In den Krankenhäusern wird mit dem damit einhergehenden Zeit- und Personalaufwand Personal gebunden, dass bei einer ineffizienten Ausgestaltung der Krankenhausabrechnung sowie deren Prüfung bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten fehlt. Die in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegenen Abrechnungsstreitigkeiten führen daher zu einem erheblichen administrativen Aufwand und resultieren in einer »Behandlung am Schreibtisch«. Dieser Fehlentwicklung gilt es durch geeignete Maßnahmen zielgerichtet entgegenzuwirken.
2.2 Rechtliche Grundlagen
Zur Steigerung der Effektivität und Effizienz der Krankenhausabrechnungsprüfung hat der Deutsche Bundestag am 7. November 2019 das MDK-Reformgesetz (»Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen«) beschlossen, welches in weiten Teilen zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (
Kap. 1
). Zum Ausgleich COVID-19 bedingter Belastungen für Krankenhäuser wurden mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz vom 27. März 2020 sowie mit dem Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 die mit dem MDK-Reformgesetz neu eingeführten Regelungen zum Teil jedoch für das Jahr 2020 außer Kraft gesetzt bzw. zeitlich auf das Jahr 2021 verschoben.
Mit den Neuregelungen des MDK-Reformgesetzes soll u. a. eine systematische Reduktion strittiger Kodier- und Abrechnungsfragen erzielt werden. Ein Baustein zur Weiterentwicklung der Krankenhausabrechnungsprüfung bildet die Einführung eines zweistufigen Prüfregimes, bestehend aus einer vorgelagerten Prüfung von krankenhausbezogenen Strukturmerkmalen gemäß § 275d des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und der Prüfung von patientenbezogenen Mindestmerkmalen im Einzelfall gemäß § 275c SGB V. Dieser zweistufige Prüfansatz stellt einen Paradigmenwechsel in der Krankenhausabrechnungsprüfung dar. Erstmals werden damit rechtsverbindliche Regelungen für Strukturprüfungen geschaffen. Die Einhaltung dieser wird dabei auf abstrakt-struktureller Ebene und losgelöst vom patientenindividuellen Einzelfall geprüft (
Kap. 1
). Statt einer Prüfung in einer Vielzahl von Einzelfällen wird die Erfüllung von strukturellen Voraussetzungen in einer jährlichen Strukturprüfung gebündelt. Im Ergebnis sollen die Aufwendungen im Rahmen der Krankenhausabrechnungsprüfung reduziert und die Planungssicherheit der Krankenhäuser sowie Krankenkassen hinsichtlich der Abrechnungsbefugnis gestärkt werden (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2019, S. 87 ff.).
Der in diesem Zusammenhang neu geschaffene § 275d SGB V verpflichtet Krankenhäuser, die Einhaltung von Strukturmerkmalen durch den Medizinischen Dienst (MD) 14 begutachten zu lassen, bevor Leistungen mit den Krankenkassen vereinbart und abgerechnet werden können.
Grundsätzlich ist im Rahmen dieser Strukturprüfung die Einhaltung der im OPS definierten Strukturmerkmale vorzuweisen.
Grundlage für die Strukturprüfungen bildet daher der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 15 herausgegebene amtliche Operationen- und Prozedurenschlüssel.
Zu den strukturellen Voraussetzungen gehören hierbei insbesondere Anforderungen an das vorzuhaltende Personal, Anwesenheitszeiten, Verfahren, Geräte sowie Zugänge zu externen Versorgungsstrukturen. So ist in diesem Zusammenhang auch die Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie seit der OPS-Version 2021 als Strukturmerkmal ausgewiesen (
Kap. 1
).
