Die wenigsten Studien zum Erwerb dreier Muttersprachen beschäftigen sich mit grammatischen Aspekten. Hier gibt es erheblichen Forschungsbedarf. Die meisten Untersuchungen betreffen den Sprachgebrauch und arbeiten Faktoren heraus, die eine ausgewogene Dreisprachigkeit begünstigen (ChevalierChevalier, Sarah 2015). Zu diesen zählen neben Diskursstrategien von Erwachsenen, die dem Kind signalisieren, dass eine bestimmte Sprache in der Konversation gewünscht ist, auch die InputmengeInput, die Existenz unterschiedlicher Interaktionspartner und somit die Möglichkeit vonseiten des Kindes, mit mehr als nur einer Person in der Nicht-UmgebungsspracheNicht-Umgebungssprache zu kommunizieren (vgl. Kap. 4). GrosjeanGrosjean, François (1992) entwickelt für bilinguale Personen den sogenannten monolingualen und bilingualen SprachmodusSprachmodus. In der Interaktion mit monolingualen Personen muss die bilinguale Person die nicht-gewünschte Sprache unterdrücken, wobei hier die Annahme ist, dass die nicht-gewünschte Sprache niemals vollständig deaktiviert wird. Mit bilingualen Personen, im bilingualen Sprachmodus, sind beide Sprachen aktiviert. HoffmannHoffmann, Charlotte (2001:12) stellt die berechtigte Frage, wie dieses zwei-dimensionale Modell auf die dreisprachige Fähigkeit übertragen werden kann: „It is difficult to see how this linear, two-dimensional model could be employed to explain the trilingual’s ability to move between one, two or three codes – unless of course it was converted into a three-dimensional one; but the difficulty would be how to bring in the activation/deactivation of one or more languages.“ HoffmannHoffmann, Charlotte (2001) überträgt Grosjeans Modell auf den trilingualen Fall und fügt dem monolingualen und bilingualen Sprachmodus einen trilingualen Modus hinzu. Eine trilinguale Person könnte sich somit mit den Sprachen A, B und C im monolingualen Sprachmodus befinden. Die drei möglichen bilingualen Modi sind A+B, B+C, C+A. Der trilinguale Modus würde bedeuten, dass alle drei Sprachen A, B und C gleichermaßen aktiviert sind. Wie bereits erwähnt, weist die Literatur nur sehr selten Beispiele für den trilingualen Sprachmodus auf, vor allem wenn sich eine SprachdominanzSprachdominanz herausgebildet hat. Trilinguale wurden in der Literatur bisher vor allem in monolingualen und bilingualen Sprachmodi beobachtet.
Die Untersuchung von trilingualen Kindern stellt eine besondere Herausforderung dar. Im Kapitel 2 wollen wir die Methoden vorstellen, die dazu dienen, Sprachdaten von trilingualen Kindern zu erheben.
Laia Arnaus Gil Arnaus Gil, Laia
Wenn man Daten von dreisprachigen Kindern erheben will, steht man vor besonderen Problemen, die sich aus der Dreisprachigkeit ergeben. In diesem Kapitel soll eine Studie zum frühkindlichen TrilinguismusTrilinguismus vorgestellt werden, in der die Hauptfragestellung war, ob sich der Spracherwerb bei Kindern, die mit mehr als zwei Sprachen aufwachsen, genauso vollzieht wie bei bilingualen bzw. monolingualen Kindern. Das Kapitel dient auch einer Einführung in unterschiedliche Forschungsmethoden und dem Aufzeigen von Problemen, die sich besonders bei der Betrachtung von Kindern mit mehr als zwei Sprachen ergeben.
2.1 Die Querschnittsstudie
QuerschnittsstudieWill man in der Spracherwerbsforschung bestimmten Fragestellungen nachgehen, ist eine Methode die sogenannte QuerschnittsstudieQuerschnittsstudie. Hierbei wird eine angemessen große Anzahl an Teilnehmern ausgewählt, deren Sprachkompetenz einmalig, z.B. in einer Testsituation, geprüft wird (vgl. MüllerMüller, Natascha et al. 2015: Kapitel 2). Forscher können mit Hilfe von geeigneten Testverfahren gezielt bestimmten Hypothesen nachgehen.
