Abb. 1.38: Muskelansatz an Sehne
Sehnen und Sehnenplatten (Aponeurosen)
Die Muskelfaszien (Bindegewebsbestandteile eines Muskels) bilden Bündel und erstrecken sich über das Ende des Muskels hinaus. Als runde Schnüre oder breite, flache Bänder heißen sie Sehnen. Flache, blattartige Strukturen werden als Sehnenplatten oder Aponeurosen bezeichnet. Beide befestigen den Muskel am Knochen oder Knorpel, an anderen Muskeln oder an einer Raphe – einem Saum aus faserreichem Bindegewebe, der entsteht, wo zwei Hälften eines Körperteils oder Organs zusammenkommen, wie bei der Zunge.
Zwischen einigen Muskeln oder Muskelpartien verlaufen flache Blätter aus dichtem Bindegewebe. Auch an diesen sogenannten intermuskulären Septen können Muskelfasern ansetzen.
Abb. 1.39: Muskelansatz an Aponeurose
Manche (aber nicht alle) Sehnen bilden bei starker Reibungsbelastung ein Sesambein aus. Dies ist ein kleiner Knochen, der in die Sehne eingelagert ist und nicht mit dem Rest des Skeletts in Verbindung steht. Ein Beispiel dafür ist die Sehne des Peroneus longus in der Fußsohle. Sesambeine können jedoch auch ohne Reibung entstehen. In erster Linie verringern sie die Belastung der Sehnen durch Druck und Reibung; gelegentlich lenken sie auch die Zugrichtung des Muskels um.
Viele Muskeln haben nur einen Befestigungspunkt an jedem Ende. Komplexere Muskeln setzen jedoch häufig an diversen Strukturen an. Wenn diese Ansätze bzw. Ursprünge unabhängig voneinander sind und der Muskel in zwei oder mehr Sehnen bzw. Sehnenplatten an verschiedenen Orten ausläuft, wird der Muskel als „zweiköpfig“ bezeichnet. So weist der Bizepsan seinem Ursprung am Schulterblatt zwei Köpfe auf – einen am Rabenschnabelfortsatz und einen am Tuberculum supraglenoidale. Der Trizeps hat drei Köpfe und der Quadrizeps vier.
Auf einen Reiz hin kontrahiert der Muskel. Dabei kommt es aber nicht notwendigerweise zu einer Verkürzung. Die „isotonische“ Kontraktion ruft eine Bewegung hervor, die „isometrische“ Kontraktion dagegen nicht.
Bei der isometrischen Kontraktion spannt sich der Muskel an, ohne seine Länge zu verändern. In anderen Worten: Obwohl sich der Muskel verhärtet, bewegt sich das zugehörige Gelenk nicht. Dies ist z. B. der Fall, wenn man bei angewinkeltem Ellenbogen einen schweren Gegenstand ruhig in der Hand hält, oder wenn man versucht, etwas hochzuheben, das jedoch zu schwer dafür ist. Auch ein Teil der Haltemuskulatur arbeitet über Reflexe größtenteils isometrisch. So neigt der Körper z. B. in aufrechter Haltung dazu, über das Sprunggelenk nach vorn zu kippen, wird aber durch die isometrische Kontraktion der Wadenmuskeln daran gehindert. Ebenso würde der Schwerpunkt des Schädels den Kopf nach vorn kippen lassen, wenn die Nackenmuskulatur nicht isometrisch gegensteuern würde. Isometrische Kontraktionen kommen im Yoga sehr häufig vor, wenn Stellungen gegen einen unbeweglichen Widerstand wie den Boden oder eine Wand gehalten werden.
Abb. 1.40: Isometrische Kontraktion
Isotonische Kontraktionen bringen uns in Bewegung. Es gibt zwei Typen: die konzentrische und die exzentrische isotonische Kontraktion.
Konzentrische Kontraktion
Bei der konzentrischen Kontraktion verkürzt sich der Abstand zwischen den Muskelansätzen, und das Gelenk bewegt sich. Im Falle des Gegenstands, den wir halten, bedeutet das: Bei konzentrischer Kontraktion des Bizeps beugt sich das Ellenbogengelenk, und die Hand bewegt sich gegen die Schwerkraft in Richtung Schulter. Auch die Bauchmuskeln bei einem Sit-up kontrahieren konzentrisch, um den Oberkörper anzuheben.
Abb. 1.41: Konzentrische Kontraktion der Bauchmuskeln beim Anheben des Oberkörpers
Bei der exzentrischen Kontraktion arbeiten die Muskelfasern kontrolliert gegen eine Bewegung an, um sie abzubremsen, wenn die Schwerkraft sie sonst zu stark beschleunigen würde – z. B., wenn man einen in der Hand gehaltenen Gegenstand abstellt, sich hinsetzt oder den Oberkörper nach dem Sit-up wieder absenkt (wobei die Bauchmuskeln exzentrisch kontrahieren, um den Oberkörper zu halten). Kurz gesagt: Bei der konzentrischen Kontraktion verkürzt sich der Muskel, bei der exzentrischen verlängert er sich.
Abb. 1.42: Exzentrische isotonische Kontraktion
Zusammenarbeit von Muskeln
Die Muskeln arbeiten mit- oder gegeneinander, um ein weites Bewegungsspektrum zu ermöglichen. Jeder Muskel hat seinen Gegenspieler. Muskeln werden gelegentlich auch benötigt, um Bewegungen an einem anderen Körperteil zu unterstützen und zu stabilisieren.
Muskeln werden in vier funktionelle Gruppen eingeteilt:
1. Agonisten
2. Antagonisten
3. Synergisten
4. Stabilisierer
Ein Agonist ist ein Muskel, der durch seine Kontraktion eine bestimmte Bewegung hervorruft. So ist z. B. der Bizeps der Agonist bei der Beugung des Ellenbogens. Andere Muskeln, die dieselbe Bewegung mit weniger Wirkung ausführen, können dem Agonisten helfen. Solche Muskeln heißen Assistenten. Sie werden auch zu den Synergisten gerechnet. Der Brachialis etwa assistiert dem Bizeps beim Beugen des Ellenbogens.
Der Antagonist liegt meist auf der dem Agonisten gegenüberliegenden Seite des zugehörigen Gelenks. Er muss sich entspannen, damit der Agonist kontrahieren kann. Wenn der Bizeps auf der Vorderseite des Arms kontrahiert, um den Ellenbogen zu beugen, muss der Trizeps auf der Rückseite des Arms nachgeben, damit die Bewegung ausgeführt werden kann. Bei der Gegenbewegung, wenn der Ellenbogen gegen einen Widerstand gestreckt wird, wird der Trizeps zum Agonisten und der Bizeps übernimmt die Rolle des Antagonisten.
Abb. 1.43: Zusammenarbeit von Muskeln. a) Beugen des Arms im Ellenbogen, b) Strecken des Arms im Ellenbogen (mit wechselnden Rollen von Agonist und Antagonist)
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