4. Geriatrische Einheit
Unter einer »geriatrischen Einheit« sind eine geriatrische Klinik, geriatrische Fachabteilung oder Kombinationen von verschiedenen stationären geriatrischen Einrichtungen einer Klinik zu verstehen, für deren Leitung ein Chefarzt bzw. ein fachlich weisungsungebundener Facharzt – jeweils mit der Zusatz- oder Schwerpunktbezeichnung Geriatrie bzw. Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie – zuständig ist.
(basierend auf der Richtlinie des Medizinischen Dienstes Bund (MD) nach § 283 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V Version 2021)
Tab. 2.2: Spezifische Hinweise des Bundesverbandes Geriatrie e. V. zur praktischen Umsetzung der Strukturprüfungen (eigene Darstellung, basierend auf der Richtlinie des Medizinischen Dienstes Bund (MD) nach § 283 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V Version 2021)
OPSStrukturmerkmale (gemäß OPS)Spezifische Hinweise des Bundesverbandes Geriatrie e. V.
Die Prüfung kann als Dokumentenprüfung, als Dokumentenprüfung mit ergänzender Vor-Ort-Prüfung oder als Vor-Ort-Prüfung durchgeführt werden. Die Entscheidung über die Erledigungsart trifft der zuständige Medizinische Dienst (vgl. Medizinischer Dienst Bund 2021, S. 8).
Gemäß § 275d Absatz 2 SGB V erhalten die Krankenhäuser vom Medizinischen Dienst einen Bescheid über die Erteilung oder Nichterteilung der Bescheinigung. Der Medizinische Dienst erstellt zudem je beantragtem OPS-Kode ein Gutachten über die durchgeführte Prüfung der Strukturmerkmale. Das Gutachten enthält Feststellungen zu den geprüften Strukturmerkmalen und zum Ergebnis der Prüfung im Hinblick darauf, ob die Strukturmerkmale erfüllt sind oder nicht (vgl. Medizinischer Dienst Bund 2021, S. 10).
Nach § 275d Absatz 2 SGB V erhalten die Krankenhäuser pro Standort und OPS, ggf. differenziert nach Stationen oder Einheiten, für die Leistungen, die mit den Krankenkassen vereinbart und abgerechnet werden sollen, bei Einhaltung der Strukturmerkmale eine Bescheinigung. Ergibt die Prüfung der Strukturmerkmale durch den Medizinischen Dienst, dass ein Krankenhaus die Strukturmerkmale nicht erfüllt und das Krankenhaus daher keine Bescheinigung erhält, kann das Krankenhaus aus dem vom Medizinischen Dienst übermittelten Gutachten die Gründe hierfür entnehmen. Gegen Negativ-Bescheinigungen (Verwaltungsakt) sind Widerspruch und Klage grundsätzlich möglich. Dabei richten sich Widerspruch und Klage an den jeweiligen Medizinischen Dienst und nicht etwa an die Krankenkassen. Die Medizinischen Dienste haben für die Strukturprüfungen gemäß § 275d SGB V daher ein Verwaltungsverfahren einzurichten, das den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. Medizinischer Dienst Bund 2021, S. 11 ff.).
Der Widerspruch hat grundsätzlich eine aufschiebende Wirkung. Liegt ein Widerspruch des Krankenhauses gegen die Entscheidung des Medizinischen Dienstes vor, so erfolgt eine erneute Begutachtung durch den Medizinischen Dienst. Diese Begutachtung kann nach Aktenlage oder vor Ort erfolgen. Es können ergänzende Unterlagen beim Krankenhaus angefordert werden. Folgt der Erstgutachter dem Vorbringen im Widerspruch nicht, wird der Sachverhalt durch einen Zweitgutachter geprüft.
Die Klagemöglichkeiten gegen das Prüfergebnis sind trotz gravierender Folgen (Vereinbarungs- und Abrechnungsverbot) gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Aus der Gesetzesbegründung zum MDK-Reformgesetz geht jedoch eindeutig eine Klagemöglichkeit mit aufschiebender Wirkung hervor:
»Sofern ein Krankenhaus gegen das Prüfergebnis des Medizinischen Dienstes klagt, kann es auf Grund der aufschiebenden Wirkung der Klage die entsprechenden Leistungen weiter vereinbaren und abrechnen; der Ausschluss […] gilt insofern erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Endscheidung, die die Nichterfüllung der Strukturvoraussetzungen ausweist.«
(Bundesministerium für Gesundheit 2019, S. 107)
Anstelle von Widerspruch und Klage hat das Krankenhaus auch die Möglichkeit, Maßnahmen zur Einhaltung der Strukturmerkmale umzusetzen und anschließend die Begutachtung der Einhaltung der Strukturmerkmale im Jahr der ursprünglichen Antragstellung in Form einer Wiederholungsprüfung erneut beim zuständigen Medizinischen Dienst zu beantragen.
