Was hat es mit den trendigen »Tattoos« auf den Körpern zahlreicher Sportler auf sich?
Tapes helfen nicht nur bei körperlichen Beschwerden, sondern sind auch sportliche Lifestyle-Produkte.
Die farbigen Klebebänder, in der Fachsprache Tapes genannt, stammen aus dem medizinischen Bereich: Physiotherapeuten haben damit zahlreiche Leistungssportler so behandelt, dass sie trotz Beschwerden weiter trainieren konnten. Inzwischen tragen immer mehr Menschen die beweglichen Baumwollpflaster auf der Haut – egal ob im Schwimmbad oder im Büro. Sie werden im Alltag von ihren Mitmenschen so lange belächelt, bis diese die wohltuende Wirkung eines Tapes am eigenen Körper erfahren.
Probieren geht bekanntlich über studieren: Im Selbsttest klebte ich mir eines Morgens vor dem Spiegel ein blaues Band an den hinteren Hals, um meine nächtlichen Nackenbeschwerden zu lindern – mit erstaunlichem Erfolg. Bereits kurze Zeit später ließ der Schmerz nach, der steife Nacken wurde wieder beweglich, und ich konnte beschwerdefrei meiner Schreibarbeit im Büro nachgehen.
Da einmal wie keinmal ist, probierte ich die Wirkung der beweglichen Baumwollpflaster zusätzlich an meiner Großmutter aus. Die 87 Jahre alte Witwe klagte über chronische Schulterschmerzen mit der Folge, dass sie ihren rechten Arm kaum heben konnte. Ich bot ihr an, die Beweglichkeit des Schultergelenks mit zwei schwarzen Streifen zu verbessern. »Oma« willigte ein, einen Taping-Versuch zu starten – schließlich habe sie in ihrem hohen Alter nichts mehr zu verlieren. Gesagt, getan: Ich beklebte meine Großmutter am Rücken, indem ich ihr zwei Bänder parallel auf Höhe des rechten Schulterblatts anlegte. Wenig später rief Oma freudig: »Ich glaube, es wird besser.«
Seitdem haben mich die Klebebänder nicht mehr losgelassen: Motiviert durch erste Taping-Erfolge im Kreis meiner Familie begann ich, die Geschichte der farbigen Streifen zu recherchieren, Fachbücher zu studieren und mich in die wundersame Welt der einfachen Selbsthilfe – frei von chemischen Nebenwirkungen – einzulesen. Herausgekommen ist der vorliegende Ratgeber, der Sie mit zahlreichen Taping-Fotos als praktische Anleitung dazu ermutigen soll, bei Beschwerden selbst Hand anzulegen. Frei nach dem Motto: Quälen Sie sich nicht länger durch den Schmerz – kleben Sie ihn einfach weg!
Bunt und beweglich: Die Auswahl an Taping-Rollen ist groß.
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Grundlagen
Geschichte
Begriff
Wirksamkeit
Kosten
Kurse
Material
Eigenschaften
Funktionen
Methoden
Rigides Taping
Kinesio-Taping
Myofasziales Taping
Exkurs: Faszinierende Faszien – Bindegewebe für jedermann
Körperweites Netzwerk von Fasern
Faszien und Muskeln im Doppelpack
Übungen für mehr Beweglichkeit im Alltag
Faszien-Training: Die fünf größten Irrtümer
Wie wirkt Taping?
Schmerzlinderung
Verletzungsprophylaxe
Schwellungsreduktion
Reflektorische Wirkung
Wie funktioniert Taping?
Komfort
Tragedauer
Haltbarkeit
Entfernung
Farben
Welche Tape-Formen gibt es?
I-Form
Y-Form
Wie lege ich Tapes richtig an?
Mit Zug
Ohne Zug
Hands on: Tapes zum Selberkleben
Schritt für Schritt anlegen
1. Abmessen
2. Abschneiden
3. Abrunden
4. Anlegen
Basis-Tapes für die häufigsten Beschwerden
Rücken und Nacken
Lendenwirbelsäule
Halswirbelsäule
Schultern mit Armen
Schulter
Arme
Hände
Beine mit Füßen
Füße
Knie
Spezial-Tapes mit Gitterpflastern
Narben
Gesicht
Anhang
Beschwerderegister
Taping-Schablonen
Danksagung
Infoservice
Literatur
Internetadressen
Register
Grundlagen
Woher kommen die beweglichen Baumwollpflaster, und wer hat sie entwickelt? Was hat es mit dem Begriff des englischen »Tape« auf sich, und wie wirkt die Klebetechnik auf dem Körper? Antworten auf diese Fragen finden Sie im folgenden Kapitel.
