In der Fremdsprachendidaktik und Zweitspracherwerbsforschung herrscht dagegen ein partiell anderes Begriffsverständnis vor; im Vordergrund steht hier die positive bzw. negative Bewertung von normkonformen vs. normabweichenden Realisierungen durch die Lernenden. Im Sinne der oben skizzierten Grundannahme, nach der der Lernende Elemente aus einer ihm bereits bekannten Sprache (z.B. seiner L1) in die zu lernende Sprache / L2 überträgt, können sich abhängig von der Übereinstimmung / Nichtübereinstimmung der jeweiligen Struktur in beiden Sprachen L2-konforme oder -nichtkonforme Realisierungen ergeben. Der erstere Fall wird als (positiver) Transfer gefasst, der zweite als (negative) Interferenz (vgl. Lado 1967, 299; Matras 2009, 72; Müller/Kupisch/Schmitz/Cantone 2006, 19). Damit liegt ein partiell anderes Verständnis von ‘Interferenz’ und speziell des Begriffs der ‘negativen Interferenz’ als in der Sprachkontaktforschung vor; für beide Bereiche können Interferenzen jedoch als ein zentrales Phänomen und ein wichtiger Untersuchungsgegenstand der Forschung gelten.
Insgesamt lässt sich für die frühen kontrastiven Ansätze in der Fremdsprachendidaktik eine starke Fokussierung auf die L1 der Lernenden sowie eine starke Betonung ihres negativen Einflusses feststellen, den es bestmöglich zu unterdrücken gilt. Im Rahmen der Ansätze wird davon ausgegangen, dass die L1 das Erreichen eines bestimmten Kompetenzgrads in der L2 verhindere oder erschwere; die Divergenzen zwischen den Sprachen stehen im Vordergrund der Didaktik, und das Lernmaterial ist so konzipiert, dass schwere, d.h. divergente Strukturen gezielt durch Wiederholung und Einübung bestimmter Routinen angeeignet werden sollen. Im Unterricht wird versucht, die L1 zurückzudrängen, um den störenden Einfluss möglichst gering zu halten; dementsprechend wird auf die ausschließliche Verwendung der L2 im Unterricht hingearbeitet.
Betrachtet man die Weiterentwicklung der kontrastiven Ansätze und Lernmodelle in der Fremdsprachendidaktik am Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts, so lassen sich einige grundlegende Richtungsänderungen feststellen. Ingesamt wird nun stärker auf die positiven Einflüsse anderer Sprachen abgehoben und der Begriff des Transfers gegenüber dem der Interferenz in den Vordergrund gerückt. Im Hinblick auf die Methoden kann generell eine Entwicklung hin zu gemischten Zugängen, die Lehr-/Lernmethoden und Aufgabentypen aus unterschiedlichen Theorien kombinieren, festgestellt werden, wobei über die rein induktiven Methoden der kontrastiven Ansätze der ersten Phase hinaus auch deduktive Zugänge einbezogen werden, etwa um schwierig zu erlernende Strukturen zu thematisieren. Was die potentiellen Einflusssprachen angeht, werden über die Einflüsse aus der oder den Muttersprachen der Lernenden hinaus auch Einflüsse aus anderen bereits gelernten Fremdsprachen in den Blick genommen; als Konsequenz wird der Begriff der ‘Tertiärsprachen’ (L3) geprägt, der mögliche anderweitige Einflüsse sowohl aus L1- als auch aus bereits gelernten L2-Sprachen sowie qualitative Unterschiede zwischen den jeweiligen Einflüssen vorsieht. Darüber hinaus wird – vor allem im Kontext neu entstehender Ansätze zu einer Mehrsprachigkeitsdidaktik, die ein simultanes Erlernen mehrerer Sprachen einer Sprachfamilie anvisiert (vgl. hierzu u.a. Müller-Lancé 2003; Klein 2009) – eine Aufwertung rezeptiver Kompetenzen sowie niedriger oder mittlerer Kompetenzgrade in der zu erlernenden Sprache vorgenommen. Hervorgehoben werden in diesem Zusammenhang die positiven Effekte von Kenntnissen in anderen Sprachen im Hinblick auf die Nutzung vielseitiger Strategien beim Erschließen schwieriger Wörter und Texte. Besonders deutlich werden diese neuen Ansätze in einzelnen Lehrwerken für eine Mehrsprachigkeitsdidaktik der romanischen Sprachen (EuroComRom: Klein & Stegmann 2000; EuRom4 [bzw. später EuRom5; vgl. Reimann 2014, 25]: Blanche-Benveniste et al. 1997, Blanche-Benveniste & Valli 1997; vgl. darüber hinaus Dabène 1975; Dabène & Degache 1996; Meißner & Reinfried 1998; 2001; Kischel 2002; Müller-Lancé 2003; Robert 2004; Klein 2009; Berschin 2014, 242-245 sowie für einzelne Sprachenpaare Saussol 1978; Formichi, Nuzzo & Luque 1997; Arntz & Ré 2007; Bouwmeester 2011).
Bereits dieser kurze Abriss zeigt ein recht großes Spektrum an möglichen Positionen innerhalb einer Fremdsprachendidaktik kontrastiver Ausrichtung. Dabei erweisen sich verwandte Sprachen als besonders interessantes Forschungsfeld mit großem Entwicklungspotential. Über die genannten vorwiegend praktisch orientierten Projekte und mehrsprachigkeitsdidaktischen Lehrwerke hinaus gibt es bislang nur wenige theoretische Studien, die Spezifika des Erlernens verwandter Sprachen ausgehend von kontrastiven Perspektiven systematisch in den Blick nehmen – zwar gibt es z.B. in den romanischsprachigen Ländern zahlreiche Lehrwerke und Arbeiten zu Potentialen und möglichen Schwierigkeiten beim Erlernen bestimmter anderer romanischer Sprachen (etwa zur Didaktik des Französischen für Italienisch-Muttersprachler etc.), jedoch kaum Arbeiten, die über die Betrachtung einzelner Sprachenpaare hinausgehen und die Besonderheiten, die für verwandte Sprachen zu berücksichtigen sind, in einer theoretischen Perspektive systematisieren.
Nachfolgend soll anhand von Valdés’ Diálogo de la lengua offengelegt werden, dass bestimmte Elemente kontrastiver Zugänge bereits im 16. Jahrhundert anzutreffen sind. Dies bestätigt ihre epochenübergreifende Bedeutung; gleichzeitig können hieraus Impulse für die Aktualität gewonnen werden. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt darauf zu untersuchen, welche sprachlichen Phänomene und linguistischen Beschreibungsebenen thematisiert werden, wie dies konkret umgesetzt wird und welche Bewertungen der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachen dabei anklingen.
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