Halten Krankenhäuser eines oder mehrere der im Rahmen einer Strukturprüfung nachgewiesenen Strukturmerkmale eines OPS-Kodes über einen Zeitraum von mehr als einem Monat nicht mehr ein, so haben sie dies gemäß § 275d Absatz 3 Satz 3 SGB V den Landesverbänden der Krankenkassen, den Ersatzkassen und dem zuständigen Medizinischen Dienst unverzüglich mitzuteilen. Ab 1. Januar 2022 gilt, dass als Folge dieser Mitteilung die Leistung nach Ablauf dieses Monats nicht mehr vereinbart und nicht mehr abgerechnet werden darf.
Nach der Mitteilung eines Krankenhauses über die Nichteinhaltung von Strukturmerkmalen gemäß § 275d Absatz 3 Satz 3 SGB V ist eine Wiederholungsprüfung möglich (vgl. Medizinischer Dienst Bund 2021, S. 12).
2.4 Strukturprüfungen als Instrument zur Umsetzung qualitativer Vorgaben an die Aktivierend-therapeutische Pflege
Krankenhäuser haben im Rahmen ihrer Leistungserbringung u. a. das Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsgebot zu beachten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist in § 12 Absatz 1 SGB V verankert und besagt, dass eine Leistung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein muss. Zudem darf sie das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Das Qualitätsgebot ist in § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V verankert und sieht vor, dass die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen müssen. Folgend dieser Grundsätze ist die Krankenhausabrechnungsprüfung nicht nur ein Instrument zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit,sondern dient gleichzeitig der Qualitätssicherung. Im Sinne einer qualitätsgesicherten Patientenversorgung werden im Rahmen der Strukturprüfungen auf abstrakt-struktureller Ebene daher die Mindestanforderungen an die Leistungserbringung sichergestellt.
Hierbei kommt der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie eine besondere Bedeutung zu, da diese das zentrale Kernelement des geriatrischen Behandlungskonzeptes darstellt. Ziel der Aktivierend-therapeutischen Pflege ist es, die individuell optimal erreichbare Mobilität des Menschen, die Selbstständigkeit und Teilhabe in der Form, wie diese vor der aktuellen Verschlechterung bestanden haben, wieder zu erreichen. Die Besonderheit der Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie ergibt sich im Kontext der Krankenhausabrechnungsprüfung daraus, dass sie von den geriatriespezifischen Operationen- und Prozedurenschlüsseln OPS 8-550 und OPS 8-98a als ein Mindestmerkmal genannt wird.
Eine allgemeine Krankenhausleistung bedürfte keiner gesonderten Erwähnung in den Mindestmerkmalen eines Operationen- und Prozedurenschlüssels, weil sie ohnehin Bestandteil jeder Krankenhausleistung ist.
Im Rahmen einer qualitätsgesicherten Patientenversorgung sind auf struktureller Ebene für alle Handlungs- und Pflegeschwerpunkte daher innerhalb der krankenhausinternen Organisationsstruktur Pflegestandards zu hinterlegen.
Darauf aufbauend sollten Einarbeitungs- sowie Fortbildungskonzepte definiert werden, um die praktische Umsetzung der Pflegestandards sicherzustellen und die abstrakt-strukturellen Anforderungen qualitätsgesichert auf den patientenindividuellen Behandlungsfall anwenden zu können. Hierbei können die Pflegefachkräfte mit strukturierter curricularer geriatriespezifischer Zusatzqualifikation als Multiplikator innerhalb des Multiprofessionellen Teams fungieren. Mit Einführung der regelmäßigen Strukturprüfungen ist die Überprüfung von Strukturmerkmalen im Einzelfall gemäß § 275c Absatz 6 Nr. 2 SGB V grundsätzlich ausgeschlossen.
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