1 ...6 7 8 10 11 12 ...18
deutsche Pseudoableitungen |
schwedische Pseudoableitungen |
Poldi < Lukas Podolski |
Svennis < Sven-Göran Eriksson |
Fundi < Fundamentalist |
kondis < konditori ‚Konditorei‘ |
Hunni < Hunderteuroschein |
multis < multinationellt företag ‚multinationales Unternehmen‘ |
Ossi < Ostdeutscher |
stammis < stammkund ‚Stammkunde‘ |
Tabelle 9: deutsche und schwedische Pseudoableitungen
Laurén (1976:316) ordnet Pseudoableitungen unter „final reduktion“2 ein, d.h. in derselben Kategorie wie Kopfwörter, weist jedoch darauf hin, dass genauere Untersuchungen dieses Phänomens erforderlich sind. Nübling (2001:176) spricht von „förkortning och suffixavledning“3, womit die beiden bei Pseudoableitung gleichzeitig stattfindenden Prozesse benannt werden. Ansonsten ist in der schwedischen Literatur von „is-ord“4 die Rede (z.B. bei Inghult 1968), wobei dieser Terminus die anderen möglichen Suffixe ausklammert.
Sowohl im Deutschen als auch im Schwedischen gibt es i - bzw. - is- Bildungen, die nicht auf einer Kürzung beruhen, sondern bei denen das Suffix direkt an ein ungekürztes Lexem tritt, z.B. dt. Schlaffi < schlaff , Hirni < Hirn und schwed. tjockis ‚dicker Mensch‘ < tjock ‚dick‘, mjukis ‚Kuscheltier‘ < mjuk ‚weich‘. Diese Bildungen werden in dieser Arbeit jedoch nicht berücksichtigt, da es sich dabei um reine Suffigierungen ohne Kürzungsvorgang handelt und man folglich auch nicht von Kurzwörtern sprechen kann. Dadurch, dass i- und is- Bildungen mit und ohne Kürzung vorkommen können, handelt es sich hier um einen Grenzbereich der Kurzwortbildung, d.h. Pseudoableitungen stellen keine prototypischen Kurzwörter dar.
Wie bei der Diskussion der Kopfwörter bereits angeklungen ist, weisen deutsche Pseudoableitungen formale Ähnlichkeit mit manchen auf - i auslautenden Kopfwörtern wie Abi < Abitur und Zivi < Zivildienstleistender auf. Anhand formaler Kriterien lässt sich in solchen Fällen nicht eindeutig klären, ob es sich um Kopfwörter oder suffigierte Kürzungen handelt. Da eine Suffigierung in solchen Fällen nicht nachweisbar ist, sollen nach Nübling (2001:176) derartige Belege als Kopfwörter eingestuft werden. Es wäre in weiteren Arbeiten zu prüfen, inwieweit hier Analogiebildung eine Rolle spielt, da eventuell hochfrequente Kopfwörter auf - i zu der Produktivität der Pseudoableitungen beigetragen haben könnten. Für das Schwedische, das keine auf - is endenden Kopfwörter kennt, kommt dieser Erklärungsansatz für die hohe Produktivität der Pseudoableitungen nicht in Frage.
2.2.3.2 Kürzungskomposita
Kürzungskomposita sind ebenfalls in beiden Untersuchungssprachen verbreitet. In den meisten Fällen ist die Vollform dieser Kurzwörter ein Kompositum; sie kann allerdings auch eine Wortgruppe sein. Charakteristisch für Kürzungskomposita ist nun, dass der erste Teil des Kompositums oder der Wortgruppe akronymisch auf einen oder mehreren Buchstaben gekürzt wird und der zweite Teil ungekürzt bleibt (siehe Tabelle 10). In beiden Untersuchungssprachen besteht der gekürzte Teil in den allermeisten Fällen aus ein oder zwei Buchstaben; es finden sich lediglich im Deutschen wenige Belege mit einem auf drei Buchstaben gekürzten Erstglied wie ABC-Waffen < atomare, biologische und chemische Waffen .
Der gekürzte Teil eines Kürzungskompositums wird mit den Buchstabennamen ausgesprochen und kann nicht isoliert vorkommen. Als Kürzungskompositum wird daher das gesamte Kompositum und nicht nur der gekürzte Teil betrachtet. Die Bildungsweise von Kürzungskomposita ist nicht rein phonologisch bedingt, sondern berücksichtigt Morphemgrenzen, da eine oder mehrere Initialen von Morphemen der Vollform den ersten Teil des Kürzungskompositums bilden und das Zweitglied ein ganzes Morphem der Vollform ist. Die beiden Teile eines Kürzungskompositums werden meist durch einen Bindestrich verbunden. Im Deutschen werden die gekürzten Teile groß geschrieben; im Schwedischen kann die Orthographie zum Teil schwanken. Dort ist es bei einigen stark in den Normalwortschatz1 integrierten Kürzungskomposita möglich, auf den Bindestrich zu verzichten und sie bezüglich der Schreibung dem Normalwortschatz anzugleichen, z.B. ubåt < undervattensbåt ‚Unterseeboot‘.