Sofern Krankenhäuser die Einhaltung der Strukturvoraussetzungen des jeweiligen Operationen- und Prozedurenschlüssels innerhalb der hausinternen Organisationsstruktur nachweisen können, erhalten sie gemäß § 275d Absatz 2 SGB V eine Bescheinigung über das Ergebnis der Prüfung zur Vorlage bei den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen. Diese Bescheinigung enthält neben dem Prüfergebnis insbesondere auch Angaben darüber, für welchen Zeitraum die Einhaltung der jeweiligen Strukturmerkmale als erfüllt angesehen wird. Für die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bzw. die teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung beträgt die Gültigkeit der Bescheinigung in der Regel ein Jahr. Im Rahmen dieser vorgelagerten Strukturprüfung erhalten die Krankenhäuser damit eine generelle Abrechnungsbefugnis für zukünftige Behandlungsfälle. In der Vergangenheit erfolgte diese Prüfung retrospektiv nach Abschluss des jeweiligen Behandlungsfalls 16 , weshalb Krankenhäuser häufig Rechnungskürzungen für bereits erbrachte Leistungen zu verbuchen hatten. Aufgrund einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe und definitorischer Unklarheiten innerhalb der Klassifikationssysteme des aG-DRG-Systems führte dieser retrospektive Prüfansatz aus betriebswirtschaftlicher Sicht in der Vergangenheit zu einer hohen Planungsunsicherheit auf Seiten der Krankenhäuser und Krankenkassen. Diese Planungsunsicherheit wurde insbesondere durch das Fehlen rechtsverbindlicher Regelungen zur Durchführung von Strukturprüfungen sowie einheitlicher Definitionen der Struktur- und Prozessmerkmale hervorgerufen. Vor diesem Hintergrund wurde der klassifikatorische Aufbau der Komplexbehandlungen mit Einführung der Strukturprüfungen gemäß § 275d SGB V grundlegend durch das BfArM restrukturiert. Im Zusammenhang mit den Neuregelungen des § 275d SGB V ist innerhalb des Klassifikationssystems des Operationen- und Prozedurenschlüssels für die Version 2021 eine Aufteilung der in den Kapiteln 1, 8 und 9 bei einer Vielzahl von Kodes bisher genannten Mindestmerkmale in krankenhausbezogene Strukturmerkmale und patientenbezogene Mindestmerkmale erfolgt (vgl. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 2020, S. 5). Eine derartige Aufteilung der Mindestmerkmale ist ebenfalls für die geriatriespezifische frührehabilitative Komplexbehandlung sowie die teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung erfolgt.
Grundsätzlich gilt, dass Krankenhäuser, die die strukturellen Voraussetzungen nicht erfüllen, die Leistungen gemäß § 275d Absatz 4 SGB V ab dem Jahr 2022 nicht vereinbaren und nicht abrechnen dürfen. Fehlende oder negative Struktur-Bescheinigungen reduzieren daher das Leistungsspektrum des Krankenhauses, weshalb neben den verantwortlichen kaufmännischen Professionen auch alle an der Behandlung beteiligten medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Professionen des Multiprofessionellen Teams in den Gesamtprozess der Strukturprüfungen einzubinden sind. Die nachfolgende Abbildung (
Abb. 2.1) gibt einen Überblick der rechtlichen Grundlagen zur formalen Umsetzung der Strukturprüfungen gemäß § 275d SGB V.
Abb. 2.1: Rechtliche Grundlagen zur formalen Umsetzung der Strukturprüfungen (eigene Darstellung, basierend auf § 275d SGB V)
Der Medizinische Dienst Bund 17 hat gemäß § 283 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 SGB V eine Richtlinie über die regelmäßigen Begutachtungen zur Einhaltung von Strukturmerkmalen zu erlassen (StrOPS-RL). Diese Richtlinie wurde am 20. Mai 2021 durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) genehmigt und legt die Einzelheiten zur Antragsstellung durch die Krankenhäuser und die Begutachtung durch die Medizinischen Dienste fest. Im Folgenden wird das Antragsverfahren vorgestellt und darauf aufbauend der Begutachtungsablauf gemäß der StrOPS-RL in der Version 2021 skizziert.
Читать дальше