet, studierte erst Architektur, dann Sozialwissenschaften und schrieb als ständiger freier Mitarbeiter für die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Er war viele Jahre für verschiedene Industrieunternehmen tätig. Heute arbeitet Zweyer als freier Schriftsteller in Herne.
Mit seiner Trilogie Das Haus der grauen Mönche entführte er die Leser in das deutsche Mittelalter. In Ein Königreich von kurzer Dauer erzählt er nun die Geschichte der von Lindens in nächster Generation weiter.
(Die mit einem * gekennzeichneten Figuren sind historisch belegt.)
Familie von Linden
Jorge von Linden, Kaufmann
Marlein von Linden, seine Frau
Linhardt von Linden, sein ältester Sohn
Hinrick von Linden, sein mittlerer Sohn
Lukas von Linden, sein jüngster Sohn
Hattinger Bürger
Hermann Offerhues, Kaufmann
Werner Koitgen, Bürgermeister
Konrad Kielmann, Kaufmann *
Johannes Hörstken, Gerichtsschreiber
Seyfrid, sein Sohn, Lukas’ Freund aus Kindertagen
Hug, Gehilfe Kielmanns
Fritz van Emsche, Gildemeister der Krämer
Caspar Terboven, Ratsmitglied
Werner Mey, Richter *
Lübecker Bürger
Clas Wibbeking, Kaufmann
Juliana Wibbeking, seine Frau
Martin Wibbeking, sein Sohn
Jürgen Richolff, Drucker und Buchbinder *
Madlen, seine Tochter
Jürgen Wullenwever, Bürgermeister *
Peter, Gehilfe Linhardts
Claus Upberge, Medikus
Marx Meyer, Söldner *
Jacob, Tagelöhner
Johann Oldendorp, Jurist *
Münsteraner Bürger
Heinrich Xantus, Schmied und Ratsmitglied *
Jobst, sein Sohn und Lehrling
Cuntz Muntzer, Lautenmacher *
Anna, seine Tochter
Hans Westenbrinck, Schöffe der Tischler
Melchior, Tischlerlehrling
Hinrich Gresbeck, Schreinermeister *
Jan van Leiden, Täufer, selbst ernannter König des neuen Jerusalems
Bernd Knipperdolling, führendes Mitglied der Täufer *
Jan Matthys, führendes Mitglied der Täufer *
Bernd Rothmann, führendes Mitglied der Täufer *
Bernd Krechting, führendes Mitglied der Täufer *
Heinrich Krechting, Kanzler und Stellvertreter Jan van Leidens *
Johann Dusentschuer, Goldschmied und Prophet *
Wilbolt aus Neustadt, Wiedertäufer
Hänsel Eck (eigentlich Hans von Langenstrate), Überläufer im Kampf um Münster *
Adelige und ihre Gefolgsleute, Politiker und Geistliche
Johann III. von Jülich-Kleve-Berg, auch Johann der Friedfertige genannt, war ab 1521 der erste Herrscher der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg *
Wilhelm, genannt Wilhelm der Reiche, sein Sohn *
Konrad Heresbach, Prinzenerzieher, ab 1534 Geheimer Rat und einer der wichtigsten Politiker am Hof von Jülich-Berg *
Johann Ghogreff, von 1528 bis 1554 Kanzler am Hof von Jülich-Berg *
Johann von Vlatten, ab 1554 Kanzler am Hof von Jülich-Berg, Probst in Aachen *
Walther von Luitzenrode, Schultheiß auf Haus Cliff
Franz von Waldeck, Bischof *
Wilken Steding, Landadeliger aus Südoldenburg, Oberbefehlshaber der bischöflichen Truppen *
Lorenz Horst, Hauptmann der klevischen Truppen *
Karten
Teil 1: DER ENGLISCHE SCHWEISS
1
– Hattingen, 4. April 1531
Das Haus der von Lindens am Markt gehörte zu den schönsten Gebäuden der Stadt: tiefschwarzes Fachwerk, der Lehm auf dem Weiden- und Strohgeflecht dazwischen strahlend weiß gestrichen, Butzenglasscheiben in allen Fenstern. Es wirkte nicht protzig, aber der Wohlstand der Bewohner schlug sich in der Gestaltung der Hausfassade nieder: Farbige Muster rahmten die Fensteröffnungen ein, die breite Eingangstür wies kunstvoll geschnitzte Ornamente auf.
An dieser Stelle im Herzen Hattingens hatte noch vor zehn Jahren das Stammhaus der van Enghusens gestanden, einer alteingesessenen Kaufmannsfamilie, deren Tochter Marlein seit zwei Jahrzehnten mit Jorge von Linden verheiratet war. In einem Frühjahr waren das Dachgeschoss und die obere Etage des Hauses abgebrannt. Glücklicherweise war niemand bei dem Feuer zu Schaden gekommen und auch ein Übergreifen auf die Nachbargebäude konnte verhindert werden. Die Familie von Linden hatte damals entschieden, das beschädigte Gebäude bis auf die Grundmauern abzureißen und neu zu errichten – größer und schöner als zuvor.
Von der Diele im Erdgeschoss betrat man die geräumige Stube, in welcher gegessen und Gäste empfangen wurden. Davon ab ging das Kontor, welches nicht nur ein Fenster zur Straße hin hatte, sondern nach Lübecker Sitte auch eines zur Diele. So konnte der Hausherr, der lange in der Hansestadt an der Ostsee gelebt hatte, jederzeit kontrollieren, wer sich in seinem Haus aufhielt.
Über eine Treppe gelangte man in die oberen Etagen. Im ersten Stock fanden sich die Schlafkammern der Familie und eine weitere, deutlich kleinere Kammer. Hier bewahrten die Eheleute das auf, was ihnen wichtig, nicht aber für jedermanns Augen bestimmt war: Erinnerungsstücke wie den Tanach, eine jüdische Bibel, die Jorge von einem Freund erhalten hatte, der schon lange tot war.
Unter dem Dach hatten ursprünglich die Bediensteten gewohnt. Nachdem jedoch ein Anbau im Garten errichtet worden war, hatte man die frei gewordene Fläche in einen Vorratsraum umgewandelt, in den ausgewichen werden konnte, falls das eigentliche Lager zu voll zu werden drohte. Dort konnte jedoch nur das untergebracht werden, was ein Mann auf seinen Schultern über die Treppe hochzuschleppen vermochte, denn eine Seilwinde fehlte.
Die gesamte untere Etage des Anbaus war den Waren vorbehalten, mit denen Jorge von Linden Handel trieb. Die Kammern des Knechtes und die der zwei Mägde lagen darüber.
Zum Anwesen gehörte außerdem eine Scheune. Neben den zwei Pferden, die die Familie ihr Eigen nannte, fanden dort auch noch die beiden Karren Platz.
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