deutsche Kürzungskomposita |
schwedische Kürzungskomposita |
D-Radio < Deutschlandradio |
a-kassa < arbetslöshetskassa ‚Arbeitslosenkasse‘ |
AT-Motor < Austauschmotor |
f-skatt < företagsskatt ‚Unternehmenssteuer‘ |
O-Saft < Orangensaft |
i-land < industriland ‚Industriestaat‘ |
P-Konto < Pfändungsschutzkonto |
so-ämne < samhällsorienterade ämne ‚gemeinschaftskundliches Schulfach‘ |
Tabelle 10: deutsche und schwedische Kürzungskomposita
Da der gekürzte Teil meist bis auf eine oder zwei Initialen gekürzt wird, entstehen sehr viele Homonyme zwischen den gekürzten Teilen (z.B. dt. U-Boot < Unterseeboot , U-Haft < Untersuchungshaft ; schwed. p-piller < preventivpiller ‚Antibabypille‘, p-plats < parkeringsplats ‚Parkplatz‘). Die Existenz eines Zweitglieds verhindert jedoch, dass es dabei zu ernsthaften Verständnisschwierigkeiten kommt.
In der Regel ist der gekürzte Teil fest mit einem bestimmten Zweitglied verbunden, doch es gibt auch Fälle, in denen sich der akronymische Teil einer Kürzung auch mit weiteren Morphemen zu einem Kompositum verbinden kann, z.B. dt. SB-Bäcker , SB-Tankstelle ; schwed. e-faktura ‚elektronische Rechnung‘, e-deklaration ‚elektronische Steuererklärung‘.
In der schwedischen Literatur werden Kürzungskomposita sehr unterschiedlich behandelt. Laurén (1972:13f.) weist ihnen einen Status zwischen Initialwörtern und Kurzwörtern zu und bezeichnet sie als „falska initialord“2. Bei Laurén (1976:309f.) ist dann jedoch die Rede von durch „medial reduktion“3 entstandenen „blandformer“ oder „blandord“4. Bei anderen Autoren fallen Kürzungskomposita unter die Initialwörter (z.B. Josefsson 2001, Teleman/Hellberg/Andersson 1999) oder werden gar nicht erwähnt (z.B. Hultman 2003). Svenblad (2003:XIII) spricht dagegen von „sammansättningar“5, da er ein Kürzungskompositum nicht als Einheit, sondern als Kompositum aus einer Kürzung und einem weiteren Lexem betrachtet.
2.2.3.3 Gebundene Kürzungen
Mit den Kürzungskomposita eng verwandt sind die gebundenen Kürzungen, die ebenfalls nicht frei vorkommen. Bei einer gebundenen Kürzung wird „das Erstglied oder ein präponiertes Adjektiv kopfwortartig reduziert und mit dem Zweitglied fest kombiniert“ (Nübling 2001:182), wobei die zugrunde liegende Vollform nicht zwingend ein Kompositum sein muss. In einigen Fällen erfolgt die Bildung der gebundenen Kürzung nicht kopfwortartig, sondern nach dem Muster der Silbeninitialwörter (dt. Schuko- < Schutzkontakt ) oder diskontinuierlichen Kurzwörter (dt. Fla-Panzer < Flugabwehrpanzer ). Die meisten gebundenen Kürzungen sind nicht auf ein bestimmtes Zweitglied festgelegt, sondern können sich mit unterschiedlichen Morphemen verbinden. Dies unterscheidet sie von den Kürzungskomposita, die in der Regel fest an ein bestimmtes Zweitglied gebunden sind. Da es allerdings bei beiden Typen Ausnahmen gibt, d.h. Kürzungskomposita mit unterschiedlichen Zweitgliedern und gebundene Kürzungen mit festem Zweitglied existieren, eignet sich dieses Kriterium nicht für eine definitorische Abgrenzung dieser beiden Typen. In der bisherigen Kurzwortforschung wurden diese nicht-prototypischen Kürzungskomposita und gebundenen Kürzungen und die mit ihnen verbundene Abgrenzungsproblematik bislang jedoch kaum thematisiert. In dieser Arbeit werden Kürzungskomposita und gebundene Kürzungen also nur durch ihre Bildungsweise und nicht durch ihre Distribution voneinander unterschieden: Kürzungskomposita entstehen nach dem Muster der Buchstabierwörter, gebundene Kürzungen werden dagegen wie Kopfwörter, in manchen Fällen auch wie Silbeninitialwörter oder diskontinuierliche Kurzwörter gebildet. Gemeinsam ist beiden Typen, dass der gekürzte Teil nicht frei vorkommen kann.
Читать дальше