Danai prustete. »Brofessionell? Das ist nicht dein Ernst! Soll ich mir in Punkto Slang eine Scheibe Bro-t von euch Jockeys abschneiden?« Das war doch einfach nur lächerlich. Jetzt flammte kurz Unmut in Yokais Miene auf.
Vielleicht wäre es schlau, die Lebensweise der Leute hier ernster zu nehmen, wenn sie künftig mit ihnen Flügel an Flügel fliegen würde? Die Daredevils stellten schließlich ihre letzte Zuflucht vor der Vergangenheit dar. Sie waren jetzt eben genau das: ihre Bros.
»Wir!«, betonte Yokai, wie um Danais Überlegung zu bestätigen. » Wir Jockeys. Das wolltest du doch sagen. Du gehörst jetzt zu uns.« Sie lächelte wieder breit. »Lernen wir uns doch besser kennen.«
Die Tüftlerin spannte ein Element des neumontierten Teils ihrer Bordkanone mit einem Varo-Schlüssel. Dabei sprach sie zum Bauteil, nicht zu Danai: »Hier, so läufst du wieder rund. Lass mich im nächsten Kurvenkampf nicht mehr im Stich, hörst du!« Dann wandte sie sich wieder Danai zu.
»Guck mal, es ist ganz einfach: Yokai ist mein Callsign, meine Zwillingsschwester rufst du Kami. Wir sind eineiig und uns häufig einig, in der Kuppelstadt Atara-Edo aufgewachsen, wo sich unsere Mutter immer noch mit dem Verkauf von Synthfleisch über Wasser hält – wir nennen das Zeug liebevoll Beyond Snail. Wir fliegen immer gemeinsam in einer Maschine – ich als Pilotin, Kami als Sozia –, schrauben gern an Choppern rum. Kami behauptet, ich fliege besser, sie schraubt besser, aber ich schraube auch boots gut, danke der Nachfrage. Meine Lieblingsfarbe ist mattschwarz, Kamis ist eisblau-metallic.«
Danai seufzte und ließ sich auf das Spiel ein. »Na gut. Ich komme aus dem Corp-Turf, keine Details. Bin bei meinem Vater aufgewachsen. Mama hat uns ab und zu besucht, einmal im Jahr vielleicht. Sie hatte es nicht so mit dem Familienleben, und Papa hat sein Bestes getan, mich von …« Danai machte eine umfassende Geste. »… all dem hier fernzuhalten. Alles in allem ziemlich langweilig. Mehr gibt es da nicht zu erzählen.«
So langweilig die Ausbildung in einer Elite-Raumpilotenakademie von Hadronic Inc. eben sein konnte. Aber Yokai musste ja nicht alles wissen.
»Ach ja, Schwarz ist keine Farbe und meine Lieblingsfarbe ist Türkis … was war das?«
Ein Geräusch von Metall auf Metall – ihr Blick fuhr zu ihrem Chopper. Eine weitere Person im Mecha-Overall hatte eine Leiter an ihr Triebwerk gelehnt und war mit dem Oberkörper komplett darin verschwunden.
»Was bei Immelmanns Arsch soll das?«, fragte Danai und rief dann lauter in Richtung des Geschehens: »Hey! Was glaubst du, was du da tust? Das ist mein Chopper! Sieh zu, dass du da rauskommst!«
»Keine Sorge, das ist nur Kami. Und die Brüllerei wird dir nichts bringen. Sie schaltet ihre Audioimplantate immer stumm, um konzentriert arbeiten zu können.« Danai erinnerte sich, bei Yokais Schwester ein eisblau schimmerndes Cochlea-Implantat hinter einem Ohr gesehen zu haben, sichtbar gemacht durch den Sidecut, den Kami genau wie ihre Schwester trug. Seit dem Unfall, der ihre Schwester ein Bein gekostet hatte, war sie gehörlos.
Eine Mischung aus Fassungslosigkeit über die Dreistigkeit und Sorge um ihre Slipstream überkam Danai, gemischt mit der Wut, die in diesen Tagen immer so nah unter der Oberfläche lauerte. Als Kami tatsächlich nicht auf die Rufe reagierte, packte Danai die Leiter, um diese N00b eigenhändig an den Füßen aus ihrem Triebwerk zu ziehen, aber Yokai ergriff sanft ihren Arm und hielt sie zurück.