Geschichte
Die Geschichte des Tapings ist so vielfältig wie die Farbauswahl der Klebebänder. Geklebt wurde schon vor Tausenden von Jahren, allerdings nicht mit den atmungsaktiven und hautverträglichen Streifen von heute. Vielmehr versorgten die Griechen und Ägypter ihre Verletzten mit einfachen Verbandsmaterialien. Dabei handelte es sich um Stoffstreifen, die in Harz getränkt wurden. Dadurch klebten die Streifen auf der Haut bombenfest. Sobald das Harz trocknete, wurde das Material zäh wie Honig. Wie Sie sich vorstellen können, war das Ablösen eines solchen Verbands eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit.
Was den Griechen und Ägyptern seinerzeit fehlte, war der passende Klebstoff: Er sollte einerseits zusammenhalten, was zusammengehört, andererseits musste er so leicht ablösbar sein, dass er auf der Haut keine Spuren hinterließ. Diese Ansprüche stellten eine große Herausforderung für die damaligen Forscher dar.
Im Jahr 1882 gelang einem von ihnen der Durchbruch: Der Apotheker Paul Carl Beiersdorf (1836–1896) entwickelte das sogenannte Guttapercha-Pflaster – ein Meilenstein in der medizinischen Forschung! Aus dieser Mixtur werden inzwischen sämtliche Heftpflaster weltweit hergestellt. Als Klebstoff dient der Milchsaft des malaiischen Guttapercha-Baums (malaiisch, getah = Gummi, percha = Baum). Wird dieser Saft getrocknet, erhält er eine Konsistenz vergleichbar mit Kautschuk. In Verbindung mit einer Mullbinde entsteht daraus eine Substanz, die den Anforderungen eines passenden Klebstoffs gerecht wird: die Guttaplaste.
Dieses Material ersetzte fortan die Verbände mit warmem Pflastermull, der mit Salben bestrichen war. Statt Harz, das zu Hautirritationen führte, hielt Guttaplaste Pflaster künftig an Ort und Stelle. Beiersdorf war so stolz auf seine Entdeckung, dass er sich das Guttapercha Pflaster – das spätere Leukoplast – patentieren ließ und noch im selben Jahr das nach ihm benannte Unternehmen Beiersdorf mit Sitz in Hamburg gründete.
Der New Yorker Chirurg Virgil Pendleton Gibney (1847–1927) erkannte die Bedeutung dieser Erfindung für eine funktionelle Klebetechnik und entwickelte daraus den Gibney-Verband.
Bis dieser die Sport-Welt in Deutschland eroberte, brauchte es jedoch seine Zeit. In den 60er-Jahren kamen mit den US-amerikanischen Truppen die Pflaster ins Land. Wie man die Streifen zur Stabilisierung von Gelenken anlegt, das schaute sich der deutsche Physiotherapeut Hermann Lohfink bei der Football-Nationalmannschaft der USA ab. Sein Kollege, der Taping-Experte Hans-Jürgen Montag, fasste seine Begeisterung für die Bänder damals wie folgt in Worte: »Kein anderer Verband bietet bei sportlichen Aktivitäten eine derart hohe Stabilität und damit einen so sicheren Verletzungsschutz wie der Tape-Verband.«
INFO
KURZDISTANZ-TRIATHLETINANJA KNAPP WURDE IM JAHR 2006 »ZUGEKLEBT«
»Das erste Mal von Kinesio-Taping gehört habe ich bei der Triathlon-Europameisterschaft in Frankreich im Jahr 2006. Der damalige Physiotherapeut der Deutschen Triathlon Union (DTU) hat die Tapes anschließend nach Deutschland gebracht. Da zu diesem Zeitpunkt nur eine begrenzte Anzahl von Fachleuten davon wusste, wurden wir Athleten als »zugeklebt« abgestempelt. Das erste Tape wurde zur Entlastung an meinem unteren Rücken angelegt. Seitdem will ich auf die bunten Pflaster nicht mehr verzichten. Denn ich habe das Gefühl, dass mir die Tapes helfen, wieder schneller fit zu werden und Schmerzen zu lindern. Besonders geholfen haben mir die Bänder als Narben-Behandlung nach einem schweren Radsturz.
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