Bewältigungsfragen . Wenn Klienten berichten, dass ihre Situation nicht besser geworden sei, kann der Therapeut u. U. Bewältigungsfragen stellen, z. B. die: »Wie haben Sie es geschafft zu verhindern, dass die Situation schlimmer wird?« oder »Das mag schlimm klingen, aber wie haben Sie es geschafft, damit – in dem Maß, wie Sie es tun – fertig zu werden?«.
Gibt es etwas, das ich vergessen habe zu fragen? Bevor man eine Sitzungspause macht – oder manchmal auch während des Therapiegesprächs –, kann der Therapeut den Klienten fragen: »Gibt es etwas, das ich vergessen habe zu fragen?« oder »Gibt es noch etwas, das ich wissen müsste?«.
Eine Sitzungspause einlegen und anschließend wieder zusammenkommen . In vielen familientherapeutischen Modellen wird empfohlen, dass der Therapeut gegen Ende der Sitzung eine Pause einlegt. In dieser Pause findet dann meistens ein Gespräch zwischen dem Therapeuten und einem Team von Kollegen oder Supervisoren statt, das die Sitzung beobachtet hat, dem Therapeuten Rückmeldung gibt und ihm Vorschläge macht. In der SFBT wird dem Therapeuten ebenfalls empfohlen, gegen Ende der Sitzung eine Pause einzulegen. Wenn Kollegen oder Supervisoren das Therapiegespräch beobachtet haben, geben sie dem Therapeuten ein Feedback, eine Reihe von Komplimenten für seine Klienten und Anregungen für Interventionen, die auf den Stärken der Klienten, ihren früheren Lösungen oder auf Ausnahmen des Problems beruhen. Wenn kein Beobachterteam zur Verfügung steht, macht der Therapeut dennoch eine Pause, in der er seine Gedanken ordnet, sich Komplimente für die Klienten ausdenkt und Ideen für potenzielle Experimente entwickelt. Danach kehrt er in die Sitzung zurück und kann als Auftakt Komplimente und anerkennende Worte an die Klienten richten – wie es die Therapeutin im folgenden Beispiel tut.
THERAPEUTIN: Ich wollte Ihnen einfach sagen, dass die Teamkollegen diese Woche wirklich von Ihnen beiden beeindruckt waren. Ich soll Ihnen ausrichten, dass sie von Ihnen, der Mutter, den Eindruck haben, dass Sie sich wirklich sehr um Ihre Tochter kümmern. Mutter zu sein ist echt schwer, und Sie wirken so engagiert, und es wird deutlich, wie sehr Sie Ihre Tochter lieben und wie gerne Sie ihr helfen möchten. Es hat den Kollegen sehr imponiert, dass Sie heute zur Sitzung gekommen sind, obwohl Sie arbeiten müssen und ein krankes Kind zu Hause haben. – Anita, die Kollegen möchten auch dir ein Kompliment machen für dein Engagement, das Familienleben angenehmer zu machen. Von ihnen soll ich dir sagen, für wie klug und wortgewandt sie dich halten und was du für eine gute »Naturwissenschaftlerin« bist! Ja, dass du dir anscheinend echt bewusst bist, was kleine, unbedeutende Dinge, die in deiner Familie geschehen, doch alles verändern können … Das ist es, was Naturwissenschaftler tun; sie beobachten Dinge, die Dinge zu verändern scheinen, gleichgültig, wie klein sie auch sind. Wie dem auch sei, die Teamkollegen waren von Ihnen beiden sehr angetan!
TOCHTER: [Wirkt erfreut] Klasse, danke!
Experimente und Hausaufgaben . In vielen psychotherapeutischen Modellen ist vorgesehen, dass die Klienten zwischen den einzelnen Sitzungen – meistens vom Therapeuten vorgegebene – Hausaufgaben durchführen, damit die im Therapieraum eingeleiteten Veränderungen konsolidiert werden. In der SFBT schlägt der Therapeut den Klienten am Ende der Sitzung häufig ein mögliches Experiment vor, das sie bis zum nächsten Therapiegespräch ausprobieren können – wenn sie möchten. Solche Experimente basieren auf etwas, was der Klient bereits praktiziert (d. h. auf Ausnahmen des Problems), denkt, fühlt usw. und was ihn seinem Ziel näher bringt. Manchmal denkt sich der Klient auch selbst eine Hausaufgabe aus. Beide Vorgehensweisen folgen dem Grundsatz, dass es immer besser ist, wenn die Ideen vom Klienten ausgehen, als wenn der Therapeut Vorschläge machen muss. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens ist der Klient mit dem, was er – direkt oder indirekt – vorschlägt, persönlich vertraut. Der Grund, weshalb Klienten, die nach anderen Therapiemodellen behandelt werden, ihre Hausaufgabe nicht machen, besteht im Wesentlichen darin, dass sie dem Klienten fremd ist und zu ihrer Durchführung folglich mehr Überlegung und Anstrengung notwendig sind (was im Allgemeinen als »Widerstand« bezeichnet wird). Zweitens geben Klienten sich selbst meistens solche Hausaufgaben, die sich entweder auf bereits erfolgreich durchgeführte Handlungen beziehen (auf eine frühere Lösung) oder auf Dinge, die der Klient auch wirklich umsetzen will. In beiden Fällen verbindet der Klient die Hausaufgabe enger mit seinen Zielen und Lösungen. Drittens ist die natürliche Neigung des Klienten, gegen von außen kommende Interventionen – auch wenn dahinter noch so gute Absichten stehen – »Widerstand« zu leisten, schwächer ausgeprägt, wenn er seine Hausaufgabe selbst entwerfen kann. In der SFBT fokussiert man nicht auf den Widerstand des Klienten. Man sieht dieses Phänomen vielmehr als einen natürlichen, schützenden Prozess, den Menschen sich zunutze machen, damit sie sich langsam und vorsichtig der Veränderung nähern können – und nicht als Zeichen einer Psychopathologie. Wenn der Klient den Anstoß für eine Hausaufgabe selbst gibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sie erfolgreich durchführt, mit Sicherheit höher.