»Warte! Sie stellt nichts an. Wir kümmern uns genauso wie die Deckcrew ein wenig um die Chopper unserer Pals.«
»Bescheid sagen wäre eine gute Idee gewesen! Und was soll das überhaupt werden, wenn es fertig ist?«
»Der Überhitzschutz ist ab Werk normalerweise zu konservativ eingestellt und riegelt früher ab, als es wirklich nötig wäre. Kami rejustiert das und kitzelt damit noch ein Quäntchen Extraleistung aus den Triebwerken heraus. Glaub mir, du wirst glücklich damit sein, bei den Runs, die wir vorhaben.«
Danai war alles andere als glücklich, aber sie hielt sich zurück. In ihrem alten Job hatte sie den Vogel auch immer Profis überlassen, und Yokai und Kami wussten sicherlich, was sie taten. Sie gab ein Schnaufen von sich, gleichzeitig Unzufriedenheit und zögerliche Zustimmung. »Hab aber keine Lust drauf, beim nächsten Flug zu explodieren«, knurrte sie.
»Guck ihr einfach auf die Finger, wenn du willst. Ist schließlich dein Chopper«, sagte Yokai.
Danai hielt jedoch noch inne. »Was meintest du mit ›bei den Runs, die wir vorhaben‹? Was steht an?«
Yokai blickte finster, als sie antwortet. »Deardevil will es nachher allen mitteilen, aber die Info macht schon die Runde, weil es ein Vid von Bulldoxx dazu gibt. Die Frakster waren unzufrieden mit der Ausführung des letzten Runs. Scheiße unzufrieden. Sie haben unsere Ausrede nicht geschluckt und den Geldhahn komplett zugedreht – natürlich erst, nachdem sie die Ladung Gravitonium entgegengenommen hatten. Vertrag aufgekündigt, Credits futsch. Die waren unser wichtigster Sponsor. Das tut richtig weh in der Gangkasse. Um das auszugleichen, werden wir riskante Aufträge annehmen müssen. Oder durch krasse Aktionen auf uns aufmerksam machen, um einen Ersatzsponsor zu finden. Das ist jedenfalls das, was üblicherweise in solchen Fällen geschieht. So oder so wird es ungemütlich.«
»Blöd«, sagte Danai, obwohl für sie, die ihr Standing in dieser Staffel verbessern musste, eine Herausforderung gerade recht kam, um sich zu beweisen.
»Blöd«, bestätigte Yokai.
»Gibt’s auf diesem Felsen eigentlich auch Gelegenheit für ehrliche A… Tätigkeit?«, fragte sie interessehalber.
»Na klar. Willst du umsatteln? Im C-Bezirk der Minen wird immer noch Erz abgebaut, aber kein Gravitonium mehr. Was sie da an seltenen Erden finden geht in die Platinenwerkstätten auf Delay-6. Dann haben wir hier ein bisschen was an Casinos und Kaschemmen für Durchreisende. Aber die meisten hier arbeiten in der Chemie: Du hast sicher schon von Lokkers Skywards-Küche gehört?«
»Ehrliche Tätigkeit in der Drogenküche?«, fragte Danai spöttisch.
»Nee, dafür ist Lokkers Labor zu klein, und er lässt sich nicht gern über die Schulter schauen.« Yokai lachte. »Lokker nutzt dafür Räume und Apparaturen von ROFL, die haben hier ihren Hauptsitz.«
»ROFL? Energydrink-ROFL? Den gibt’s sogar auf Corp-Turf in jedem Kiosk!«, entfuhr es Danai.
»Klar, Baby! Aber hier sind die Mieten günstiger!«, erwiderte Yokai, bevor sie sich alle daranmachten, ihre Chopper für die anstehenden Runs aufzumotzen.
Spacebook
Debatte um Altersfreigabe und Kennzeichnung auf Loggtube
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Tox-O-Meter: @SexualSalvationWarrior Ich will halt mal mehr sehen als nur ein bisschen Feuerwerk. Lass Feuer und Tod vom Himmel regnen! Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.
Fervin hatte die Hände in die Hüften gestemmt, als Neval den Raum wieder betrat. Ihre informelle Anführerin hatte sie gebeten, noch einen Versuch der Kontaktaufnahme mit Deardevil zu unternehmen, doch weder sie noch Kian hatten auf Nevals Anruf reagiert. Von Kian war immerhin ein »Ich kann gerade nicht, melde mich« gekommen, doch sie begann zu glauben, dass er einfach keine Möglichkeit sah, seine President von diesem Einsatz zu überzeugen und deshalb das Gespräch mit ihr mied. Das hieß, sie mussten eine andere Gang bezahlen, denn mehr als ein paar Kriminelle aus dem Free-Turf würden sie sich als Luftunterstützung kaum leisten können. Aber Neval kannte nur einen Chopper Jockey, und das war nun einmal Kian. Wenn sie andere Leute bezahlten, wie konnte sie sich sicher sein, dass sie dabei nicht irgendwelchen Menschenhändlern die Tür aufstießen?
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