Abb. 1.8: Zusammensetzung Gesamtentgelt pro Fall (eigene Darstellung)
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ist ein Beratungsdienst der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen. Um dessen Unabhängigkeit zu gewährleisten und die Wahrnehmung seiner Aufgaben verbindlich und einheitlich zu regeln, trat am 01.01.2020 das MDK-Reformgesetz, geregelt im Sozialgesetzbuch 5 (SGB V), in Kraft. Dieses Gesetz soll dafür Sorge tragen, dass der zukünftige MD unabhängiger wird und die Effizienz, Effektivität und Transparenz der Krankenhausabrechnungsprüfung gesteigert wird. Ebenfalls sollen hierdurch die Prüfquoten in den Krankenhäusern nicht mehr, wie in der Vergangenheit geschehen, kontinuierlich ansteigen (
Kap. 2
).
Der Umfang der zu prüfenden Krankenhausabrechnungen wird zukünftig von dem Anteil der unbeanstandeten Abrechnungen des Vorquartals beeinflusst. Ein hoher Anteil unbeanstandeter Abrechnungen führt zu einer niedrigeren Prüfquote. Liegt der Anteil der unbeanstandeten Abrechnungen z. B. bei weniger als 40 %, so können von den Krankenkassen bis zu 15 % der Fälle eines Krankenhauses zur Prüfung beauftragt werden. Ebenfalls muss in diesem Fall das Krankenhaus zusätzlich einen Aufschlag auf die Differenz der Abrechnungsbeträge in Höhe von 50 % zahlen.
Es wird also für ein Krankenhaus zukünftig sehr teuer, wenn die Dokumentation unvollständig, fehlerhaft oder nicht fachgerecht ist und der Prüfung somit nicht Stand hält. Auch wird die Vollständigkeit und Nachverfolgbarkeit der Handzeichen und deren persönliche Verwendung nicht nur in der Pflege erheblich an Bedeutung gewinnen.
Die Falldialoge, die bisher zwischen dem Krankenhaus und der Krankenkasse zur Reduzierung des Prüfaufwandes üblich waren, sind jedoch nicht in die Prüfquoten mit einzubeziehen.
Das Ziel der Krankenhäuser muss also zukünftig sein, die korrekte, vollständige Abrechnung und lückenlose Dokumentation der Fälle zeitnah zu organisieren. Hierdurch werden weitere Strafzahlungen bei zu hohen Fehlerquoten vermieden und die Liquidität des Krankenhauses wird durch schnellere Abrechnung der Fälle gestärkt.
1.7 Struktur und Prozess der geriatrischen Behandlung
Neben der Prüfung von strukturellen Voraussetzungen in einer gebündelten Strukturprüfung werden zukünftig die prozessbezogenen Voraussetzungen separat geprüft. Als Beispiel sei im Bereich der Geriatrie die Teambesprechung genannt. Die Durchführung einer Teambesprechung pro Kalenderwoche unter Beteiligung der fachärztlichen Behandlungsleitung und der weiteren Teilnehmer*innen stellt hier ein Strukturmerkmal dar. Die Teambesprechung, die im Verlauf von sieben Tagen bei jedem*jeder Patienten*Patientin dokumentiert werden muss, stellt hingegen –neben weiteren Merkmalen – ein Prozessmerkmal dar, welches im Rahmen von Einzelfallprüfungen kontrolliert wird. Es ist also in Zukunft noch wichtiger, diese beiden Dokumentationsformen kritisch zu hinterfragen. Gibt es einen Standard zur Durchführung der Teambesprechung? Ist die patientenindividuelle Dokumentation vollständig und hält die Dokumentation defizitbezogen allen Vorgaben einer Prüfung durch den MD stand? Sind die Teilnehmer*innen identifizierbar und halten sie auch Kreuzprüfungen stand, z. B. mit einem Dienstplan? (
Kap. 2
)
Abb. 1.9: Struktur und Prozess der geriatrischen Behandlung gem. OPS 8-550 (eigene Darstellung)
Strukturmerkmale müssen zukünftig vor der Leistungserbringung durch den Medizinischen Dienst begutachtet werden. Die erforderlichen personen- und einrichtungsbezogenen Daten sind unaufgefordert durch das Krankenhaus an den Medizinischen Dienst zu übermitteln. Die Ergebnisse dieser Strukturprüfungen beinhalten auch einen begrenzten Zulassungszeitraum. Spätestens am 31.12. müssen die Krankenhäuser die Bescheinigung, die die Strukturen feststellen, für das Folgejahr an die Landesverbände der Krankenkassen übermitteln.
