Kurt Anglet
Auferstehung und Vollendung
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Umschlag: Peter Hellmund
ISBN 978-3-429-03683-6 (Print)
978-3-429-04746-7 (PDF)
978-3-429-06160-9 (e-Pub)
Vorwort: Geschichte und Vollendung im Licht der Offenbarung
Glaube und Kerygma
Geist und Glauben
Kreuz und Auferstehungswirklichkeit
Christusglaube und Offenbarung
Auferstehung Jesu Christi im Lichte der Prophetie
Vollendung im prophetischen Geist
Offenbarung und Vollendung
Gott – der ist und der war und der kommt
Literaturverzeichnis
Vorwort: Geschichte und Vollendung im Licht der Offenbarung
Die derzeitige Krise des christlichen Glaubens in der westlichen Welt ist weitgehend hausgemacht. Seine Erosion dürfte in zweiter Linie auf äußere gesellschaftliche Einflüsse zurückgehen; auf jenen Prozess, den man gemeinhin mit dem Stichwort »Säkularisierung« verbindet. Längst bevor jener Prozess das kirchliche Leben erfasste, ist ihm von namhaften Persönlichkeiten zumal der historischen Theologie der Boden bereitet worden. So attackierte etwa der als »Papst der Dogmengeschichte« gepriesene Adolf von Harnack den jungen Karl Barth nach einem Vortrag in Aarau im Jahre 1920, »dass dieser Vortrag einen Rückfall von der heutigen Forschung darstelle. Alles, was man heute so schön überwunden habe, worüber man in fortschrittlicher Ehrlichkeit hinausgekommen sei, werde hier wieder aufs Tapet gebracht: die christologischen Dogmen und sogar ›die Auferstehung des Fleisches ‹! Solchen Traditionalismus müsse er, von Harnack, sich doch sehr verbitten.« [Wir kommen im Verlauf unserer Abhandlung auf die betreffende Episode zurück.]
Was unter »fortschrittlicher Ehrlichkeit« gemeint ist, erscheint nicht erst aus heutiger Sicht so obsolet wie nur noch was: Es handelt sich um nicht weniger als um das Weltbild des Historismus des neunzehnten Jahrhunderts, inklusive der Anschauungen der damaligen Naturwissenschaft; um ein Weltbild, das bereits damals – wir schreiben immerhin das zweite Jahr nach dem Ersten Weltkrieg – in Trümmern lag, um nur wenige Jahrzehnte später endgültig begraben zu werden, obwohl es nach wie vor durch eine sich als »fortschrittlich« gerierende zeitgenössische Theologie geistert, die von ihrer »Höhe« aus nicht allein auf die Auferstehung des Fleisches, sondern auf das Sühnopfer Christi, das Jüngste Gericht und manches mehr herabschaut. Dass »der Einstand von Moderne und Apokalypse« (Walter Benjamin) einen Wesenszug nicht allein der ästhetischen Moderne ausmacht, ist niemals in jene ihrer Zeit – dem Geist ihrer Zeit – verhafteten Gehirne eingedrungen, selbst wenn sich bereits im Jahre 1908 ein Karl Kraus in »Apokalypse (Offener Brief an das Publikum)« nicht zuletzt an ein Publikum wandte, dem selbst zehn Jahre später die Apokalypse als ein Buch mit sieben Siegeln erschien. Anstatt die Geschichte im Licht der »Offenbarung Jesu Christi« (vgl. Offb 1,1) – so der eigentliche Titel der sog. Johannesoffenbarung – zu deuten, erscheint die Offenbarung als Abfallprodukt einer vergangenen Epoche, das es – so die heutige Sprachregelung – zu »entsorgen« gilt, obwohl die eigene ihrem Untergang entgegenblickt: »Wir Kulturvölker, wir wissen jetzt, daß wir sterblich sind.« So beginnt ein so profan gesonnener Kopf wie Paul Valéry »Die Krise des Geistes. Essay« (hrsg. von H. Steiner, Wiesbaden o. J. [1956]); Anfang 1919 für die englische Zeitschrift ›The Athenaeum‹ geschrieben).