THERAPEUTIN: Bevor wir die heutige Sitzung beenden, möchte ich Sie beide noch bitten, dass Sie sich über eine Hausaufgabe Gedanken machen. Wenn Sie sich für die kommende Woche eine Hausaufgabe geben müssten, wie würde die aussehen?
TOCHTER: Vielleicht so, dass wir mehr miteinander reden?
THERAPEUTIN: Kannst du mir das genauer erläutern?
TOCHTER: Also, dass ich versuche, mehr mit ihr zu reden, wenn ich von der Schule nach Hause komme. Und dass sie dann mit dem, was sie gerade macht, aufhört und mir zuhört.
THERAPEUTIN: Das finde ich gut. Weißt du warum? Weil es genau das ist, womit Ihr beide schon letzte Woche angefangen habt. Was halten Sie als Mutter von der Idee? Ist das eine gute Hausaufgabe?
MUTTER: Ja, die ist gut.
THERAPEUTIN: Das heißt also, um es noch einmal klar zu formulieren: Anita wird versuchen, mehr mit Ihnen zu reden, wenn sie von der Schule nach Hause kommt. Und Sie werden das, was Sie gerade machen, unterbrechen, wenn es geht, und ihr zuhören und mit ihr über das sprechen, wovon sie Ihnen gerade erzählt. Sonst noch etwas? Wollen Sie dem noch etwas hinzufügen?
MUTTER: Nein, das ist gut so. Ich muss eben mit dem, was ich gerade mache, aufhören; ich glaube, es ist wichtig, dass ich ihr zuhöre.
THERAPEUTIN: Ja, und ich hatte den Eindruck, dass das bei Ihnen beiden letzte Woche wirklich gut geklappt hat. Okay, das ist also die Aufgabe. Wir werden das nächste Mal sehen, wie es gelaufen ist.
Hier sind ein paar Aspekte hervorzuheben. Erstens werden Mutter und Tochter aufgefordert, sich selbst eine Aufgabe zu stellen – statt dass die Therapeutin ihnen einen Auftrag gibt. Zweitens ergibt sich die Aufgabe, die Mutter und Tochter formulieren, ganz natürlich aus einer früheren Lösung und aus den Ausnahmen, die sie in der Woche zuvor beobachtet haben. So etwas kommt sehr häufig vor und wird von lösungsfokussiert arbeitenden Therapeuten unterstützt. Doch selbst, wenn sich die Klientinnen eine Aufgabe gestellt hätten, die nicht auf einer früheren Lösung und auf Ausnahmen des Problems beruht hätte, hätte die Therapeutin den Vorschlag der beiden höchstwahrscheinlich gutgeheißen – denn entscheidend ist, dass die Aufgabenstellung vom Klienten kommt.
»Was ist seit unserem letzten Gespräch besser geworden, auch wenn es nur ein kleines bisschen besser ist?« Ab der zweiten Sitzung und zu Beginn eines jeden Therapiegesprächs erkundigt sich der Therapeut üblicherweise nach dem Fortschritt des Klienten, d. h. danach, was zwischen der letzten und der jetzigen Sitzung besser gewesen ist. Viele Klienten berichten, dass spürbare Besserungen zu beobachten gewesen seien. In solchen Fällen motiviert der Therapeut die Klienten dazu, diese Veränderungen so detailliert wie möglich zu beschreiben. Natürlich berichten manche Klienten auch, dass die Situation unverändert geblieben sei oder sich sogar verschlimmert habe. In solchen Fällen exploriert der Therapeut, wie die Klienten es haben verhindern können, dass die Situation nicht noch schlimmer geworden ist – bzw., wenn eine Verschlimmerung eingetreten ist, erkundigt sich der Therapeut bei den Klienten, wie sie es geschafft haben, dass die Situation nicht noch viel schlimmer geworden sei. Alles, was der Klient unternommen hat, um eine Verschlechterung abzuwenden, wird dann zum zentralen Thema und ist Anlass für Komplimente und Anerkennung und vielleicht auch für ein Experiment: alles so weiterzumachen, wie man es bisher gemacht hat. Meistens wird ausführlich darüber gesprochen, was besser geworden ist, und anschließend bittet der Therapeut die Klienten, ihre Fortschritte auf einer Skala einzustufen (wobei die Skalierung auf eine Lösung zustrebt). Wenn die Klienten sich höher einstufen als in der letzten Sitzung, macht der Therapeut ihnen Komplimente für ihre Fortschritte und hilft ihnen herauszufinden, wie sie die positive Entwicklung aufrechterhalten können.
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