Die Vollständigkeit der Dokumentation ist ebenfalls von erheblicher Bedeutung, da nach Übermittlung der Abrechnung an die Krankenkasse eine Korrektur dieser Abrechnung durch das Krankenhaus ausgeschlossen ist.
Nur noch zum Zweck der Korrektur zur Umsetzung eines Prüfergebnisses des Medizinischen Dienstes oder eines rechtskräftigen Urteils darf die Abrechnung bei Erforderlichkeit korrigiert werden.
Auch die Prüfung der Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen vom 26.03.2019 hat weiterhin Bestand und wird bei Verstoß mit Sanktionen belangt (vgl. SGB V § 137i Abs. 1a).
Die Prüfung der Abrechnung der tagesbezogenen Pflegeentgelte ist derzeit nicht zulässig. Hier kann es also zukünftig vorkommen, dass in der Abrechnung zwei verschiedene Verweildauern berücksichtigt werden müssen: zum einen die mögliche Kürzung unter die untere Verweildauer der DRG, um die Abschläge zu beziffern, und zum anderen die tatsächliche Verweildauer, um das Pflegeentgelt zu berechnen.
Beachte die Auslegungshinweise des Bundesverbandes Geriatrie zum OPS 8-550 Version 2021. 10 10 https://www.bv-geriatrie.de/images/INHALTE/Verbandsarbeit/DRG-Projektgruppe/Auslegungshinweise_2021/2021-Auslegungshinweise_OPS_8-550_BV_Geriatrie_Finaler_Entwurf.pdf
1.8 Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz mit Auswirkung auf die geriatrische Rehabilitation
Der Kabinettsbeschluss vom Bundesministerium für Gesundheit hat im August 2019 einen ersten Referentenentwurf zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) veröffentlicht, welcher am 06.12.2019 in veränderter Form dem Kabinett zur Verabschiedung am 12.02.2020 vorgelegt wurde. Der Entwurf sieht – neben vielen anderen Regelungen zur außerklinischen Intensivpflege, die nicht Bestandteil dieser Arbeit sind – vor, dass im Bereich der Rehabilitation Ärzt*innen auch ohne vorherige Prüfung der medizinischen Notwendigkeit durch die Krankenkasse eine geriatrische Rehabilitation verordnen dürfen. Auch dass die Leistungen der geriatrischen Rehabilitation in der Regel ambulant für 20 Behandlungstage oder stationär für drei Wochen erbracht werden, ist im Entwurfstext noch geregelt (vgl. Referentenentwurf zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) § 40 SGB V)
»Am 2. Juli [2020] hat der Deutsche Bundestag das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) beraten und verabschiedet. Knapp ein Jahr nach Veröffentlichung eines ersten Referentenentwurfs des Gesetzes (damals noch unter dem Titel: Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz – RISG) hat der Gesetzgeber damit wesentliche Neuerungen unter anderem für die geriatrische Rehabilitation […] beschlossen. Aus Sicht der Geriatrie sind mehrere Neuregelungen relevant: […]
Die Grundlohnsummenbindung nach § 71 SGB V wird für Vergütungsverhandlungen aufgehoben […]. Bisher durfte bei der Vergütungsverhandlung nicht über die jährlich festgelegte Steigerungsrate der Grundlohnsumme – auch jährliche Veränderungsrate genannt – hinausgegangen werden. Die Entscheidung des Gesetzgebers eröffnet jetzt neue Vergütungsspielräume, da die Krankenkassen sich nicht mehr pauschal auf die Obergrenze der Grundlohnsumme berufen können. […]
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