Auf diesem Wege haben mich viele Menschen fachkundig und freundschaftlich begleitet, denen ich herzlich danken möchte. Vom Jahre 1993 bis zur Seligsprechung war ich zugleich Vizepostular und konnte in die römische Prozessführung Einblick nehmen. In dieser Zeit bin ich besonders den Offizialen unserer Diözese, dem jetzigen Bischof von Aachen, Dr. Heinz Mussinghoff, und Domkapitular Martin Hülskamp zu echtem Dank verpflichtet, wie auch den Postularen in Rom, zunächst dem Augustinerpater Professor Dr. Fernando Rojo, in den letzten Jahren Herrn Anwalt Andrea Ambrosi. Die Arbeit der eben Genannten wurde immer von der kenntnisreichen und fürsorglichen Haltung unseres Bischofs, Dr. Reinhard Lettmann, begleitet.
Fast 25 Jahre war ich eingebunden in Emmerickbund und Bischöflicher Emmerick-Kommission. Ich bin allen Mitgliedern für anregende Gespräche und kooperative Arbeit sehr dankbar. Beim Entstehen der Arbeit war mir die unmittelbare Begleitung durch die Freunde sehr hilfreich: Mein Neffe Sebastian Engling begleitete die Textfassung. Die Erstfassung der Texte lasen und besprachen mit mir: Dr. Heinz Gerwers, Monika Hantzko und Pfarrer Peter Nienhaus. Die befreundeten Professoren Elmar Klinger und Eberhard Rolinck sahen die Texte auch kritisch durch und gaben mir wertvolle Ratschläge.
Die Zusammenarbeit mit dem Echter Verlag und seinem theologischen Lektor, Herrn Heribert Handwerk, gestaltete sich sehr kooperativ.
Olfen, am Rosenkranzfest, dem 7. Oktober 2004
Dr. Clemens Engling
Einleitung
1. Die Neuentdeckung Anna Katharina Emmericks
Mit der Wiederaufnahme des Seligsprechungsprozesses begann in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine neue Phase, den »unerklärlichen Diamanten – das Genie Katharina Emmericks – in seiner ganzen Reinheit« zu entdecken. 1– Dazu möchte diese Arbeit einen Beitrag leisten. In einem »Kurzporträt – Anna Katharina Emmerick – die Mystikerin des Münsterlandes« konnte ich zu Beginn des römischen Symposions 1999 feststellen: »Anna Katharina Emmerick wird in unserer Zeit als Mystikerin des Münsterlandes an Bedeutung gewinnen, da äußere Strukturen von Religiosität immer mehr brechen, doch innere religiöse Erfahrungen stärker als früher gesucht werden. Sie hat zu ihrer Zeit dem Abgleiten religiöser Geheimnisse in aufklärerischen Rationalismus gewehrt; ihre damals durchlebte und durchlittene religiöse Erfahrung steht uns heute wie ein modernes Beispiel vor Augen.« 2
Die Phase der Neuentdeckung Anna Katharina Emmericks ist aber noch keineswegs abgeschlossen. 3Aller Voraussicht nach wird sie nach der Seligsprechung am 3. Oktober 2004 sogar verstärkt weiter gehen. Zunächst musste die Mystikerin »von einer veralteten Betrachtungsweise des 19. Jahrhunderts« befreit werden, in der sie einem modernen Betrachter wie eine »Kitschfigur« erscheinen musste. 4Auch noch in der Zeit, als ich Pfarrer in Dülmen war (1980–2001), war es nötig, Anna Katharina »aus der Vereinnahmung durch traditionalistische Frömmigkeitsformen« herauszulösen. 5
Als besonders schwierig erweist sich der Versuch, die »Persönlichkeit Anna Katharina Emmericks … aus dem Bannkreis Clemens Brentanos« und seiner Übermalung zu lösen. 6Das ist, wie die jüngste Diskussion um den Film Mel Gibson »Die Passion Christi« gezeigt hat 7, vor allem deshalb nicht einfach, weil wir hier »vor einem schwierigen Dilemma, ja vor einer echten Aporie« stehen, wie Pater Joseph Adam in seinem Bericht »Zum Stand des Seligsprechungsverfahrens in Rom« zu Beginn des zweiten Symposions in Münster feststellt: »Es gibt seit 150 Jahren unzählige Zeugnisse, z. B. im Renouveau Catholique in Frankreich, etwa bei Paul Claudel, über den durchaus positiven, ja segensreichen Einfluss dieser Schriften. Aus diesen Büchern, ob ihre Leser sie nun Emmerick- oder Brentanobücher nennen, spricht nun einmal eine tiefe Frömmigkeit und ein sicherer kirchlicher Sinn. Und wenn man die zahlreichen Emmerick-Verehrer in aller Welt hört, sei es in Paris oder in Brüssel, in den USA oder in Kanada, dann stellt man fest, dass sich ihre Verehrung aus diesen Schriften nährt und immer wieder erneuert.« Doch dann wendet sich Adam der neuen Richtung zu: »Die Forschungsergebnisse der letzten Zeit haben schon dazu beigetragen, und neue Studien müssen sich dies als erstes Ziel setzen, die Akzente hier richtig zu verteilen: weniger auf die außergewöhnlichen Phänomene und Offenbarungen, dafür voll auf die Heiligkeit ihres Lebens, ihre mystische Begnadung und ihre prophetische Sendung in der Kirche.« 8