Von insgesamt 126 Kindern einer QuerschnittsstudieQuerschnittsstudie wurden 122 in ihrem Spracherwerb in verschiedenen grammatischen Bereichen getestet.1 Bei den Kindern handelt es sich um 51 Bilinguale, 62 Trilinguale und 9 Multilinguale, mit mehr als 3 Sprachen, mit verschiedenen Sprachkombinationen (vgl. Abb. 2.2) und einem durchschnittlichen Alter von 58 Monaten (4;10). Die bilingualen Kinder sind im Durchschnitt 59 Monate alt (4;11), die trilingualen 57 Monate (4;9) und die multilingualen 55 Monate (4;7). Die Gruppen unterscheiden sich demnach in ihrem Durchschnittsalter, wobei die Unterschiede statistisch nicht signifikant sind. Die Altersspanne der getesteten Kinder reicht von 28 Monaten (2;4) für das jüngste Kind (trilingual) bis 127 Monate (10;7) für das älteste Kind (bilingual). Abbildung (2.1) stellt die Altersverteilung in der untersuchten Stichprobe dar. Es sind hierbei nur 121 Kinder abgebildet, da die Altersangaben für ein Kind fehlen.
Tabelle. 2.1:
Altersverteilung aller Kinder der QuerschnittsstudieQuerschnittsstudie und unterteilt nach bi-, tri- und multilingualer Gruppe
Die Kinder wurden in Deutschland und Spanien (Palma de Mallorca) getestet, also in einer Umgebung, in der sowohl das Spanische als auch das MallorquinischeMallorquinisch (eine Varietät des Katalanischen) verwendet werden. In Deutschland wurde in drei Großstädten getestet (Berlin, Hamburg, Köln). Die multilingualen Kinder hatten die folgenden Sprachkombinationen: Deutsch-Französisch-Spanisch-Englisch (n=1), Deutsch-Französisch-Spanisch-Englisch-ArabischArabisch (n=1), Deutsch-Französisch-Spanisch-KatalanischKatalanisch (n=2), Deutsch-Französisch-Spanisch-NiederländischNiederländisch (n=1), Deutsch-Spanisch-Englisch-HebräischHebräisch (n=1), Deutsch-Spanisch-KatalanischKatalanisch-Englisch (n=2), Französisch-Spanisch-Katalanisch-GalizischGalizisch (n=1).
Abb. 2.2:
Sprachkombinationen: Bilinguale und trilinguale Kinder
2.2 Die Longitudinalstudie
LongitudinalstudieIm Gegensatz zu einer QuerschnittsstudieQuerschnittsstudie besteht eine LongitudinalstudieLongitudinalstudie aus mehreren Kontaktaufnahmen mit der untersuchten Testperson (vgl. MüllerMüller, Natascha et al. 2015: Kapitel 2), manchmal innerhalb eines Zeitraums von mehreren Jahren, wie im vorliegenden Fall. Die Untersuchung eines Individuums über einen längeren Zeitraum hinweg ermöglicht ForscherInnen eine Untersuchung der Sprachentwicklung in einer oder mehreren Muttersprachen(n). LongitudinalstudienLongitudinalstudie sind zeit- und kostenintensiv, woraus eine geringe Anzahl an Probanden resultiert.
Die Wuppertaler Forschergruppe hat in den vergangenen fünfzehn Jahren insgesamt 49 LongitudinalstudienLongitudinalstudie durchgeführt (vgl. MüllerMüller, Natascha 2016, 2017), wovon acht Studien mit trilingualen Kindern erfolgt sind. Die folgende Tabelle (2.1) gibt Auskunft über die trilingualen LongitudinalstudienLongitudinalstudie.
Kind |
Sprachkombination |
Stadt |
Altersspanne |
Anzahl Aufnahmen |
Sprache(n) Vater |
Sprache(n) Mutter |
Frank |
Sp-Kat-Dt |
B |
1;11-4;9 |
74 |
Dt |
Sp |
Milena |
Sp-Kat-Dt |
B |
1;6-2;3 |
14 |
Dt |
Sp (BIL) |
Sebastian |
Sp-Kat-Dt |
B |
1;9-2;3 |
9 |
Dt |
Sp |
Kilian |
Sp-Kat-Dt |
B |
2;3-5;1 |
36 |
Dt |
Kat (BIL) |
Eric |
Sp-Kat-Dt |
B |
1;9-4;3 |
22 |
Kat (BIL) |
Dt |
Alma |
Sp-Kat-Dt |
HH |
4;7-5;11 |
19 |
Sp |
Kat (BIL) |
Pablo |
Sp-Frz-Dt |
K |
2;2-5;1 |
51 |
Frz |
Sp |
Diego |
Sp-Frz-It |
Paris |
2;8-4;9 |
41 |
It |
Sp |
Tab. 2.1:
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