Kommt es aber so weit, dass man gleichrangige Qualitäten von verschiedenen Grundbestandteilen des Horoskops ähnlich deutet, so führt dies lediglich zu einer endlosen Aneinanderreihung von schwacher Symbolik, was der Fantasie erlaubt, sich alles vorzustellen, was sie will. Dies lenkt aber nur von tiefer und ausführlicher Darstellung ab, die ein abgegrenzterer und systematischerer Zugang zu den Häusern erbringen kann.
Ein Rückgriff auf die Urprinzipien würde uns zwingen einzuräumen, dass Uranus viel eher zu der Beschreibung „nicht vorhersehbar, exzentrisch, rebellisch, widersprüchlich, taktlos und verderbt“ passt. Das würde zugleich für den Wassermann bedeuten, dass er seine Reputation als „humanes“ Zeichen zurückgewinnt, bekannt für Gunst, Taktgefühl und Geselligkeit. Die menschlichen Zeichen – die Luftzeichen – sind die stolzen Eigner einer bemerkenswerten Fähigkeit zu intellektueller Kommunikation sowie für zivilisiertes und rationales Denken, ganz anders als die animalischen Zeichen, die mehr zu sturem und aufsässigem Verhalten neigen, da es ihnen an den sozialen und geistigen Fähigkeiten der Luftzeichen mangelt. Indem wir zu den Ausgangsprinzipien zurückkehren werden wir auch einräumen müssen, dass kein Planet die Züge von „Liebenswürdigkeit“ und „freundschaftlicher Gesinnung“ weniger an den Tag legt als Uranus. Seine ersten Beobachter charakterisierten ihn an „böse“ und entzweiend in seiner Auswirkung. Uranus verursacht Trennung, und wenn er Spannungen löst, dann geschieht dies manchmal auf eine abrupte Weise, die man als schockierend, grausam und gewaltsam erlebt. Wenn wir auf die Ausgangsprinzipien zurückgreifen, dann müssten wir schließlich auch akzeptieren, dass die Planeten kennzeichnen, die Zeichen beschreiben und die Häuser örtlich bestimmen und befähigen. Dies können sie umso effektiver, wenn jedem seine Eigenheit zuerkannt wird. Bei seiner Erklärung zum Ursprung der Hausbedeutung hätte Ralph Holden nicht noch falscher liegen können – das 1. Haus hat sehr wohl mit „Auftreten, Aussehen, Veranlagung, Körper, Gesundheit und Vitalität“ zu tun und viel weniger mit Widder, als die meisten von uns denken.
Holdens Theorie ist nur in einem Punkt stimmig, es scheint nämlich bei den anatomischen Zuordnungen immer eine Verwandtschaft zwischen Zeichen- und Hausbedeutung bestanden zu haben. So werden sowohl das 1. Haus als auch Widder dem Kopf zugeordnet, das 2. Haus und Stier werden dem Hals zugeordnet usw. Aus diesem Grund hat William Lilly die Zeichen als Co-Signifikatoren für die Häuser bezeichnet, aber die Planeten, die er als Co-Signifikatoren feststellte, haben nichts zu tun mit den Zeichenherrschern. In seinem Werk wird den Verbindungen zwischen Zeichen und Häusern abgesehen von deren gemeinsamer Herrschaft über bestimmte Körperteile keine große Bedeutung zugemessen. Die Vorstellung, dass diese in einem allgemeineren Sinne gleichgestellt werden könnten, scheint erst während der Popularisierung der Astrologie im 17. Jahrhundert Fuß gefasst zu haben und ist seitdem langsam unser Denken eingesickert. Die Astrologen der Renaissance, die ihre Arbeit ernst nahmen, verwarfen diese Verdrehung der astrologischen Prinzipien und mahnten zur Vorsicht. Dies klingt ganz offensichtlich bei Nicholas Culpeper durch. Er schreibt im Jahr 1658:
Manche Autoren vertreten die Meinung, dass die Zeichen die gleiche Bedeutung haben in der Abfolge der Himmelshäuser, so dass Aries das Leben bezeichnet, Stier den Besitz, Zwillinge die Geschwister und kurze Reisen – alles weitere kennen Sie. Wahrlich, es ist meine Meinung, dass viele Autoren wundersame Dinge erfunden haben, und nachdem sie dies getan hatten, haben sie dies der Nachwelt als Wahrheit vorgesetzt. Diese wiederum hat es ohne weitere Erprobung übernommen und die Tradition in Plüsch und das arme Urteilsvermögen in Lumpen gekleidet. Ein Autor hat es so gesagt. Ergo ist dies wahr, ob richtig oder falsch. 5
Ohne Rücksicht darauf, ob einige Astrologen es für nützlich halten, die Bedeutung von Zeichen und Häusern in dieser Weise anzuwenden, bleibt es eine historische Tatsache, dass sich die Bedeutung der Häuser nicht aus den Tierkreiszeichen heraus entwickelt hat, sondern dass die Zeichen angepasst und ausgeweitet wurden, um ihnen die Bedeutung der derjenigen Häuser einzuverleiben, die ihnen in der natürlichen Abfolge der Zeichen entsprechen. Wie wir anhand der Untersuchung der traditionellen Herrschaftsbezüge und der diesen zugrunde liegenden Prinzipien sehen werden, erlangten die Häuser ihre wesentlichen Deutungsinhalte durch die Eingliederung ganz anderer und sehr viel wichtigerer symbolischer Einflüsse. Ihnen ist eine wirkungsvolle Philosophie zu eigen, die wir sehr wohl erkennen dürften, wenn wir uns von vagen und unpräzisen Deutungsmöglichkeiten lösen und den Blick für zuverlässige und spezielle Details schärfen, die einen direkteren und praktischeren Wert haben.