Es geht nicht darum, die Brentano-Schriften nicht entsprechend zu würdigen, »sein dichterisches Zeugnis, den ›Schatz flüchtiger Blätter voll Wunder der kindlichsten Weisheit‹« zu »übergehen«; oder die »Existenzwahrheit des Dichters« zu unterdrücken 9; ganz im Gegenteil: die Emmerick-Schriften Brentanos müssten in Zukunft noch mehr gewürdigt werden in eigenen theologischen und nicht nur germanistischen Untersuchungen. 10Bei dem Versuch, Anna Katharina aus dem »Bannkreis« Clemens Brentanos zu lösen, geht es vielmehr darum, dass wir die Dülmener Mystikerin »als Person ernst nehmen« und sie »als eine historisch greifbare Gestalt« zeichnen. 11Das ist das Anliegen dieser Arbeit, im ersten Teil des Hauptteiles, Emmericks Leben in einer Art »Kurzbiographie« im historischen Kontext zu würdigen; in einem zweiten Teil »Perspektiven einer theologischen und geistlichen Existenz« aufzuzeigen, in einem dritten »ihre Bedeutung für die Gegenwart« kurz zu skizzieren. Denn es hat sich inzwischen gezeigt, dass die historischen Quellen auch unabhängig von Brentano sehr reichhaltig fließen. 12
Nachdem der Seligsprechungsprozess in Rom wegen der sog. Schriftenfrage im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts zu scheitern drohte 13, »schlug die Stunde von dem Augustinerpater Winfried Hümpfner« 14, der 1923 »Clemens Brentanos Glaubwürdigkeit in seinen Emmerick-Aufzeichnungen« 15sehr negativ beurteilte und sehr bald zuverlässige Quellen zugänglich machte: 1. Das Tagebuch des Dr. med. Franz Wilhelm Wesener über die Augustinerin Anna Katharina Emmerick unter Beifügung anderer auf sie bezüglicher Briefe und Akten, hrsg. von P. Winfried Hümpfner. 16– Das »Tagebuch« enthält auch den »Bericht über die staatliche Untersuchung« und die »Kurzgedrängte Geschichte der A. K. Emmerick«, beide von Dr. Wesener verfasst.
2. Die Akten der kirchlichen Untersuchung über die stigmatisierte Augustinerin Anna Katharina Emmerick nebst zeitgenössischen Stimmen, hrsg. von P. Winfried Hümpfner. 17– In den »Akten« findet sich ein authentisches Tagebuch über Anna Katharina Emmerick, verfasst von ihrem Ortspfarrer Dechant Bernhard Rensing, sehr wertvolle Aufzeichnungen des Regens Bernhard Overberg 18, Berichte und Briefe der Freundinnen der Anna Katharina: Clara Söntgen, Luise Hensel und Apolonia Diepenbrock; eine weitere Fülle von Zeugenberichten und Vernehmungen etc.
Es besteht ein Nachteil: Die oft eingestreuten, ganz authentischen Aussagen und Worte der Emmerick und die der Zeugen und deren Beobachtungen sind gerade in den »Akten« in einer zunächst ungeordnet erscheinenden Fülle vorhanden, sodass das Material »sperrig« wirken kann. Da die beiden Hauptquellenwerke nur in historischen, oft schwer zugänglichen Ausgaben vorhanden sind, habe ich mich in dieser Untersuchung bemüht, Anna Katharina in vielen Zitaten neu zum Sprechen zu bringen. Bewusst wurde hier und bei anderen Quellen die Schreibweise des 19. Jahrhunderts, die den heutigen Rechtschreibregeln zum Teil nicht mehr entspricht, weitgehend beibehalten. 19
Nachdem die Quellenlage schon in der ersten Jahrhunderthälfte von Pater Hümpfner so kritisch bestimmt und erst positiv durch die Herausgabe der vorhin zitierten Textsammlungen offen gelegt war, gab ebenfalls ein Augustinerpater, nämlich Hermann Josef Seller, 1940 eine umfassende Biographie heraus: »Im Banne des Kreuzes. Lebensbild der stigmatisierten Augustinerin A. K. Emmerick«. 20Der Verfasser sagt im Vorwort: »Die Gestalt der Dülmener Seherin büßt nichts ein an Frische und Lebendigkeit, an edler Größe, wenn wir die biographischen Notizen Kl. Brentanos nur mit Vorsicht benutzen.« 21
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