In den obigen Beispielen haben wir zur Diagnostik des Fokusbereichs eines Satzes w-Fragenw-Frage verwendet. In der Regel erfragt ein w-Pronomenw-Pronomen eine neue Information, während über den Rest des Satzes Einigkeit besteht. Die Korrelation zwischen neuer Information und Fokus wird gerne angenommen, es gibt aber auch Beispiele, die zeigen, dass auch Bekanntes fokussiert sein kann. In (53) ist Charlotte durch die erste Äußerung vorerwähnt und somit bekannte Information, dennoch ist diese Konstituente im zweiten Satz akzentuiert und bildet den Fokus.
(53) |
Charlottes Foto ist schön. |
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– Nein, [ FokusCharLOTte] [ Hintergrundist schön]. |
(Musan 2010: 52) |
Aufgrund derartiger Beobachtungen ist vorgeschlagen worden, Fokus nicht als neue Information zu charakterisieren, sondern als Thematisierung von AlternativenThematisierung von Alternativen (vgl. Krifka 2007: 18). Der Fokus legt dieser Ansicht nach Alternativen zu einer im Satz genannten Einheit nahe, die bei der Interpretation der Äußerung eine Rolle spielen.
Über die Natur der Alternativen macht diese Definition keine Aussage und es lassen sich tatsächlich u.a. verschiedene Funktionen von FokusFokusfunktionen unterscheiden (vgl. Krifka 2007: 21ff., Musan 2010: 42f.).
(54) |
A: |
Was tut weh? |
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B: |
[ FokusMein ZAHN] tut weh. |
(55) |
A: |
Eva hat [ Fokuseine RATte]. |
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B: |
Nein, Eva hat [ Fokuseine KATze]. |
(Musan 2010: 43) |
(56) |
A: |
Eva hat [ Fokuseine RATte]. |
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B: |
Ja, Eva hat [ Fokuseine RATte]. |
(57) |
Mareike hat [ Fokusein KaNINchen]. Eva hat [ Fokuseine KATze]. |
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(Musan 2010: 43) |
In (54) liefert die fokussierte Einheit als Antwort auf die Frage tatsächlich neue Information, man spricht von einem InformationsfokusInformationsfokus. Die Fokusalternativen werden durch die Frage eröffnet (Zahn, Arm, Bein etc.). In (55) spricht man von einem KorrekturfokusKorrekturfokus. Eine Aussage der Form Eva hat X. muss unmittelbar vorangegangen sein, der korrigierte Ausdruck wird verneint. Ähnlich muss in (56) eine (in diesem Fall genauer die gleiche) Aussage vorangegangen sein. Der fokussierte Ausdruck wird allerdings nicht verneint, sondern bestätigt ( BestätigungsfokusBestätigungsfokus). In (57) werden die beiden Fokuseinheiten gegenübergestellt, weshalb man diesen Fall als KontrastfokusKontrastfokus bezeichnet.
Der FokusakzentFokusakzent wird einer Silbe aus dem FokusbereichFokusbereich zugeordnet. Wenn ein einsilbiges Wort vorliegt und nur dieses Wort alleine der Fokus der Äußerung ist, entspricht die akzentuierte Silbe der Fokuseinheit (vgl. (58)).
(58) |
A: |
Wen hat Irma eingeladen? |
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B: |
Sie hat [ FokusHANS] eingeladen. |
Wenn ein Wort, das alleine den Fokus bildet, aus mehr als einer Silbe besteht, erhält diejenige Silbe den Fokusakzent, die den Wortakzent trägt:
(59) |
A: |
Wen hat Irma eingeladen? |
|
B: |
Sie hat [ FokusSTEfan] eingeladen. |
Besteht eine NP aus mehr als einem Nomen, ist zwar auch die Silbe des Nomens akzentuiert, die NP steht aber als Ganzes im Fokus (vgl. (60)).