Doch unabhängig von der Einsicht in die Konstellation von Apokalypse und Moderne fällt auch in philologischer Hinsicht die Missachtung der überlieferten biblischen Texte auf, die den Zusammenhang von Auferstehung Christi und Vollendung sowie den Zusammenhang – wie auch den Unterschied – von alt- und neutestamentlicher Prophetie zur Geltung bringen. Der Verkennung ihrer messianischen und eschatologischen Ausrichtung entspricht die Verkennung ihrer pneumatologischen Fundierung durch den Geist der Prophetie, insofern sie nicht bloße historische oder literarische Dokumente (»Geschichten«) darstellen. Vielmehr leuchtet über alle Untergänge der Geschichte, ja über die Apokalypse hinweg das Licht der Erlösung auf, von dem zumal die neutestamentlichen Texte zeugen. Denn als lebendige Zeugnisse wollen sie gelesen werden, nicht als tote Dokumente einer fernen Vergangenheit. Philologie und Theologie der Texte müssen einander durchdringen, bilden Komplemente, anstatt einander abzulösen. Das ist das Anliegen dieser Abhandlung, der die Treue zum Text wichtiger ist als dessen historische Evaluation, die den Interpreten über den überlieferten Text stellt. Denn mag in unserem Zeitalter die Freiheit des Interpreten wichtiger erscheinen denn je, so steht sie nicht höher als das Zeugnis des Textes; oder nach einem Wort Alfred Delps: »am wichtigsten ist die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung.«
Ganz aus dem Geist solch »ungebrochener Treue« hat Erik Peterson, dem wir die Wiederentdeckung der eschatologischen Dimension des Neuen Testaments verdanken, einen radikalen Schnitt zwischen dem Historischen und Eschatologischen ziehen wollen. So heißt es in einem Tagebuch-Fragment vom Oktober 1954: »Wir müssen als Christen so leben, als ob das Historische nicht mehr da ist. Das war das Leben der Christenheit in der Vergangenheit. So leben, als ob die Geschichte der Welt schon vergangen ist, führt zum Hass dieser Welt. Das muss die Aufgabe der christlichen Verkündigung sein. Daher die Seligpreisung der Armen als eschatologischer Begriff, während doch nur die Reichen die ›Geschichte‹ machen« (AS 9/2, 424). Gewiss, aus der Perspektive der Erlösung lohnt es sich nicht, der Vergangenheit, der »Geschichte«, nachzutrauern. Gleichwohl überrascht an der Auffassung Petersons, von Haus aus immerhin habilitierter Religionshistoriker, der noch gegen Ende seines Lebens einschlägige historische Studien zu »Frühkirche, Judentum und Gnosis« (Freiburg i. Br. 1959) verfasste, nicht allein die Abkehr vom Historischen, das der Vergangenheit überantwortet wird (»So leben, als ob die Geschichte schon vergangen ist …«). Vielmehr hätte zumal ein eschatologisch gesonnener Denker, dem die Wiederkunft Christi am Herzen liegt, die Zeichen der Zeit zu deuten, wie ja Christus selbst seine Zeitgenossen herausfordert, es nicht bei Prognosen von bloßen Naturphänomenen zu belassen, sondern gewissermaßen das Messianische zu avisieren, das sich in den »Zeichen dieser Zeit« abzeichnet: »Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?« (Lk 12,56). Die Konstellation von historischer und messianischer bzw. eschatologischer Zeit, von Jetztzeit und Endzeit zu bestimmen – das ist die Aufgabe von Theologie und Verkündigung; daher scheint sich nicht weniger an den heutigen Zeitgenossen die anschließende Frage Jesu zu richten: »Warum findet ihr nicht schon von selbst das rechte Urteil?« (Lk 12,57).
Denn selbst wenn die Geschichte im Sinne Hegels ganz zur Vergangenheit würde: » Alles wird zur Vergangenheit; wie eine Sandwüste erscheint das Leben; sie ist das Bewusstsein der Freiheit und Wahrheit« (vgl. Hegel
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