Die zweite allgemein akzeptierte Theorie über die Entstehung der Häuserbedeutungen behauptet, dass sie das Ergebnis eines ursprünglichen „Lebenszyklus“ sind, der am Aszendenten beginnt und mit dem 12. Haus endet, wo wir uns zersetzen und in das Gefäß des Unbewussten auflösen, aus dem wir einst gekommen sind. Dieser Ansatz hat eine besonders populäre Anziehungskraft, da er eine psychologische oder spirituelle Wahrheit präsentiert und genügend unklar ist, um für jede aktive Imagination einen fruchtbaren Boden zu liefern. Diese Theorie wurde besonders von denjenigen Astrologen verfochten, die eine lockere Herangehensweise an Symbole bevorzugen, was eigentlich nur dann funktioniert, wenn man in der Lage ist, die traditionellen Herrscher in eine vollkommen neue Perspektive zu überführen. Howard Sasportas war ein berühmter Vertreter dieses Standpunktes. Er schreibt zum Beispiel in seinem Buch Häuser und Aszendenten, dass die Häuser ein Rad des Lebens darstellen, welches mit der Zählung der Häuser im Gegenuhrzeigersinn korrespondiert. Dies scheint mit den ersten Häusern auch gut zu funktionieren und wir erfahren: „Das Aszendentenzeichen symbolisiert eine Facette der Gesamtheit des Lebens, die im eigentlichen Sinne des Wortes Verkörperung durch das sucht, was in diesem Augenblick geboren wird.“ 6Das zweite Haus weist auf unsere „Beziehung zu allem, was mit Geld und Besitz zu tun hat, also auf unsere Einstellung gegenüber der materiellen Welt und den Bedingungen, die wir in diesem Bereich antreffen“ 7, im dritten Haus entwickeln wir unser „Ego-Bewusstsein“ usw.
Danach beginnt die Logik der Theorie abzudriften und bietet uns keine rationale Erklärung dafür, warum ausgerechnet das 8. Haus des Todes dem 10. Haus vorausgehen soll, welches mit Karriere und Berufung zu tun hat, oder warum das 5.Haus, dem Schwangerschaft und Kinder zugeordnet werden, dem 7. Haus von Partnerschaft und Ehe vorausgeht. Die Versuche, Tradition und die gegenwärtige Anwendung auszusöhnen, sind ausgeklügelt und Punkte, die dafür sprechen, werden mehr durch kreative Vermutungen als durch historische Forschung gerechtfertigt. Ich wiederhole, diese Theorie verlässt sich stark auf die modernen Herrscherzuordnungen, für die es im traditionellen System keinen Beleg gibt. Das führt zu immer weiterer Aushöhlung der traditionellen Häuserdeutung, anstatt die Hypothese tauglich zu machen.
Das erkennbare Versagen der derzeit vorherrschenden Theorien ist daran zu sehen, dass sie es vorziehen, die Deutungen, die während der gesamten Geschichte der Astrologie üblich und gängig waren, zu ignorieren. Um es passend zu machen, müssen wir unser Verständnis von den Deutungen zu etwas „entwickeln“, das so ziemlich genau das Gegenteil von dem ist, was die Astrologen früherer Generationen zugelassen hätten.
Abb. 1: Moderne, psychologische Bedeutung der Häuser
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