(60) |
A: |
Wen hat Irma eingeladen? |
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B: |
Sie hat [ Fokusihren SCHULfreund] eingeladen. |
Die akzentuierte Silbe bezeichnet man als FokusexponentenFokusexponent. Die Beispiele in (58) bis (60) zeigen, dass der Fokus genauso groß sein kann wie der Fokusexponent, der Fokusbereich aber auch größer sein kann. Dass eine NP im Fokus steht, kann über den Test durch die Bildung einer w-Frage abgeleitet werden. Man kann dies weiterführen und dadurch zeigen, dass auch größere Bereiche eines Satzes ggf. Fokus sein können. In (61) und (62) zeigen die Fragen an, dass die VP bzw. CP den Fokus bildet.
(61) |
A: |
Was hat Irma gemacht? |
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B: |
Sie hat [ Fokusihren SCHULfreund eingeladen]. |
(62) |
A: |
Was war los? |
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B: |
[ FokusIrma hat ihren SCHULfreund eingeladen]. |
Wird das Nomen Schulfreund akzentuiert, kann die NP anscheinend alleine den Fokus bilden ( enger FokusEnger Fokus), es können aber auch größere Teile des Satzes den Fokus ausmachen ( weiter Fokusweiter Fokus). Das Verhältnis zwischen Fokusexponent und Fokusbereich bezeichnet man als FokusprojektionFokusprojektion bzw. FokusvererbungFokusvererbungFokusprojektion. Das heißt, der Fokus wird von dieser Silbe auf größere Teile des Satzes projiziert. Es ist Gegenstand der Forschung, die Bedingungen zu formulieren, unter denen Fokusprojektion möglich ist (vgl. z.B. Selkirk 1995, Büring 2006). Wichtig ist, dass wir sehen, dass Fokus und Akzent nicht stets zusammenfallen.
FokusFokus ist eine informationsstrukturelle KategorieInformationsstrukturelle Dimension, die nicht notwendigerweise mit AkzentAkzentuierung zusammenfällt, die im Deutschen aber durch Akzent markiert wird.
1.2.2 Topik-Kommentar-Gliederung
Eine weitere Dimension der Informationsstruktur ist die Dichotomie von TopikTopik und KommentarKommentar. (63) beispielsweise interpretiert man ganz natürlich als einen Satz über Brigitte, und was über Brigitte ausgesagt wird, ist, dass sie das Radfahren liebt.
(63) |
[ TopikBrigitte] [ Kommentarliebt das Radfahren]. |
Unter dem Topik eines Satzes versteht man diejenige Einheit, über die eine Aussage gemacht wird. Der Kommentar erfasst die Aussage, die über das Topik gemacht wird.
In (63) steht das Topik im VorfeldVorfeld. Dies muss aber nicht so sein. In (64) steht es im MittelfeldMittelfeld.
(64) |
Was gibt’s Neues über das Stadtschloss? |
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Laut Bürgermeister Jacobs wird man dieses furchtbare Gebäudenächstes Jahr endlich abreißen. (Fanselow 2006: 6) |
In manchen Fällen kann auch allein der Kontext auflösen, welche Einheit das Topik ist. In (65) können prinzipiell Hans (vgl. (66)) oder Maria (vgl. (67)) das Topik sein.
(65) |
Hans hat Maria zum Tanz aufgefordert. |
(66) |
A: |
Erzähl mir von Hans. |
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B: |
[ TopikHans] [ Kommentarhat Maria zum Tanz aufgefordert]. |
(67) |
A: |
Erzähl mir von Maria. |
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B: |
[ KommentarHans hat] [ TopikMaria] [ Kommentarzum Tanz aufgefordert]. |
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(nach Erteschik-Shir 2007: 15) |
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Kontexte zu konstruieren, die ein Topik als solches auszeichnen. Dazu gehört z.B. der FragetestFragetest, den wir bereits eingesetzt haben, um die Fokus-Hintergrund-GliederungFokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) zu bestimmen. In (68) fordert die Frage Informationen zu einer Einheit, die dann entsprechend als Topik interpretiert wird. Das, was in der Frage an Information fehlt, ist der Kommentar.
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